10.13
Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir NEOS haben uns von Anbeginn an mit Leib und Seele dem Thema Bildung verschrieben, und das aus gutem Grund: Bildung ist der Schlüssel zu einem gelungenen, selbstbestimmten Leben, und Bildung ist, wie ich in einer meiner letzten Reden ausgeführt habe, auch eine Frage der Würde.
Was aber bedeutet Bildung heute? – Ich kann jeder und jedem, die oder der diese Frage beantwortet wissen will, nur empfehlen, sich den neuen Kinofilm „Favoriten“ von Ruth Beckermann anzuschauen. Der Film hatte auf der heurigen Berlinale seine Uraufführung, hat die Grazer Diagonale eröffnet und wurde auf verschiedenen internationalen Festivals gespielt. Er begleitet 28 Kinder und ihre engagierte Lehrerin Ilkay Idiskut in den Jahren 2020 bis 2023 von der 2. bis zur 4. Klasse.
Die Klasse besteht ausschließlich aus Kindern mit nicht deutscher Erstsprache, das betrifft auch die Lehrerin. Fast 2 Stunden lang kann man die Kinder beim Spielen, beim Lernen, beim Träumen über Lebensziele, beim Tanzen, beim Turnen beobachten. Es gibt Schulausflüge ins Hallenbad, in die Moschee, in den Stephansdom, aber es werden auch problematische Werthaltungen gezeigt, die die Lehrerin mit den Kindern intensiv hinterfragt. Der Leistungsdruck, der auf den Kindern und ihren Familien lastet, wenn es um die Frage geht, nach der 4. Klasse Volksschule ins Gymnasium oder in die Mittelschule zu wechseln, macht betroffen.
Der Film zeigt aber auch schonungslos die Abgründe des aktuellen Bildungssystems auf, die in der Pandemie noch verstärkt wurden: fehlende Sozialarbeiter, fehlende Pädagog:innen, nicht stattfindende Deutschkurse in einer Schule, die genau das dringend benötigen würde. Unser Bildungssystem ist bereits weit über seine Belastungsgrenzen hinaus unter Druck. Wir fordern daher 20 000 zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen, damit jedes Kind unabhängig vom Elternhaus den besten Start ins Leben bekommt. Damit das schrittweise über einen Zeitraum von zehn Jahren möglich wird, müssen pädagogische Berufe attraktiver werden. In der Schule braucht es Autonomie statt Bürokratie, mehr psychosoziales und administratives Supportpersonal und einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz. Diese Maßnahmen wären schon eine gute Prävention gegen Gewalt an der Schule.
Der erst seit 2020 amtierende Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr hat mit unzähligen Maßnahmen schon dringend notwendige Verbesserungen im Wiener Bildungssystem eingeläutet. Zuletzt wurde im August ein neues Unterstützungspaket für Pflichtschulen geschnürt, das Kräfte im Bereich der Inklusion und Schulsozialarbeit aufstockt. Im September hat der Wiener Landtag eine umfassende Inklusionsoffensive für Wiener Kindergärten mit einem jährlichen Fördervolumen von 17 Millionen Euro beschlossen, auch die Freifahrt in Wiener Öffis bei Klassenausflügen wurde beschlossen.
Weitere Forderungen wie verpflichtende Deutschkurse im Sommer, ein verpflichtendes Schulfach Leben in einer Demokratie oder auch Sanktionsmöglichkeiten für Eltern bei Gewalt an der Schule konnten mangels der dafür notwendigen Kooperation mit dem Bildungsministerium leider nicht umgesetzt werden – insofern ist die Auswahl dieses Themas heute wirklich etwas mutig, Herr Minister.
Die neue Bundesregierung muss alles daransetzen, im Bildungssystem längst überfällige, tiefgreifende Reformen durchzuführen, damit wieder alle Kinder und Jugendlichen die beste Bildung und faire Chancen bekommen, denn das ist die wertvollste Investition für unsere Gesellschaft. Welche Partei könnte das besser als die, die das „Neue Österreich“ in ihrem Namen trägt?
Christoph Wiederkehr hat als erster aktiver Bildungspolitiker vor wenigen Wochen sein Buch „Schule schaffen“ veröffentlicht (das Buch „Schule schaffen – Schulangst, Notenfrust, Bürokratie: Wie es gelingt, dass Kinder wieder gerne zur Schule gehen“ in die Höhe haltend) – ich kann es nur jedem dringend ans Herz legen, der sich mit Bildung beschäftigt –; er beschreibt darin nicht nur den aktuellen Stand der österreichischen Bildungspolitik, sondern auch seine Ideen für einen Turnaround an den österreichischen Schulen.
Abschließend möchte ich zum vergangenen Wahlsonntag noch kurz erläutern, dass ausgerechnet in Favoriten, dem ausländerstärksten Bezirk Wiens beziehungsweise ganz Österreichs, die FPÖ nicht auf Platz eins liegt (Bundesrat Steiner: Ja, weil so viele Ausländer sind ...!), wohl aber hat sie in Gemeinden, in denen es gar keine Ausländer gibt, absolute Mehrheiten erzielt. Daran sieht man, um mit Ute Bock zu sprechen: Angst ist ansteckend, Menschlichkeit aber auch. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ist logisch ...! Wer hat Sie jetzt gehindert, was umzusetzen? Erklären Sie das einmal!)
10.18
Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.
Ich begrüße sehr herzlich bei uns im Bundesrat Herrn Bundesminister Johannes Rauch. Herzlich willkommen! (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.