15.12
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Liebe Kollegin Kittl, es ist immer schön, wenn ich dich zum Schmunzeln bringe. Vielleicht kann ich dich auch jetzt mit meinen Ausführungen noch einmal zum Schmunzeln bringen (Bundesrat Schreuder: Jetzt hast du die Latte sehr hoch gelegt!), wenngleich ich glaube, dass wir da eine sehr ernste Materie betrachten und hier diskutieren.
Ich muss auch sagen, ich habe jetzt keine Ahnung, was Kollegin Edtstadler zu irgendeinem Zeitpunkt bei irgendeiner Anfrage gesagt hat, es tut aber beim Thema, was es an Justizopfern in der Vergangenheit gegeben hat und in der Gegenwart gibt, nichts zur Sache, es hat damit überhaupt nichts zu tun. Es ist ja so, dass man natürlich bejubeln kann, dass das jetzt erhöht wird – eine Verdreißigfachung! –, aber ich habe ja im Ausschuss den Beamten gefragt, was eigentlich ungefähr zu veranschlagen wäre, wenn sozusagen die gesamten Kosten zu ersetzen wären. Der hat sehr ehrlich geantwortet, dass er natürlich keine wissenschaftlichen oder statistischen Erhebungen hat, hat aber gemeint, er schätzt das auf circa das Vierfache.
Wenn wir also diese Zahl annehmen und sagen, dass jetzt ungefähr, glaube ich, 60, 70 Millionen Euro im Budget reserviert worden sind, dann heißt das, dass also geschätzt wird, dass der tatsächliche Schaden bei circa 250 Millionen Euro liegt. Jetzt möchte ich sagen: Ich selbst habe betreffend das Thema Strafverfolgung, Strafprozess auch mehr Kompetenz entwickelt, als ich mir je gewünscht hätte. Wenn man zwölf Jahre strafverfolgt wird, setzt man sich mit unterschiedlichen Dingen auseinander, deswegen kann ich sagen, dass dieser Teil, der die Anwaltskosten betrifft, ja nur ein Teil des Schmerzes ist.
Wenn man strafverfolgt wird, heißt das, dass die Republik zwar nicht sagt, dass man ein Verbrecher ist, aber sagt, dass man möglicherweise ein Verbrecher ist. Das wird auch so formuliert. Es hat auch eine Vorgängerin von (in Richtung Bundesministerin Zadić) Ihnen, sie war auch einmal Beschuldigte, einmal erzählt, dass sie das so schockiert hat. – Wie hat sie geheißen, sie war vom BZÖ, die Kärntnerin? (Bundesrat Schennach: Gastinger!) – Gastinger, genau! – Die hat mir einmal erzählt: Also das ist ein Wahnsinn, wenn man dann so einen Brief kriegt und da steht: beschuldigt des Verbrechens. Ich war einmal Justizministerin, dann kriege ich da ein Schreiben: beschuldigt des Verbrechens.
Das ist aber die Formulierung, mit der man das als Beschuldigter zugestellt bekommt, und wer einen des Verbrechens beschuldigt, das ist die Republik. Die Republik Österreich beschuldigt einen eines Verbrechens. Das schaut man sich dann in der nächsten Zeit, aber eben nicht über Tage, sondern über Wochen, Monate, Jahre – manchmal auch über sehr viele Jahre – an.
Der größte Schmerz, der dabei entsteht, betrifft eigentlich gar nicht einen selbst, sondern die Familie, die Eltern, die Frau, die Kinder, und das zieht sich über Jahre. Das ist nicht irgendetwas. Dann kommen natürlich auch Opportunitätskosten, wie dass das jetzt nicht unbedingt karrierefördernd ist, dazu. Wenn man – wie zum Beispiel in meinem Fall – Vorstand eines börsennotierten Unternehmens ist, kann man so etwas in einer solchen Situation schwer fortsetzen, dann sagt man natürlich: bis sich das geklärt hat. Man weiß natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es zehn, zwölf Jahre dauert, bis sich das geklärt hat.
Daher möchte ich sagen: Ich finde es gar nicht so zum Schmunzeln, dass dieser Bereich des Kostenersatzes wirklich nur ein Teil des verursachten Schadens ist. Jetzt möchte ich einen Vergleich bringen, und frage: Worum geht es bei vielen Wirtschaftscausen? – Oft geht es sozusagen um den Tatbestand der Untreue, denn es ist bald einmal etwas Untreue. Meistens geht es darum, dass Geld irgendwohin gezahlt worden ist und irgendjemand sagt: Nein, das Geld ist nicht für irgendetwas verwendet worden, hin und her, und darüber diskutiert man dann ein, zwei, drei, 15 Jahre.
