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Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der heutige Tag ist ein guter Tag für Verbraucherinnen und Verbraucher, denn heute haben wir die Möglichkeit, über ein Gesetz zu debattieren, das es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter macht, ihre Rechte gegenüber großen Konzernen tatsächlich durchzusetzen. Wenn ich tatsächlich sage, dann meine ich: Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sicherer sein und sie können rascher zu ihrem Recht kommen, weil sie nicht mehr darauf angewiesen sind, dass sie großen Konzernen gegenüberstehen, die oftmals sehr viel mehr Geld und spezialisierte Rechtsabteilungen haben, sondern weil sie ihr Recht gemeinsam durchsetzen können.
Und gemeinsam ist auch in diesem Zusammenhang ein Stichwort: In der Vergangenheit war es oft so, dass Verbraucherinnen und Verbraucher, auch wenn sie im Recht waren, ihr Recht nicht durchgesetzt haben, weil das Risiko für sie zu hoch war, weil es mit sehr hohen Kosten verbunden war, ihr Recht durchzusetzen, und sie daher lieber auf ihre Ansprüche verzichtet haben, anstatt diese geltend zu machen.
Mit dieser Verbandsklage schaffen wir einen wahren Meilenstein für Verbraucher:innen in Österreich. Denken Sie nur an die zahlreichen Anwendungsfälle der Vergangenheit: Der VW-Dieselskandal mit Zigtausenden Geschädigten, massenhaft eingesetzte schadhafte Brustimplantate, der Brand der Gletscherbahn in Kaprun mit über 100 Toten, Anlegerschäden wegen irreführender Kundenberatung von Banken und viele andere Prozesse mehr lassen sich jetzt in einer Verbandsklage führen.
Welche Vorteile hat das? – Das hat vor allem den Vorteil, dass es ein minimiertes Prozessrisiko für Verbraucher:innen gibt, weil die Verbandsklage sogenannte Qualifizierte Einrichtungen führen können, also Verbraucher:innenorganisationen, die das Prozessrisiko für die vielen Geschädigten dann tragen, und dadurch auch das Prozessrisiko minimiert wird.
Ich möchte jetzt noch einmal hervorheben, dass Qualifizierte Einrichtungen nicht nur die etablierten Qualifizierten Einrichtungen wie die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer oder der Verein für Konsumenteninformation sein können, sondern auch andere Einrichtungen, die sich etabliert haben und bereits für Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gekämpft haben. Genau diese können jetzt auch Klagen vor Gericht führen. Das halte ich tatsächlich für entscheidend.
Ein zweiter Punkt, der aus meiner Sicht das Prozessrisiko auch minimiert, ist die Möglichkeit, dass Prozessfinanzierer die Kosten drittfinanzieren. In Deutschland gibt es eine meines Erachtens sehr einschränkende Regelung, weil es dort klare Vorgaben für Prozessfinanzierer gibt, etwa auch die Vorgabe, wie viel sie verdienen sollen. Im Hinblick darauf finde ich es gut, dass wir in Österreich einen anderen Weg gewählt haben: Wir haben hier eine gewisse Freiheit für die Prozessfinanzierer, weil uns die Erfahrung in Deutschland lehrt, dass sich heutzutage leider keine Prozessfinanzierer für Verbandsklagen finden, was die Kommission veranlasst hat, darüber nachzudenken, ob die Umsetzung in Deutschland gut erfolgt ist oder nicht. Aus diesem Grund halte ich unsere Regelung der Prozessfinanzierung für besonders gelungen.
Einen Punkt möchte ich noch nennen: Es wird oftmals gesagt, 50 Verbraucher sind zu viel. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Themen aufgreifen: Es gibt eine Klage auf Unterlassung. Die Unterlassungsklage richtet sich gegen rechtswidrige Verhaltensweisen von Konzernen, wenn beispielsweise kollektive Interessen von Verbraucher:innen gefährdet sind, weil in den AGBs benachteiligende Klauseln zu finden sind. Dann reicht ein Verbraucher aus, und die Qualifizierte Einrichtung kann die Verbandsklage selbst führen, ohne dass es 50 Verbraucher geben muss. 50 Verbraucher muss es aber für den Schadenersatz oder zum Beispiel für Verfahren betreffend Preisminderung oder Reparatur geben. Das heißt, für eine Verbandsklage auf Abhilfe und für die Schadenersatzklage braucht es 50 Verbraucher:innen, die geschädigt sind.
Das ist bei uns aber einfacher als in Deutschland, weil wir einen einzigen Gerichtsstandort haben: Beim Handelsgericht werden all diese Klagen gesammelt. Das macht es einfacher, mehr Personen zu finden, und das macht es auch einfacher, eine einheitliche Rechtsprechung zu erlangen.
Insofern glaube ich, dass die Gesetzwerdung betreffend die Verbandsklage zwar lange gedauert hat, denn wir haben sehr lange verhandelt, dass dieses Gesetz aber letztlich wirklich gut geworden ist. Ich freue mich wirklich, dass es uns gelungen ist, diesen Meilenstein im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher umzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
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