12.50

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Will­kommen, Besucherinnen und Besucher hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuseher:innen zu Hause! Dieser Tagesordnungspunkt behandelt ein ziemlich schwieriges Thema, nämlich eines, das uns immer häufiger betrifft.

„Schreien, erniedrigen und herumschubsen. Vor allem in der Pflege, im Tourismus und in der Gastronomie gibt es zahlreiche Vorfälle von psychischer und physischer Gewalt.“ – So steht es in einem ganz aktuellen Artikel der „Wiener Zeitung“ vom 19. Juni 2024.

An dieser Stelle sei nur erwähnt: Ja, die „Wiener Zeitung“ gibt es entgegen aller Unkenrufe tatsächlich weiterhin, und zwar sehr erfolgreich als Onlinemedium. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Net, net, net! Das macht es nicht besser, schon gar nicht für die Grünen! – Bundesrätin Hahn: Das ist der falsche Platz für so etwas! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das musste sein.

Ein Lehrling hat der „Wiener Zeitung“ seine Geschichte erzählt. Der erst 15-Jährige berichtet: „Er war schon immer unangenehm und aggressiv, aber das war das erste Mal, dass er mich körperlich angefasst hat [...] Mir ging in dem Moment nur durch den Kopf: Was, wenn er mich jetzt schlägt oder würgt, wie wehre ich mich dann?“ – Solche oder ähnliche Vorfälle – wir haben es in den vorigen Reden auch ausführlich gehört – häufen sich. Mittlerweile wird jeder dritte Lehrling bedroht, bloßgestellt, beschimpft oder tatsächlich tätlich angegriffen, heißt es in dem Artikel weiter.

Eine andere Personengruppe, die in besonderem Maß von Gewalt am Arbeits­platz betroffen ist – und das wundert wahrscheinlich wenige von uns hier –, sind Frauen. Die Arbeiterkammer Wien und die Gewerkschaft Vida haben in den letzten Jahren auch da eine Häufung von Fällen, besonders von Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, verzeichnet. In Österreich ist jede fünfte Frau davon betroffen. Sexuelle Belästigung ist ein Akt von Gewalt, sie ist ein Auswuchs geschlechtsbasierter Machtverhältnisse und betrifft deswegen vorwiegend Frauen. 93 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer:innen sind weiblich, die Täter mit fast 98 Prozent fast ausschließlich männlich. Kollegin Schumann hat recht anschaulich ausgeführt, dass Gewalt an Arbeitsplätzen nicht nur ein Problem unter Kolleginnen und Kollegen ist oder von Vorgesetzten an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeübt wird, sondern tatsächlich auch von Kundinnen und Kunden, von Klient:innen an Arbeitnehmer:innen.

Dabei ist klar – und das haben wir heute auch schon oft gehört und man kann es nicht oft genug erwähnen –, dass das einfach nicht tolerierbar ist. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Arbeitswelt frei von Gewalt, Belästigung und Diskrimi­nierung. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Das Übereinkommen, um das es hier geht, wurde auf der Konferenz der ILO, der International Labour Organization, tatsächlich schon im Jahr 2019 beschlossen. Es hat einige Zeit gedauert; jetzt sind wir froh, dass es so weit ist. Das Ziel ist ganz klar: die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Es ist damit das erste entsprechende internationale Recht. Damit sollen eben jede Form von Gewalt, ob körperlich, sexualisiert, jede Form von Belästigung, jede Form von Druckausübung und tätlichen Angriffen am Arbeitsplatz verunmöglicht werden.

Wer soll geschützt werden? – Einfach alle Personen, die einer Beschäftigung nachgehen. Das heißt, neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im klassischen Sinn sollen auch Praktikantinnen und Praktikanten, aber auch Freiwillige und Arbeitsuchende geschützt werden. Es ist eine wirklich sehr umfangreiche Personengruppe, die da geschützt werden soll.

Wir ratifizieren damit die ILO-Konvention 190 für Österreich. Die Ratifizierung ist völkerrechtlich bindend; in einem nächsten Schritt muss sie dann natürlich raschestmöglich umgesetzt werden. Sie enthält übrigens auch eine Pflicht, alle sechs Jahre zu berichten. Die Internationale Arbeitsorganisation, die ILO, hat überdies ein Beschwerderecht, wie wir im Ausschuss erfahren konnten, das sie nutzen kann, wenn sie der Meinung ist, dass Länder die Vereinbarung nicht erfüllen. Es ist nicht nur für Österreich gut, sondern natürlich auch international, dass wirklich geschaut wird, dass die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.

Es gibt auch bereits ein Überwachungs- und Meldesystem, es kann zum Beispiel eine sogenannte Observation ausgesprochen werden. Die schlimmsten Fälle, die da tatsächlich eingemeldet werden, werden bei den ILO-Treffen besprochen. Mit Blick auf das Prinzip Blaming and Shaming sollen Länder allein deswegen schon ein Interesse an einer gewissenhaften Umsetzung der Maßnahmen haben.

Ich bitte wirklich um und freue mich über breite Zustimmung, die hoffentlich bevorsteht, denn alle arbeitenden Menschen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz, in ihrem Arbeitsumfeld sicher fühlen können. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

12.56

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Claudia Arpa. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.