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Antrittsansprache der Präsidentin

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und via TV, wo immer Sie uns zusehen und zuhören! Es ist mir eine große Freude und Ehre, heute hier den Sitzungstag mit meiner Antrittsrede als Präsidentin des Bundesrates zu beginnen. Ich hatte ja schon einmal die Ehre – im zweiten Halbjahr 2020 –, und darum weiß ich es besonders zu schätzen, dass ich wieder Präsidentin des Bundesrates sein darf. 

Vorweg bedanke ich mich bei den Mandatarinnen und Mandataren des Salzburger Landtages für die Wahl zur Erstgereihten und bei unserem Landeshauptmann Wilfried Haslauer für das Vertrauen.

Besonders bedanke ich mich heute bei meinem Vorgänger Franz Ebner für den engagierten Vorsitz im letzten halben Jahr. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Franz, du hast von allen Fraktionen aus gutem Grund viel Lob für deine Präsidentschaft erhalten und den Bundesrat erfolgreich als Zukunftskammer und tragende Säule unserer Demokratie positioniert – nochmals vielen, vielen Dank.

Meine Präsidentschaft steht unter dem Motto „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“. Dieses Motto soll uns in den kommenden Monaten leiten, denn die demografische Entwicklung stellt uns vor wirklich große Herausforderungen, die nur durch enge Zusammenarbeit zwischen den Generationen bewältigt werden können. Wir haben ja darüber bereits in der Präsidentschaft Oberösterreichs gesprochen und ich werde in diesem Halbjahr daran anknüpfen.

Eine Gesellschaft, die älter wird, bringt sowohl Chancen als auch erhebliche Belastungen mit sich. Daher erfordert es politische Weitsicht, pragmatische Lösungen und vor allem ein verstärktes Miteinander von Jung und Alt. Die ältere Generation hat den Wohlstand geschaffen, von dem wir heute alle profitieren, und sie verdient Respekt, umfassende Gesundheitsversorgung, angemessene Pflege und die Garantie bestehender Pensionsansprüche.

Ein wichtiger Schwerpunkt meiner Präsidentschaft wird aber auch die Zukunftssicherung der jungen Generation sein. Sie, die junge Generation, trägt die Verantwortung für morgen, und wir müssen dafür sorgen, dass sie diese Last auch schultern kann, denn als Mutter und Großmutter liegt es mir besonders am Herzen, dass diese Ansprüche der älteren Generation die zukünftigen Generationen nicht unverhältnismäßig belasten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].

Es ist daher unsere Pflicht, ein Pensionssystem zu gestalten, das nachhaltig ist und sowohl die heutigen als auch die künftigen Pensionistinnen und Pensionisten absichert. Deshalb werde ich ein Expertenforum einberufen, um die Zukunft des österreichischen Pensionssystems zu analysieren. Wir wollen mit Zahlen und Fakten beweisen, dass das System ein gutes ist, und den politischen Diskurs auf eine fundierte Basis stellen. 

Es bedarf einer langfristigen Reform des Pensionssystems, da sind wir uns alle sicher, aber keines Pensionsbashings. Es bedarf eines Pensionssystems, das auf Nachhaltigkeit abzielt. Dazu gehören neben einer transparenten Kommunikation mit der Bevölkerung vor allem eine objektive Analyse der Kosten und die Berücksichtigung aller Faktoren, etwa der Steuerleistungen der Pensionistinnen und Pensionisten. Pensionistinnen und Pensionisten spielen nämlich eine wesentliche Rolle als Konsumentinnen und Konsumenten und sie tragen durch ihre Kaufkraft aktiv zur gesellschaftlichen Wertschöpfung bei. Durch ihren Konsum sichern sie Arbeitsplätze in den verschiedensten Branchen, vom Handel über Dienstleistung bis zum Tourismus – ich denke dabei nur an die Seniorenreisen –, und sie generieren damit Steuereinnahmen, die wiederum in die öffentliche Infrastruktur und in das soziale System fließen. Ihre Rolle als wirtschaftliche Akteure darf daher nicht unterschätzt werden, muss gebührend bewertet werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Besonders wichtig ist mir auch die Gestaltung eines reibungslosen Übergangs vom Erwerbsleben in die Pension, denn für viele Menschen bedeutet das Ende des Berufslebens eine massive Veränderung des Alltags: Soziale Kontakte gehen oft verloren, Tagesstrukturen brechen weg, und das kann erhebliche psychische und physische Belastungen zur Folge haben. 

