11.47
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist fast unfassbar, nicht? (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachstum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“, „Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ auf das Redner:innenpult.) Wir leben in Zeiten mit steigender Arbeitslosigkeit, mit Rekordinflation – und die Bundesregierungsparteien kommen hierher, reden über Kutschen, über das Pferd, über die Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts in den Neunzigern, über Ladekabel, aber nicht über diese brennenden Themen. Das ist wirklich das, was man heute aus dem Ganzen mitnehmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn Kollege Buchmann sagt, es ist keine Themenverfehlung, dann muss man nur schauen, was der Bundesminister gemacht hat. Er selbst ist ja auch immer wieder auf die österreichische Situation zurückgekommen, weil es so dringend ist, darüber zu reden. Da unterstütze ich ihn ja auch, ich will ja auch über die österreichische Situation reden. Mich hat vor allem interessiert, was der Bundesminister so gemacht hat. Er war ja am Anfang der Superminister – Arbeit und Wirtschaft! Was bleibt also über von der Zeit Minister Kochers? – Na ja, Felbermayr vom Wifo sagt: verlorene Jahre. (Bundesrat Himmer: Die niedrigste Arbeitslosigkeit, Herr Kollege!) – Die niedrigste Arbeitslosigkeit, sagen Sie? (Bundesrat Himmer: Arbeitslosigkeit ist nicht wichtig?) Die Arbeitslosigkeit ist im Steigen, falls Sie es nicht mitbekommen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Ja, aber sie war drei Jahre am niedrigsten ...! Unter den Sozialdemokraten war sie höher! Am höchsten ist sie in Wien!) Die Industrie ist am Schwächeln, die Baubranche ist am Boden: Was das für die Zukunft bedeutet, wissen wir alle. – Das bleibt übrig!
Der Minister hat auch gemeint, ihm sei es darum gegangen, dass es kein Auseinanderdividieren zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gibt. Ja das ist besonders spannend, denn alles, was er in seiner Zeit als Minister gemacht hat, war genau das. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Es hat sich ein Angriff auf Arbeitnehmer an den nächsten gereiht. Was hat er getan? – Er wollte die Bildungskarenz abschaffen – nicht geglückt –, er wollte das Arbeitslosengeld kürzen – nicht geglückt –, er wollte die Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte nach unten nivellieren. Da gab es sogar einen Vorschlag, der ins Parlament gekommen ist. Das war dann ein redaktionelles Versehen, wir hatten es aber ganz genau schwarz auf weiß, dass er das probiert hat. All diese Dinge hat er versucht. Den Punkt mit der Altersteilzeit, mit dem geblockten Modell, hat er zumindest geschafft – zulasten der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein Angriff nach dem anderen gegen die österreichischen Arbeitnehmer:innen, das ist die Bilanz von Minister Kocher. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn er dann hierher kommt und sagt, er wolle das nicht auseinanderdividieren, frage ich mich, was das war. Er ist dafür zuständig, wie es dem Wirtschaftsstandort Österreich geht. Wenn wir uns das anschauen, ist es ja fast erschreckend: teilweise 40 Prozent Steigerung bei Kosten für bestimmte Lebensmittel durchrauschen zu lassen, Mietensteigerung bis zu 25 Prozent. Eine Behörde, die das hätte kontrollieren können, die Bundeswettbewerbsbehörde, hat er über zwei Jahre lang an der Spitze unbesetzt gelassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Die war fast handlungsunfähig aufgrund dessen – und das war auch seine Regentschaft –, nur weil es den Abtausch mit einem anderen Posten mit den Grünen nicht gegeben hat. Ja, auch das war Minister Kocher in dieser Zeit.
Das alles hat er zu verantworten und das hat für den österreichischen Wirtschaftsstandort auch extrem nachteilige Folgen. Warum? – Wenn man die Inflation durchrauschen lässt, dann muss die Gewerkschaft natürlich hergehen und sagen: Wir wollen höhere Löhne. – Das ist ganz logisch. (Beifall bei der SPÖ.)
Das haben sie auch erfolgreich gemacht. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Lohnkosten steigen, dass österreichische Betriebe innerhalb der Europäischen Union einen Wettbewerbsnachteil haben und der Wirtschaftsstandort Österreich dadurch massiv ins Hintertreffen gerät – das ist auch Minister Kocher –, weil man nicht bereit war, in die Inflation einzugreifen, so wie es andere Staaten gemacht haben. (Bundesrat Himmer: Die höchste Beschäftigungszahl, das ist Minister Kocher! Die höchste Beschäftigungszahl!)
Die höchste Beschäftigungszahl, Sie können es so oft sagen, wie Sie wollen, die österreichischen Zahlen sind ganz klar: Wir bewegen uns nicht in die richtige Richtung. (Bundesrat Himmer: Und auch die höchsten Gehälter, die es jemals gegeben hat! – Bundesrätin Schumann: Herr Himmer, Sie hätten ja reden können zum Thema!) Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten, glaube ich, ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das am Sinken ist. Das heißt, wir haben tatsächlich eine Wohlstandsvernichtung. Auch das ist in seiner Amtszeit als Minister passiert. (Bundesrat Himmer: Auch das ist falsch!) – Das ist nicht falsch. Wenn Sie es mir nicht glauben, schauen Sie bitte bei Google nach (Bundesrat Buchmann: Herr Dr. Google!), schauen Sie sich das Wifo an und das, was das IHS sagt! Beim IHS war er selbst Chef, und die sagen eben jetzt auch, dass die Prognosen miserabel sind und dass wir jetzt zu verantworten haben, dass die nächste Regierung ein Sparpaket zu schnüren oder sich zu überlegen haben wird, wo sie andere Einnahmen herbekommt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich bin schon gespannt auf die Sparpläne! Die 32-Stunden-Woche wird ja billig!)
All das war Minister Kocher. Das Beste, was man in der Replik auf ihn und von den anderen Parteien hört, ist immer die Meinung, dass er redlich bemüht war, Projekte umzusetzen, das aber nicht geglückt sei. Das will ich später nie über meine politische Tätigkeit hören, ganz egal, wo das war, weil das viel zu wenig ist.
Ein Letztes noch: Falls Sie sich fragen, warum die Bundesregierung immer noch intakt ist, nachdem eine Regierungspartei der anderen Regierungspartei vorwirft, sie habe Verfassungsbruch begangen, nachdem der Generalsekretär einer Regierungspartei die Ministerin der anderen Regierungspartei sogar anzeigt, dann haben Sie den Grund hier neben mir sitzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger. – Bundesrat Himmer: Weil die Opposition auch keine Option ist! Das ist das Problem!) Es gibt noch eine Besetzung, die ausständig ist: Das Amt des Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank ist noch zu besetzen, und da will natürlich die ÖVP noch ihren Kandidaten, Minister Kocher, als Gouverneur durchdrücken.
Das ist ganz schön bezeichnend, weil die ÖVP immer dafür war: Leistung muss sich lohnen. – Anscheinend geht es nicht darum, wie diese Leistung ausschaut. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
11.53
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr das Wort.