Die Summen sind so – die Frau Minister wird mich korrigieren, wenn ich etwas Falsches sage –: Bis 300 000 Euro Streitsumme sind es fünf Jahre und über 300 000 Euro ist man mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht, denn die Annahme ist, man habe fremdes Vermögen – meistens das Vermögen der Firma, auf das man aufgrund der Managementverantwortung Zugriff gehabt hat – falsch verwendet und damit der Firma einen Schaden in dem Volumen zugefügt. Deswegen ist normiert, dass bis zu zehn Jahren Haft drohen, wenn der Schaden 300 000 Euro übersteigt.
Jetzt vergleiche ich das damit, dass ich sage, unser Justizsystem schätzt, was die Rechtsanwaltskosten betrifft, von sich aus, den Bürgern im Jahr ungefähr 250 Millionen Euro Schaden zuzufügen, 250 Millionen Euro Schaden!, den Menschen privat für ihre Verteidigungskosten bezahlen müssen, deren Verfahren nachher oder im Laufe des Verfahrens eingestellt werden oder die bei Gericht einen Freispruch erhalten. Jetzt habe ich nicht umgerechnet, wie viele Jahre das wären, wenn man jetzt sagen würde, was weiß ich, über 300 000 Euro bedeuten zehn Jahre Haft. Auf jeden Fall aber müsste sich das österreichische Justizsystem nach den eigenen Maßstäben eigentlich selbst zu Hunderten und Tausenden Jahren Haft bedrohen, wenn man diesen Schaden mit denselben Maßstäben messen würde.
Ich sage daher, ich bin nicht so enthusiastisch, was dieses Gesetz betrifft. Ich möchte einfach eine Sensibilisierung für diesen Umstand, was da vielen Menschen und vielen Familien – das geht hin bis zu den kleinen Kindern – an Unrecht geschieht. Im Justizsystem ist es immer total schwierig. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass jemand, der eine Straftat begeht, verurteilt wird. Natürlich ist es eine Ungerechtigkeit, wenn jemand, der eine Straftat begeht, nicht verurteilt wird, aber es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit – ich weiß nicht, ob du (in Richtung Bundesrätin Kittl) jetzt wieder schmunzelst, ich verwende diesen Ausdruck wieder –, wenn man eine Straftat nicht begangen hat.
Ich habe mich zum Beispiel, als wir das letzte Mal hier die Diskussion betreffend Gewalt an Frauen hatten, gewundert, weil ich es eigentlich auch schade finde, dass hier gesagt worden ist, dass praktisch neun von zehn Fällen wegen mangelnder Beweise eingestellt werden. Deswegen sind ja jetzt diese – wie heißen sie? –, diese Institute – bitte? (Bundesministerin Zadić: Gewaltambulanzen!) –, die Gewaltambulanzen geschaffen worden, um dort aufzunehmen, welche Verletzungen und so weiter stattgefunden haben.
Das wundert mich ehrlich gesagt auch ein bisschen, wenn ich das mit Wirtschaftsstrafverfahren vergleiche, denn wenn man auch nur annähernd eine solche Beweisevidenz bei Wirtschaftsstrafverfahren anlegen würde, dass man sagt, solange das nicht hundertprozentig bewiesen ist, muss freigesprochen werden, dann wären viele, viele Wirtschaftsstrafverfahren viel, viel rascher eingestellt. Im Wesentlichen gibt es eigentlich oft im schlechteren Fall – ich sage jetzt nicht, dass es nicht auch Zeugen gibt, die die Wahrheit sagen, aber in der Regel der Fälle bekommt man Probleme – einen Haberer, der einen vernadert. Das ist eigentlich ausreichend (Heiterkeit des Redners), dass das Leben auf Jahre davon sozusagen determiniert ist.
Ich werde jetzt vielleicht die Zeit überschreiten, ich sage es gleich, weil mir so viel einfällt, aber ich werde dann versuchen, es doch ein bisschen in einen Wordrap zusammenzufassen. (Bundesrat Steiner: Du wolltest 3 Minuten in der Präsidiale!) – Nein, da will ich nicht 3 Minuten reden, sondern noch ein paar Mal 3 Minuten.
