RN/85

18.01

Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Vertreter:innen der Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion einen aufrichtigen Dank an die Volksanwaltschaft für ihre engagierte Arbeit – aber nicht nur der Volksanwaltschaft an sich, sondern vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – aussprechen. Ihre Arbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Demokratie. Sie sind es, die Missstände in unserem Land aufzeigen, die Stimme der Bürgerinnen und Bürger erheben und vor allem dort eingreifen, wo Menschen dringend Unterstützung brauchen. Wie essenziell ihre Funktion als Kontrollinstanz und Sprachrohr ist, bildet auch ihr erster Platz im Vertrauensindex ab. 

Der 47. Bericht der Volksanwaltschaft ist nicht nur eine detaillierte Analyse des Iststandes, sondern auch ein wichtiger Kompass für notwendige Verbesserungen in unserem Verwaltungssystem. Es wurde schon ausgeführt: Über 23 000 Beschwerden wurden im Jahr 2023 bearbeitet. Zusätzlich haben Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Sprechtagen in allen Bundesländern die Möglichkeit, ihr Anliegen mit der Volksanwältin beziehungsweise dem Volksanwalt persönlich zu besprechen. Dieses Angebot wird von der Bevölkerung begrüßt und intensiv in Anspruch genommen. Im Berichtsjahr fanden 145 Sprechtage mit 1 084 Beratungen statt. 

Besonders hervorheben möchte ich die akribische Arbeit in den Bereichen Pflege, Justiz und soziale Absicherung. Dass Missstände in Pflegeheimen aufgezeigt werden, dass Versäumnisse in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen ans Licht kommen und dass unzumutbare Wartezeiten bei Sozialleistungen kritisiert werden, ist nicht nur wichtig, sondern dringend notwendig. Diese Arbeit verdient unser aller Respekt. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Es ist unsere Pflicht, diese Kritik ernst zu nehmen und Lösungen umzusetzen. Ich werde daher heute auf einige zentrale Themen aus diesem Bericht eingehen. 

Ein besonders besorgniserregender Punkt im Bericht ist die mangelhafte Schmerztherapie in Österreich. Viele Menschen, insbesondere chronisch Kranke, erhalten nicht die medizinische Versorgung, die sie benötigen. Im Jahr 2023 lag ein besonderer Fokus der Menschenrechtskontrollen auf dem Schmerzmanagement und der Palliative-Care in Alten- und Pflegeheimen. Es wurde festgestellt, dass 60 bis 80 Prozent der Heimbewohner:innen an Schmerzen leiden. Die Volksanwaltschaft empfiehlt daher eine standardisierte Schmerzerfassung, eine Optimierung des Prozessmanagements und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Schmerzexpert:innen. Chronischer Schmerz ist nicht nur eine medizinische Herausforderung, sondern auch eine soziale Frage. Da ist Handlungsbedarf gegeben. 

Ein weiteres wichtiges Thema war der assistierte Suizid in Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit dem 2022 in Kraft getretenen Sterbeverfügungsgesetz. Die Volksanwaltschaft betont die Duldungspflicht von Heimbetreibern, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für den assistierten Suizid erfüllt sind. Allerdings zeigten sich 53 Prozent der befragten Alten- und Pflegeheime ablehnend gegenüber der Suizidassistenz. 

Der Personalmangel in den Justizanstalten war auch schon ein Thema, das angesprochen wurde. Ein weiteres gravierendes Problem betrifft diesen Personalmangel. Die Zahlen sind alarmierend. Der Straf- und Maßnahmenvollzug in Österreich ist am Limit: überlastetes Personal, steigende Suizidfälle in Haftanstalten und eine mangelnde Unterstützung bei der Umsetzung von Empfehlungen durch das Justizministerium. Das sind keine Warnsignale mehr, das ist mehr als ein Hilferuf. Da gilt es, ganz genau hinzusehen und die erforderlichen Maßnahmen umgehend umzusetzen. 

Unsere Maßnahmen müssen daher sein: ein Attraktivierung des Berufsbildes – die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen und die Ausbildung müssen verbessert werden –; rasche Besetzung offener Stellen – der Justizwachedienst braucht dringend zusätzliche Planstellen. Unsere Justizwache darf nicht zum Notnagel werden. Es braucht eine langfristige Strategie, die Sicherheit und Würde gleichermaßen gewährleistet. (Beifall bei der SPÖ.)

Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes: Die Volksanwaltschaft hat erneut massive Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes festgestellt. Familien, die ohnehin unter finanziellen Belastungen stehen, müssen teilweise jahrelang auf ihr Geld warten, was zu existenzbedrohenden Situationen führt. Besonders betroffen sind Familien, bei denen ein Elternteil in einem anderen EU-Land lebt und arbeitet. In diesem Bereich ist eine serviceorientierte und EU-rechtskonforme Vorgehensweise dringend umzusetzen, um diese Verzögerungen zu vermeiden. Familien brauchen keine zusätzlichen Sorgen, sie brauchen eine unbürokratische und verlässliche Auszahlung ihrer Ansprüche. 

Weiters gibt es eine Problematik bei der Anrechnung der Witwenpension auf die Notstandshilfe. Es wurde ein Fall aufgezeigt, bei dem die Zuerkennung einer Witwenpension zu einer erheblichen Kürzung der Notstandshilfe führte, sodass die Hinterbliebenenleistung praktisch neutralisiert wurde. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass Handlungsbedarf besteht. Die Volksanwaltschaft hat in ihrem Bericht auch deutlich gemacht, dass solche Fälle nicht nur eine finanzielle Belastung für die Betroffenen darstellen, sondern auch die soziale Sicherheit und das Vertrauen in unsere sozialen Sicherungssysteme untergraben. Es wird daher dringend notwendig, dass wir als Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um diese Ungerechtigkeit zu beheben. 

Neben diesen dringenden Herausforderungen gibt es auch positive Entwicklungen, die wir nicht unerwähnt lassen sollten. So konnten auf Initiative der Volksanwaltschaft und durch politisches Handeln einige wichtige Verbesserungen erreicht werden. Die Wochengeldfalle wurde beseitigt. Durch eine Gesetzesänderung wird nun verhindert, dass Frauen durch Karenzzeiten unverschuldet in finanzielle Nachteile geraten.

Einzelfälle wurden rasch erledigt. In mehreren dokumentierten Fällen konnte die Volksanwaltschaft durch rasches Einschreiten Betroffenen helfen, sei es bei fehlerhaften Bescheiden oder ungerechtfertigten Kürzungen von Sozialleistungen. Diese Erfolge zeigen: Wenn wir handeln, können wir konkrete Verbesserungen für die Menschen in unserem Land erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Bericht der Volksanwaltschaft ist nicht nur ein Dokument, das Missstände aufzeigt, er ist ein Auftrag an uns alle. Wir dürfen diese Probleme nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern müssen ihnen entschlossen entgegenwirken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.10

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Werner Gradwohl. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.