RN/87

18.16

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Frau Präsidentin! Geschätzte Volksanwältin Schwarz! Geschätzter Volksanwalt Achitz! Volksanwältin Schwetz! Kolleginnen und Kollegen! Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause und auch hier – wir haben einen Gast, willkommen! – im Hohen Haus! Zunächst auch von mir und auch im Namen meiner Fraktion ein herzliches Dankeschön an die Volksanwaltschaft – an Sie, sehr geehrte Volksanwältinnen und sehr geehrter Herr Volksanwalt, aber auch an das gesamte Team – für euren großartigen Einsatz für die Menschen in Österreich!

Im Ausschuss haben Sie, Frau Schwarz, davon erzählt, wie Sie oft ganze Tage vor Ort verbringen und mit Menschen sprechen, um sich einen Eindruck von den Gegebenheiten zu verschaffen. Das ist wirklich eine ganz wichtige Arbeit, die Sie für die Menschen in Österreich leisten. Wir haben es heute schon mehrfach gehört: 2023 sind über 23 000 Beschwerden eingegangen, das sind 94 Beschwerden pro Arbeitstag. Das mutet viel an, aber diese Zahl zeigt uns auch das große Vertrauen, das die Menschen in die Volksanwaltschaft haben.

Es wurde heute schon erwähnt, ich möchte es aber einfach auch noch einmal sagen, weil es so toll ist und weil es den Wert eurer wirklich tollen Arbeit zeigt: Der Vertrauensindex – ihr seid seit Jahren, glaube ich, an einer der oberen Stellen, und auch im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert wieder gestiegen. Auch dazu Gratulation – das ist wirklich verdient!

Der niederschwellige Zugang zur Volksanwaltschaft ist sicher mitverantwortlich für dieses Vertrauen, sei es durch regionale Sprechstunden, telefonische Beratung oder digitale Anlaufstellen. Auch Besuchergruppen sind in der Volksanwaltschaft willkommen. Ich habe erst im Ausschuss erfahren, dass es dieses Angebot gibt und dass es auch spezielle Angebote für junge Menschen gibt: für Schülerinnen und Schüler, für Lehrlinge.

Nun zum vorliegenden Bericht: Er ist ja wirklich sehr umfassend und enthält viele Erkenntnisse und Empfehlungen. Ich kann allen, die den Bericht nicht gelesen haben, nur empfehlen, ihn sich anzuschauen. Er ist ganz einfach auf der Website einsehbar.

Auch im Ausschuss haben wir schon wirklich viele Fragen zum Bericht erklärt. Ich möchte ein paar zentrale Themen aus diesem Bericht aufgreifen – einige sind schon erwähnt worden, einige sind vielleicht neu.

Das eine Thema ist Schmerzmanagement – es wurde schon mehrfach angesprochen –: Ein alarmierender Befund des Berichtes betrifft das Schmerzmanagement in Alten- und Pflegeheimen. Bis zu 80 Prozent der Bewohner:innen leiden unter Schmerzen, und dennoch fehlt in jeder vierten Einrichtung ein systemisches Schmerzmanagement. Der Bericht zeigt auch, dass Frauen stärkere Nebenwirkungen von Schmerzmitteln haben, doch dieses Wissen wird oft in der Praxis nicht berücksichtigt.

Ich kann das quasi aus eigener Erfahrung bestätigen: Meine Großmutter hat die letzten Jahre ihres Lebens in einem Pflegeheim verbracht, und auch wenn die Betreuung ausgesprochen gut war, ließ das Schmerzmanagement wirklich zu wünschen übrig. Sie hatte bis zum Schluss wirklich starke Nebenwirkungen von Schmerzmitteln, und man konnte das bis zum Schluss eigentlich nicht in den Griff bekommen. Also wie gesagt: Ich kann das nur bestätigen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr der Überdosierung, müssen wir da lesen. Da braucht es auch wirklich dringend flächendeckende und qualitätssichernde Maßnahmen: Methoden der Schmerztherapie, regelmäßige Screenings und eine verbesserte Erhebung von schmerztypischem Verhalten. 

Besonders besorgniserregend ist, dass spezialisierte Pain-Nurses, also speziell auf Schmerztherapie spezialisierte Pflegekräfte, nur in der Hälfte der Einrichtungen verfügbar sind. Die gab es eben auch in dem Pflegeheim, in dem meine Großmutter untergebracht wurde, leider nicht. Das ist eine unhaltbare Situation, die dringend verbessert werden muss. 

Ein weiteres gravierendes Problem, das der Bericht ans Licht bringt, betrifft die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Auch das haben wir im Ausschuss besprochen. Obwohl zum Beispiel 40 Prozent der Einrichtungen über sexualpädagogische Konzepte verfügen, sind diese oft wirkungslos, weil weder die Bewohner:innen noch das Personal ausreichend informiert sind. In nur 20 Prozent der Fälle liegt dieses Konzept überhaupt in Leichter Sprache vor, obwohl gerade das eine Grundvoraussetzung für echte Teilhabe wäre.

