RN/43

12.24

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Besucherinnen und Besucher sind gerade keine da. Liebe Zuseher:innen zu Hause vor den Bildschirmen! Zu Beginn möchte auch ich dem scheidenden Präsidenten, Herrn Ebner, der jetzt gerade nicht da ist, danken. Wie schon mehrfach gesagt wurde: Danke für eine umsichtige Präsidentschaft und eine prinzipiell tatsächlich wichtige Themensetzung!

Über eines sind wir uns, glaube ich, hier alle einig, das haben auch die Vorredner:innen deutlich gemacht: Die Hochwasserkatastrophe, die vor drei Monaten besonders Niederösterreich getroffen hat, hat uns alle tief betroffen gemacht. 

Ich möchte gleich zu Beginn auch die Gelegenheit nützen, um allen Einsatzkräften zu danken, den ehrenamtlichen und den hauptberuflichen, die während des Hochwassers wirklich Tag und Nacht, und das tagelang, im Einsatz waren. Danken möchte ich auch den Helferinnen und Helfern, die nachher tage- und wochenlang beim Wiederaufbau, beim Wegräumen und so weiter unterstützt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Die Hochwasserkatastrophe hat die Leben unzähliger Menschen binnen weniger Tage, teilweise binnen weniger Stunden oder in sogar noch kürzerer Zeit dramatisch verändert. Sie hat Existenzen bedroht und zerstört.

Beispielsweise musste eine Familie aus dem Bezirk Korneuburg ihr Zuhause verlassen, nachdem die Flut ihr gesamtes Haus unbewohnbar gemacht hat. Die Familie erzählt davon, was das für ein Albtraum war. Das Wasser kam so schnell, erzählen sie, dass sie nur noch das Nötigste packen konnten; ihr Zuhause, die Erinnerungen, alles war weg.

Die Erinnerungen, das ist an diesem Artikel der Begriff, der mich besonders betroffen gemacht hat, weil er nämlich die besondere Tragweite dieser Tragödie noch einmal verdeutlicht. Neben der ökonomischen Tragödie, Katastrophe, dass Hab und Gut zerstört werden, sind auch Erinnerungen verloren gegangen. Die zerstörte Küche kann man wieder kaufen, wieder aufbauen, Keller und Mauern können trockengelegt werden, viele Dinge können aber nicht ersetzt werden, auch nicht mit noch so viel Geld: Die Generationen an Fotoalben zum Beispiel oder die handgeschriebenen Rezeptbücher der Uroma, Erinnerungen an Verwandte und so weiter, all das ist für immer verloren. Und das belastet neben all dem Leid noch einmal zusätzlich emotional. 

Die Familie, von der ich gesprochen habe, hat wie zahllose andere wochenlang in einer Notunterkunft gelebt, und diese Menschen haben nicht gewusst, ob sie je wieder in ihre eigenen vier Wände zurückkehren können.

Solche Schicksale berühren zutiefst und sollten uns allen wirklich mehr als deutlich machen, wie wichtig es ist, nicht nur kurzfristig zu helfen. Die schnelle Hilfe ist natürlich essenziell, aber seien wir bitte nicht kurzsichtig! Wir müssen auch langfristig alles dafür tun, dass die Zunahme an Häufigkeit und Heftigkeit solcher Ereignisse wirklich in Schach gehalten wird. 

Wir haben es ja schon gehört: Grundsätzlich sind für die Behebung von Schäden durch Naturkatastrophen ja die Länder zuständig. Auf Bundesebene gibt es den Katastrophenfonds, mit dem die Länder bei dieser Aufgabe unterstützt werden sollen. 

Leider ist es je nach Bundesland schon sehr unterschiedlich, welcher Prozentsatz des Schadens nach so einer Naturkatastrophe übernommen wird. In Niederösterreich waren es – wir haben es auch schon gehört – bis vor Kurzem 20 Prozent, im Burgenland sind es bis zu 100 Prozent, in Oberösterreich bis zu 50 Prozent. So geht es natürlich nicht! Oder leiden die Menschen in Niederösterreich weniger unter der gleichen Katastrophe als die Menschen in Oberösterreich oder im Burgenland? Das ist halt die Frage.

Ja, Niederösterreich hat die Quote erhöht, nämlich auf 50 Prozent, in einigen Fällen auf 80 Prozent. Das ist gut so, aber das hat man in Niederösterreich ja nicht einfach so gemacht, sondern eigentlich aufgrund der öffentlich getätigten Zusage, dass aus Brüssel da noch einmal 500 Millionen Euro kommen werden. Da dies aber noch nicht so ganz geklärt zu sein scheint, schreitet der Bund jetzt ein, damit unter anderem eben Niederösterreich nicht alleine auf den Kosten sitzen bleibt.