Deshalb werden wir im Rahmen einer Bundesratsenquete Lösungsansätze entwickeln, die diesen Übergang erleichtern, etwa Strategien zur Förderung der mentalen und körperlichen Gesundheit sowie die Möglichkeit des Sinnsuchens und des ehrenamtlichen Engagements. Wir werden über den Umgang mit altersbedingten Veränderungen sprechen und über die Bedeutung sozialer Netzwerke im Alter sowie über Herausforderungen und Chancen in der Familienarbeit. Auch die vorausschauende Planung für das Wohnen im Alter wird ein Thema sein. 

Das Ziel ist es, Orientierungshilfe zu schaffen und konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, die die Lebensqualität der Menschen in dieser entscheidenden Lebensphase verbessern.

An dieser Stelle möchte ich die Holocaust-Zeitzeugin Erika Freeman zitieren, die uns am Montag mit ihren 97 Jahren ein beeindruckendes Beispiel für eine positive Lebenseinstellung gegeben hat, denn sie sagte: „Mach dich glücklich, dann kannst du die Welt retten!“ – Nur glückliche Menschen und auch glückliche und zufriedene Seniorinnen und Senioren können einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.

Die Enquete wird also nicht eine Seniorenveranstaltung im engeren Sinn sein, sondern vielmehr liegt der Fokus darauf, denjenigen, die sich noch im Erwerbsleben befinden, Orientierungshilfen zu geben, wie sie sich bestmöglich auf diesen Lebensabschnitt vorbereiten können. Gleichzeitig sollen auch der jungen Generation frühzeitig klare Perspektiven und Chancen für eine gesicherte Zukunft gezeigt werden. Erwerbstätige müssen die Sicherheit haben, dass ihre eigene Altersversorgung gewährleistet ist. Ohne diese Perspektive könnten Unsicherheit und Unzufriedenheit zunehmen, was die gesellschaftliche Stabilität gefährden würde. 

Eine kluge Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze schafft und hält, sowie eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten zwischen den Generationen sind wesentliche Elemente dafür. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der älteren Generation und den berechtigten Erwartungen der Jüngeren zu finden, denn nur durch gegenseitiges Verständnis und eine gemeinsame Anstrengung können wir eine gerechte und lebenswerte Zukunft für alle Generationen gestalten. Gemeinsam zu arbeiten bedeutet, gemeinsam zu wachsen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

All diese Herausforderungen, von der Sicherung der Pensionen über die Gesundheitsversorgung bis hin zur Förderung der Generationensolidarität, können wir nur gemeinsam bewältigen. 

Das Geheimnis des Wandels besteht darin, nicht das Alte zu bekämpfen, sondern die neue Zukunft zu formen. Das ist keine neue Erkenntnis, sehr geehrte Damen und Herren, das wusste schon Sokrates vor fast 2 500 Jahren. Es liegt also in unserer Verantwortung, Brücken zwischen Jung und Alt, zwischen Stadt und Land, zwischen den politischen Lagern und über die Grenzen unserer Bundesländer hinweg zu bauen. Dieser Zukunft wird sich der Bundesrat widmen. 

Die Rolle des Bundesrates als Zukunftskammer des Parlaments unterstreicht seine Bedeutung als Bindeglied zwischen den österreichischen Regionen und der Bundespolitik. Er ist nicht nur ein Garant für den föderalen Gedanken, sondern auch ein Ort, an dem die Anliegen der Bundesländer gehört und Lösungen entwickelt werden, die auf regionale Besonderheiten eingehen. Diese regionalen Besonderheiten müssen wir auch in der EU verstärkt einbringen. Als Europakammer des Parlaments haben wir die Verpflichtung zur Festigung des Subsidiaritätsprinzips und zur Weiterentwicklung der europäischen Mehrebenendemokratie.