Besonders problematisch, müssen wir lesen, ist, dass die Privatsphäre vieler Menschen mit Behinderung massiv eingeschränkt wird. Übernachtungsbesuche zum Beispiel sind häufig verboten. Verhütungsmittel – das muss man sich einmal vorstellen – werden in einigen Fällen den Betroffenen ohne Zustimmung verabreicht. Das ist eigentlich unvorstellbar. Die Möglichkeit der Sexualbegleitung ist in mehreren Bundesländern sogar gesetzlich untersagt. 

Der Bericht macht auch auf eine besonders alarmierende Tatsache aufmerksam, nämlich darauf, dass Frauen mit Behinderung in Österreich immer noch teilweise ohne ihr Einverständnis sterilisiert werden, was ein schwerer Menschenrechtsverstoß ist und zu Recht auch massiv kritisiert wird. Dabei sollten gerade Erwachsene, auch Erwachsene mit Erwachsenenvertreter:innen, selbst Entscheidungen treffen – das haben wir auch im Ausschuss besonders intensiv gehört –, wo immer es möglich ist. 

Es ist wirklich höchste Zeit, diese Missstände zu beseitigen. Selbstbestimmung darf einfach nicht bei der Behinderung enden. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Der Bericht zeigt aber auch positive Ansätze. So gibt es eine Einrichtung, die ein Eltern-Kind-Zimmer für werdende Eltern mit Behinderung anbietet – ein Modell, das wirklich Schule machen sollte.

Die sieben Kommissionen der Volksanwaltschaft haben über 500 unangemeldete Kontrollen in Krankenanstalten, Pflegeheimen, Psychiatrien, Justizanstalten, Polizeianhaltezentren und bei Polizeieinsätzen durchgeführt. Warum ist diese Präventive Menschenrechtskontrolle so entscheidend? – Die Europäische Menschenrechtskonvention schützt nicht nur vor Folter, sondern auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Der Bericht zeigt auch, dass es in vielen dieser Einrichtungen nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen in diesem Sinne kommt. Erniedrigung ist der erste Schritt zur Entwürdigung, und wenn wir das zulassen, dann öffnen wir eigentlich Tür und Tor für Schlimmeres. Studien und auch die Geschichte haben uns gelehrt, dass Folter zum Beispiel nie plötzlich beginnt, sondern sich aus einem System der Herabwürdigung heraus entwickeln kann. Die Volksanwaltschaft verhindert genau das durch ein dichtes Netz an Kontrollbesuchen. Dass Österreich in diesem Bereich sogar besser als die zehnmal größere Bundesrepublik Deutschland aufgestellt ist, zeigt, wie ernst wir dieses Thema nehmen, und das ist auch gut so.

Die Volksanwaltschaft feiert demnächst ihr 48-jähriges Bestehen. Dabei war sie ursprünglich nur als befristete Einrichtung geplant. Ursprünglich hat man mit circa 1 000 Fällen pro Jahr gerechnet. Das wurde natürlich relativ schnell weit übertroffen, und die Volksanwaltschaft ist mittlerweile unverzichtbar. 

Heute sorgt sie nicht nur für Transparenz und Kontrolle, wie wir gehört haben, sondern leistet auch wirklich wertvolle Bildungsarbeit. Die Zusammenarbeit mit Universitäten, zum Beispiel die Ringvorlesung mit der Medizinischen Universität, oder Veranstaltungen zu Themen wie Hass im Netz zeigen, dass sie nicht nur Missstände aufdeckt, sondern auch wertvolle Aufklärungsarbeit leistet.

Der Bericht hebt außerdem hervor, dass trotz der zunehmenden Digitalisierung die persönlichen Sprechtage vor Ort weiterhin sehr stark genutzt werden. Die Volksanwaltschaft bleibt also nah an den Menschen und zeigt, dass Verwaltung keine unkontrollierte Bürokratie ist, sondern gesetzlichen Normen unterliegt und dass Bürger:innen Rechte haben, die durchgesetzt werden müssen. 

Um auch noch einmal auf die Präventive Menschenrechtskontrolle zurückzukommen: Es ist ganz klar: Jede festgestellte Menschenrechtsverletzung ist eine zu viel, und jede verhinderte ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Die Berichte der Volksanwaltschaft sind in diesem Sinne mehr als wertvoll, weil sie aufzeigen, wo wir als Gesellschaft noch große Baustellen haben. Sie geben uns gleichzeitig auch konkrete Ansatzpunkte, wie wir diese Missstände beheben können. In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Arbeit und Ihren Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

18.26

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Volksanwältin Mag. Elisabeth Schwetz zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Volksanwältin.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.