Der erste Kronzeuge der Republik Österreich war ein gewisser Gernot Schieszler. Ich habe einmal das Vergnügen gehabt, ihn persönlich kennenzulernen. Es gibt einfach Personen, für die die Justiz ein besonderes Handerl hat – die als Kronzeugen auftreten. Ich sage, jeder, der den kennt, hat gewusst, er wird, wenn man zu ihm sagt: Wenn du das sagst, dann gehst du frei!, alles behaupten. Ich sage, das sind Personen, die, wenn man zu ihnen sagt: Wenn du behauptest, dass die Erde eine Scheibe ist, gehst du frei!, dann sagen, dass die Erde eine Scheibe ist. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Solche Personen zerstören Leben!
Lassen Sie mich aber zur Verantwortung der Justiz zurückkommen! Das Faktum, das ich bringen möchte, ist: 250 Millionen Euro Schaden, was tatsächlich auch vom Ministerium anerkannt wird, wenn man sagt, dass die 70 Millionen Euro ungefähr ein Viertel dieser Summe darstellen.
Ich habe das Gefühl, dass es auch in Ihrer Amtszeit eine Reihe von Justizopfern gegeben hat. Auch wenn Kollege Steiner jetzt noch einmal einen Zwischenruf machen wird, aber ich halte zum Beispiel auch H.-C. Strache in einem relevanten Ausmaß für ein Justizopfer, weil ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann, wie man zehnmal auf jemanden schießt und nicht einmal trifft. Da frage ich mich: Was ist mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft los?
Ich halte Gernot Blümel für ein Justizopfer. Mit wie viel Aufwand und mit wie viel Medienberichterstattung der verfolgt worden ist – und herausgekommen ist genau nichts.
Ich halte den ehemaligen Bundeskanzler Kurz – jedenfalls von dem ausgehend, was bis jetzt geschehen ist – für ein Justizopfer, wenn ich bedenke, dass er für eine unvollständige Antwort in einem Untersuchungsausschuss acht Monate bedingte Haft bekommen hat. Wenn wir das damit vergleichen, dass man sagt: Das Recht muss für jeden gleich sein!, und wir sagen: Okay, wir wenden das jetzt bei jeder Auskunftsperson im U-Ausschuss an und verfolgen diese mit demselben Aufwand über Jahre und Monate so akribisch, bis wir einen falschen Halbsatz finden!, wenn man diesen Maßstab bei allen Auskunftspersonen anlegen würde, na dann möchte ich mir anschauen, was das bedeutet.
Jetzt kann man sagen: Nein, das ist nicht so, das gilt eh nur für Kurz! – Wenn man es bei allen Personen so anlegt, ist es aus meiner Sicht schlicht nicht administrierbar, dann muss ich sagen: viel Spaß bei allen zukünftigen U-Ausschüssen, in denen man das mit derselben Akribie macht! Wenn es nur für Kurz so wäre, würde ich es auch nicht in Ordnung finden.
Dann, finde ich, gibt es auch umgekehrt Nichtjustizopfer. Ein prominentes Beispiel (in Richtung Bundesministerin Zadić) ist Ihr politischer Förderer, Peter Pilz. Der ist ein Genie. Der hupft immer irgendwie vom Schauferl. Was der wahrscheinlich in Summe an Bruch von Amtsgeheimnissen und Verleumdungen in seinem ganzen Leben begangen hat, würde für viele, viele Jahre Haft reichen. Er hat aber vieles sozusagen unter dem Schutz der Immunität gemacht.
Bei der letzten Geschichte, als er die Begegnung mit Radasztics gehabt hat, wird das so geschickt gemacht, dass es dann einfach nach zehn Jahren verjährt ist und er sich dann auch nicht mehr wegen falscher Zeugenaussage zu verantworten hat.
Daher glaube ich, dass wir in Zukunft eine Justiz brauchen, die gerechter wird, die auch ihre Verantwortung übernimmt. Ich glaube, gerade in Bezug auf die angesprochenen 250 Millionen Euro anerkannten Schaden, die die Justiz den Bürgern pro Jahr verursacht, dass es einmal im Jahr eigentlich so etwas wie einen Schadensbericht geben müsste, damit man auch wirklich darin nachlesen kann, was da passiert ist. Ich glaube, dass es für uns alle wichtig ist, dass wir wieder einmal eine parteiunabhängige Justiz haben.
Ich darf Ihnen, Frau Minister, persönlich wirklich das Allerbeste mit ihren Kindern wünschen, viel, viel Glück und das Allerallerbeste für die Zukunft – das meine ich ganz ehrlich. Da wünsche ich Ihnen jedes Glück der Erde, das man mit Kindern haben kann. Für die Justiz wünsche ich mir in Zukunft aber wieder eine parteiunabhängige Führung. (Beifall bei der ÖVP.)
15.25
Vizepräsident Dominik Reisinger: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.