Vor zehn Tagen habe ich an der Europakonferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente, des Südtiroler Landtages und des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens teilgenommen. Wir haben dort die Erklärung zum Thema „Stärkere Rolle der Regionalparlamente in der Europäischen Union“ beschlossen. Sie geht auf Initiative meines Heimatbundeslandes Salzburg und Baden-Württembergs zurück. Kernanliegen dieser Brüsseler Erklärung ist, im Kontext zunehmender Bedrohung der Europäischen Union die Bedeutung der regionalen Parlamente für die Entwicklung Europas hervorzuheben. Dazu wurden konkrete Anliegen formuliert, um die Rolle der Regionalparlamente in der Europäischen Union zu stärken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen eine starke Kohäsionspolitik, die Schaffung eigener Initiativanträge sowie die Stärkung des Europäischen Ausschusses der Regionen und die Reduktion der delegierten Rechtsakte. Das ist uns dort und auch hier bei uns im Bundesrat immer wieder ein ganz wichtiges Anliegen, speziell im EU-Ausschuss. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Die Brüsseler Erklärung stellt einen bedeutenden Schritt zur Stärkung der Regionalparlamente in der Europäischen Union dar und leistet daher einen wichtigen Beitrag zur Festigung des Subsidiaritätsprinzips. Dank unserer Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen verfügen die Regionalparlamente und auch der Bundesrat über ein tiefgehendes Verständnis dafür, wie EU-Recht in die Praxis umgesetzt wird. Dieses Wissen sollte künftig stärker genutzt werden, um die Europäische Union bürgernäher und effektiver zu gestalten. 

Der Bundesrat steht für Kontinuität, Stabilität und den föderalen Zusammenhalt. Er ist nicht nur ein Spiegel der Vielfalt unserer Bundesländer, sondern auch ein Garant für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Regionen. Die Mitglieder des Bundesrates gehören zweifellos zu den bestinformierten Politikerinnen und Politikern unseres Landes und gehören entsprechend wertgeschätzt, auch in den Bundesländern. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ.) Sie bringen das Wissen aus den Regionen in den politischen Diskurs ein, sie vertreten die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und gestalten dadurch die Zukunft Österreichs aktiv mit. 

Ich lade Sie alle ein, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen. Der Bundesrat wird seiner Rolle als Zukunftskammer gerecht, indem er nicht nur bestehende Gesetze reflektiert, sondern auch neue Perspektiven aufzeigt. Lassen Sie uns daher gemeinsam daran arbeiten, Gräben zu überwinden, den Dialog zu fördern und Österreich zukunftsfähig zu machen! 

Dazu müssen wir unsere politische Kultur stärken – für mich bedeutet das, meine christlich-sozialen Werte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Es gilt, mehr miteinander zu sprechen statt übereinander. Zuhören ist eine Fähigkeit, die wir wieder vermehrt kultivieren müssen – im Bundesrat, in den politischen Institutionen und in der Gesellschaft. Eine politische Kultur ohne Vorverurteilung und Jammern erfordert, dass alle Beteiligten Verantwortung übernehmen: für ihr Handeln, für ihre Worte und für das Ergebnis. Eigenverantwortung ist der Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie. 

Und: Respekt ist die Grundlage jeder Zusammenarbeit. Dieser Respekt muss nicht nur zwischen den politischen Akteuren herrschen, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gezeigt werden. Eine respektvolle Debatte stärkt das Vertrauen in die politischen Institutionen. 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Erika Freeman zitieren: „Man kann nicht jeden lieben“, aber man kann zu jedem nett sein; „höflich“ sein „ist auch nicht schlecht.“ – Was für Worte dieser 97-jährigen Frau! (Allgemeiner Beifall.)

Was für den Bundesrat gilt, gilt ebenso für die Gesellschaft: Dialog und Zuhören und Respekt sind keine exklusiven Tugenden der Politik, sondern müssen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens gefördert werden – in Familie, Gemeinde, Unternehmen und Bildungseinrichtung. Der Bundesrat kann dabei als Vorbild dienen, indem er zeigt, wie durch respektvollen Umgang und konstruktive Diskussion Brücken gebaut und Lösungen gefunden werden. 

Ich bitte Sie alle um Ihre Unterstützung in diesen kommenden Monaten und freue mich auf die Zusammenarbeit. Gemeinsam können wir wachsen, Brücken bauen und die Generationen miteinander verbinden. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)