11.02
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident des Bundesrates! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Das gibt mir Gelegenheit, jetzt auf ein paar Redebeiträge einzugehen, und ich möchte sie nützen, um ein Plädoyer für das österreichische Gesundheitssystem zu halten.
Das ist ein gutes System, es ist europaweit vorzeigbar, und daran sollte man nicht in unverantwortlicher Weise herumdoktern, indem man, wie es die NEOS möchten, das System komplett aushöhlt und möglicherweise sogar in ein kapitalgedecktes System umgestalten will. Das wäre nicht vertretbar und ich kann das auch nicht mehr nachvollziehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Ich habe mir eigentlich gedacht, dass mit dem Ausscheiden des Kollegen Loacker aus dem Nationalrat der Neoliberalismus ein bisschen Abschied genommen hat, aber er hat offensichtlich eine würdige Nachfolgerin gefunden. Was Sie (in Richtung Bundesrätin Sumah-Vospernik) hier über die Kosten des Systems erzählen, ist schlicht nicht wahr. Es ist einfach nicht wahr, es entbehrt jeglicher Fakten, und ich werde Ihnen das ausführen.
Wenn über die Kosten des Pensionssystems gesprochen wird, und das wird von liberaler Seite her immer wieder getan, werden permanent die Beamtenpensionen und die ASVG-Pensionen in einen Topf geworfen. Das geht per se so nicht – das geht nicht! Das ist auch nicht zulässig.
Die ASVG-Pensionen machen in etwa 14 Milliarden Euro im System aus, und was immer verschwiegen wird, ist, dass ein guter Teil davon auch ins Budget zurückfließt, nämlich über die Abgaben, die Pensionistinnen und Pensionisten leisten. Was auch verschwiegen wird, ist, dass die 2,5 Millionen Pensionist:innen in Österreich über ihre Kaufkraft, auch über andere – indirekte – Steuern, die ins Budget einfließen, einen wesentlichen Beitrag leisten. Auch das wird verschwiegen.
Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie die Langzeitgutachten lesen, sehen Sie: Ja, es ist aktuell eine höhere Belastung im System festzustellen, weil jetzt die Babyboomer in Pension gehen. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Wenn Sie das auf die nächsten 30, 40 Jahre fortschreiben, wird sich diese Kurve wieder nach unten senken. – Ja, das ist evident, denn all diese Leute sind geboren. Sie alle sind geboren, das ist reine Mathematik. Es ist reine Mathematik. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Ich kann es nicht mehr hören – und das ist mein Appell –, wenn der älteren Generation und auch schon den, ich weiß nicht, zehn Jahre vor der Pension Stehenden weisgemacht wird: Dieses Pensionssystem wird irgendwann kollabieren. – Damit wird Menschen Angst gemacht, und zwar vollkommen unbegründet. Das ist mathematisch einfach nicht korrekt; Sie (in Richtung Bundesrätin Sumah-Vospernik) sollten rechnen! Ich habe schon versucht, das Kollegen Loacker beizubringen.
Aber wissen Sie, was der wahre Hintergrund ist? Sie wollen ja das System von einem beitragsfinanzierten System in ein kapitalgedecktes System umgestalten (Zwischenruf des Bundesrates Schmid) und liefern damit das Pensionssystem den Verwerfungen der Börsen aus. Dann müssen Sie es aber auch dazusagen, dass Sie das wollen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Sie können sich anschauen, was in jenen Ländern, die das gemacht haben, in den letzten Jahren passiert ist und welche Abhängigkeiten damit durch die Volatilität der Börsen geschaffen worden sind. Ich verwahre mich dagegen und würde davor warnen, in Österreich diesen Weg zu beschreiten.
Das Umlageverfahren ist das fairste aller möglichen Pensionssysteme und es zu haben ist ein Fortschritt. Daran sollte man nicht herumdoktern, und ich hoffe sehr, dass, wenn Sie (in Richtung Bundesrätin Sumah-Vospernik weisend) in Regierungsverantwortung kommen, die anderen beiden Parteien, die möglicherweise dabei sein werden, verhindern werden, dass auf diese Art und Weise am Pensionssystem herumgeschraubt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Was zu sagen mir auch wichtig ist, ist Folgendes: Wir haben in den letzten beiden Jahren, letzten drei Jahren außergewöhnliche Teuerungssituationen gehabt. Das stimmt, und das war ja der Grund dafür, warum wir bei den Pensionsanpassungen auch entsprechend reagiert haben und über diese Anpassungen hinaus Maßnahmen ergriffen haben, um Aufwendungen, die für Pensionistinnen und Pensionisten angefallen sind, abzugelten. Ich kann Ihnen sagen, dass aufgrund der zusätzlichen Leistungen, die wir auch ausgeschüttet haben, heute eine Mindestpensionistin etwa 200 Euro pro Monat mehr zur Verfügung hat als noch vor zwei Jahren. Das heißt, dort sind die Teuerung und auch die Auswirkungen der Inflation abgegolten worden. Auch die Ausgleichszulage steigt jetzt im selben Ausmaß, wie die Pensionen steigen. Wir verhindern damit schlicht die Nachwehen der hohen Inflation.
Auch die kritisierte – oder von manchen kritisierte – Aussetzung der Aliquotierung und die Schutzklausel für das Pensionskonto werden ja deshalb gemacht, weil wir mit den Nachwirkungen einer hohen Inflation zu kämpfen haben. Es ist nur fair, dort Langzeitwirkungen einfach abzufedern, und ich bin sehr dankbar, dass das jedenfalls im Parlament auch breite Zustimmung gefunden hat.
Letzter Satz an dieser Stelle: Es beneiden uns im Kreis der europäischen Sozial- und Gesundheitsminister sehr, sehr viele Länder um unser Pensionssystem. Wir haben eine gute Absicherung im Alter, wir haben auch eine gute Absicherung im Fall von Krankheit. Ich finde, das ist gerechtfertigt. Ich finde auch, es ist unzulässig, davon zu reden, dass die Entscheidung dann lautet, entweder eine Pension zu bekommen oder mit dem „SUV“ – die Frage ist: warum SUV? – „auf einer Schotterstraße fahren“ zu müssen. Das sind schlicht Schauermärchen, und ich würde Sie sehr bitten, auch in Zukunft – ich verlasse mich darauf – als Bundesrat für dieses österreichische Pensionssystem einzutreten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
11.08
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für die Stellungnahme.
Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr das Wort.