12.41
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich einfach; ich freue mich wirklich. Ich freue mich ganz, ganz toll, dass es jetzt so weit ist, dass wir diese Vereinbarung, diese ILO-Richtlinie 190, im Bundesrat beschließen.
Es war ein derartig langer Kampf, dass es so weit gekommen ist. Das kommt aus einer starken Bewegung der Gewerkschaftsfrauen, über alle Fraktionen hinweg, aus dem Erleben der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, der Betriebsrätinnen und Betriebsräte, der Personalvertreterinnen und Personalvertreter, die genau wissen, was sich an den Dienststellen, in den Unternehmen abspielt, wie stark Gewalt oft das Arbeitsleben der Menschen vergiftet, wie oft Frauen – besonders Frauen, aber auch Männer – von sexueller Belästigung betroffen sind. Aus diesem Erleben heraus war es extrem wichtig.
Ich danke auch sehr für die Unterstützung vonseiten der sozialdemokratischen Frauen. Ich danke dann auch sehr – im weiteren Schritt, denn es war ein langer, langer Prozess, dass wir so weit kommen, dass heute diese ILO-Richtlinie beschlossen wird, dass sie ratifiziert wird – den Sozialpartnern, die sich ja mit der Bitte, endlich zu ratifizieren, an Herrn Bundesminister Kocher und auch an Frau Bundesministerin Raab gewandt haben. Es hat ewig lang gedauert, aber nun ist nicht die Dauer das Wichtige, sondern einfach die Tatsache, dass dieses Übereinkommen jetzt ratifiziert wird und dass man – und das ist ganz, ganz wichtig – jetzt die nächsten Schritte setzen muss, um wirklich Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu bekämpfen.
Bundesrat Kohl hat ja schon sehr deutlich ausgeführt, worum es sich bei diesem Übereinkommen handelt. Ich muss aber sagen: Das ist kein Thema, über das man – lala – hinweggehen kann. Es ist nicht so, dass alles gut ist, und es ist nicht so, dass man sagen kann: Wir haben schon genug gesetzliche Regelungen!, und dann ist alles fein.
Ich darf auf die Studie der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft Vida verweisen, in der man sich ganz genau die Frage der sexuellen Belästigung und der Gewalt – besonders der sexuellen Belästigung im Bereich der Gastronomie und des Hotelleriegewerbes – angeschaut hat. Was da bei den Befragungen herausgekommen ist, ist bestürzend – ich muss ganz ehrlich sagen, es ist bestürzend.
Von den befragten Personen sagen 79 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer, sie wurden in den letzten zwei Jahren sexuell belästigt. Das sind also keine Zahlen, bei denen man sagen kann: Na, das ist ein bisserl was!, sondern das ist ganz arg. Bei 78 Prozent waren es Gäste, Kollegen bei 48 Prozent, Vorgesetzte bei 35 Prozent und bei 1 Prozent waren es andere, zum Beispiel die Lieferanten. Das sind Zahlen, die einen umhauen, und es ist ganz klar, dass da etwas zu tun ist.
Wenn man sich auch die Zitate der befragten Personen anhört – wie eine Arbeitnehmerin gesagt hat –: „Oft werden Dinge als Spaß abgetan oder ‚Das ist halt die Gastro‘, ‚Geh’ bitte, stell dich nicht so an‘, ‚Na das gibt doch zumindest gutes Trinkgeld‘, ‚Dann‘“ brauchst „,du [...] nicht in der Gastro arbeiten, wenn du das nicht aushältst‘.“ – Das ist nicht der Zugang.
Ich danke allen Arbeitgebern – nämlich jenen 40 Prozent –, die da eingegriffen haben. Es ist aber wichtig, jenen 60 Prozent, die nicht eingegriffen haben und nicht geschaut haben, dass dieser Zustand kein dauerhafter wird und abgedreht wird, auf die Finger zu hauen. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man da etwas tut. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin mir auch sicher, dass von Wirtschaftsseite alles getan wird, um diesen Zustand von sexueller Belästigung, Gewalt am Arbeitsplatz zu beseitigen, weil es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an einem guten Arbeitsplatz gut bis zu ihrem regulären Pensionsantrittsalter zu bringen und nicht mit dieser furchtbaren Form der Gewalt oder Belästigung konfrontiert zu sehen.
Die Gewalt am Arbeitsplatz hat zugenommen – auch das ist ganz klar. Wir hören aus den verschiedensten Bereichen, auch aus dem öffentlichen Dienst: Die Aggression ist extrem hoch! – Es wird sich an den Personen, die Kundendienst haben, oft wirklich aggressiv abgearbeitet, das geht bis zur körperlichen Bedrohung. Wir haben jetzt erst wieder die Berichte vom AMS Steiermark gehört, wie es da zugeht, wie Beraterinnen und Berater sozusagen aggressiv angegriffen wurden. Da ist einfach ein Riegel vorzuschieben.
Auch die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter – wir haben gestern darüber gesprochen – kriegen die volle Länge und die Verärgerung der Personen ab, und das geht wirklich bis hin zur körperlichen Bedrohung. Ganz ehrlich: Da braucht es in den Unternehmen, an den Dienststellen ein Schutzkonzept, ein wirklich gutes Schutzkonzept und es braucht auch das gesellschaftliche Übereinkommen: Wir wollen das nicht! (Beifall bei der SPÖ.)
Das fängt beim Reden an und geht weiter in dem, wie ich meine Beschwerde vorbringe. Man kann sich einmal über etwas ärgern, aber die Personen, die diese Beschwerde annehmen, sind ja nicht die, die für den Zustand etwas können, sondern meist nur jene, die die Beschwerde annehmen.
Es ist die Art, wie man miteinander spricht, und ich glaube, da kann man eingreifen. Es muss sowieso selbstverständlich sein, dass es keine körperliche Gewalt und keine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gibt – das muss auch selbstverständlich sein!
Ich sage es noch einmal: Unsere jungen Gewerkschaftsfrauen sagen, das größte Problem, das die weiblichen Lehrlinge haben, ist das Problem der sexuellen Belästigung. Das ist etwas, das nicht geht. Es geht auch nicht, dass jemand sagt: Geh bitte, stell dich nicht so an, du kannst dich ja gleich da vor uns umziehen, brauchst ja nicht extra wohin zu gehen! – Es ist auch so, dass man nicht sagen kann: hearst, Schatzi oder Mausi!, sondern das ist ein Lehrling, der einen Namen hat und der ein Recht hat.
Ich glaube, da sind wir uns alle einig, und darum freue ich mich heute: Ich freue mich wirklich, dass diese ILO-Richtlinie jetzt ratifiziert wird. Bitte sagen wir nicht: In Österreich ist schon alles getan!, sondern kämpfen wir weiter für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz endlich ein Ende haben. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
12.48
Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.