Das Gesetz, um das es heute geht, ermöglicht zuerst einmal dem Bund, Mittel im Zusammenhang mit dem Hochwasser an die Länder zu übertragen. Und natürlich dürfen wir auch die Gemeinden nicht alleinlassen, die für die Wiederherstellung der Infrastruktur teilweise immense Kosten tragen müssen. Ich denke alleine an unsere Gemeinde. Wir waren so gut wie nicht vom Hochwasser betroffen. Das Einzige, das zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen wurde, war eine kleine Brücke. Und nur dieser eine Schaden geht in die Hunderttausende. Es ist also wirklich immens, was da auf die Gemeinden zukommt. Aus diesem Grund unterstützen wir selbstverständlich den Antrag der SPÖ.

An dieser Stelle möchte ich aber eines noch einmal ganz deutlich klarstellen: Diese Hilfe ist dringend notwendig, aber sie ist nicht genug. Sie ist ein Pflaster auf eine Wunde, die durch den Klimawandel immer tiefer gerissen wird. 

Die Hochwasserkatastrophe vom September 2024 ist kein Einzelereignis. Hundertjährliche Hochwasser ereignen sich mittlerweile im Jahrzehnteabstand – Kollegin Geieregger hat es auch schon ausgeführt –, und das sollte uns wirklich zu denken geben. 

Wir alle wissen und spüren es auch: Extremwetterereignisse haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Intensität und vor allem an Häufigkeit zugenommen, und sie werden immer weiter zunehmen. Dass das eine Auswirkung der Klimaveränderung ist, darüber sind sich Expertinnen und Experten seit Langem einig.

Ein paar Zahlen: Die Hochwasser vom September haben in Niederösterreich Schäden in Millionen-, ja in Milliardenhöhe verursacht. Es waren circa 1,2 Milliarden Euro für Private und dann noch einmal 200 Millionen Euro jeweils für die Gemeinden und für die Länder. Wir sollten uns da einmal eine grundlegende Frage stellen, nämlich ob wir immer wieder Millionen und Milliarden Euro aufwenden wollen, um die Folgen solcher Katastrophen zu lindern, oder ob wir nicht tatsächlich endlich ernsthafte und vor allem ausreichende Schritte unternehmen wollen, um die Ursachen für solche Katastrophen zu bekämpfen. Klimaschutz ist eigentlich schon lange keine Option mehr, sondern längst eine Notwendigkeit. Jeder Euro, den wir heute zum Beispiel in den Ausbau erneuerbarer Energien, in klimafreundliche Mobilität oder in die Stärkung natürlicher Hochwasserschutzmaßnahmen investieren, ist ein Euro, der morgen Leben und Existenzen schützen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grünen werden nicht müde werden, zu betonen: Klimaschutz ist Menschenschutz! Das ist gerade in Zeiten, in denen wie im Koalitionsprogramm in der Steiermark zwar so gut wie nichts darüber zu finden ist, wie die Wirtschaft angekurbelt werden kann, es aber einen eigenen Schwerpunkt zur Stärkung des Individualverkehrs gibt, umso wichtiger. Das ist eigentlich einfach nur rückständig, anders kann man das nicht bezeichnen.

Dabei gibt es ja bitte gute Beispiele, wie so eine Transformation gelingen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) – Ja, im Gegensatz zu euch, denn offensichtlich habt ihr es noch nicht verstanden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)

Dabei gibt es ja wie gesagt gute Beispiele, wie diese Transformation gelingen kann: Projekte wie zum Beispiel die Renaturierung der Marchauen sind ein Vorzeigebeispiel dafür, wie natürliche Hochwasserschutzmaßnahmen nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch den Menschen zugutekommen. Untersuchungen zeigen, dass durch die Renaturierung die Aufnahmefähigkeit der Auen signifikant erhöht wurde und dadurch Hochwasserschäden vermindert werden konnten. 

Die Katastrophe in Niederösterreich sollte tatsächlich ein Weckruf sein. Wir können und dürfen eigentlich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder hängt von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen. 

Klimaschutz ist wie gesagt nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, denn jede Katastrophe, die wir verhindern können, erspart erstens einmal immense Kosten und in allererster Linie und vor allem massives Leid. Das alleine ist also schon eine Frage der Solidarität. 

In diesem Sinne wünsche auch ich für die kommenden Feiertage eine besinnliche Zeit und alles Gute im neuen Jahr. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.32

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Gunter Mayr zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.