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9.37

Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Vielen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich sehr, in meiner ersten Aktuellen Stunde ein großes Herzensthema mit Ihnen, mit euch zu diskutieren, sich dazu auszutauschen. Österreich, und das ist bereits mehrfach erwähnt worden, ist seit dem heurigen Jahr 30 Jahre Mitglied der Europäischen Union. Es ist ein Erfolgsmodell, nicht nur für unsere Republik, sondern insbesondere für die Regionen. Die unterschiedlichen Programme sind schon von den Mitgliedern des Bundesrates aufgezählt worden. 

2025 ist ja insgesamt ein Jahr, in dem wir innehalten und auf unsere Geschichte zurückblicken können: Wir feiern 80 Jahre Frieden in Österreich, wir feiern 70 Jahre Freiheit in Österreich und wir feiern 30 Jahre Wohlstand und Sicherheit in Österreich durch den Beitritt zur Europäischen Union. 

Sehr geehrter Herr Bundesrat! 2 von 3 Euro werden in Österreich mittlerweile durch Export verdient – Export im größten Binnenmarkt, der durch die Europäische Union geschaffen worden ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Samt [FPÖ/Stmk.].)

Ich gehe davon aus, dass Sie als Bundesrat auch sehr, sehr viel in Betrieben in Ihrem Bundesland unterwegs sein werden: Jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt am Export. Die Europäische Union hat uns diesen Wohlstand gebracht (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Vorher waren wir ein Dritte-Welt-Land, gell!), den wir nicht nur in Worten hochhalten sollen, sondern an dem wir auch konkret weiterarbeiten müssen; aber dazu werde ich später noch kommen. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... waren wir ein Dritte-Welt-Land! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Österreich ist ein europäisches Land durch und durch, nicht nur geografisch, sondern auch historisch, kulturell und insbesondere wirtschaftlich. Wir sind mit unseren acht Nachbarstaaten sehr, sehr eng verflochten, ob sie Mitglied der Europäischen Union sind oder nicht. Diese enge Zusammenarbeit ist uns in Österreich insbesondere als Binnenland sehr, sehr wichtig. 

Unsere Grenzregionen sind tagtäglich gelebtes Europa und ein lebendiger Beweis für die europäische Integration. Die Bundesrätinnen haben es schon erwähnt – und wenn ich mich so in der Runde umschaue, dann sind es in erster Linie auch Bundesrätinnen –, dass sie Europa oder Österreich gar nicht ohne die Mitgliedschaft in der Europäischen Union kennen. Auch mir geht es so, denn drei Wochen nach meiner Geburt ist Österreich Mitglied der Europäischen Union geworden. Ich kenne allerdings die Geschichten von den Grenzzäunen sehr, sehr gut, als Österreich vor über 35 Jahren im Kopf noch das Ende Europas, das Ende des Kontinentes bedeutet hat, als der Eiserne Vorhang den ganzen Kontinent geteilt hat. Ich bin im Mühlviertel aufgewachsen, ich lebe auch heute in einer Grenzregion zu Bayern, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns immer in Erinnerung rufen, dass es nicht so lange her ist, dass das noch ganz anders ausgeschaut hat. 

Bei all den Problemen, die tagtäglich auf uns hereinprasseln, tut es, denke ich, auch einmal gut, den Blick von außen auf die Vorteile zu richten, die die Europäische Union, ein geeintes Europa in diesen 30 Jahren für Österreich, für die Menschen, die bei uns leben, gebracht hat. Mit dem Beitritt zur EU haben wir den Zutritt zu einem freien Europa geschaffen. Wer heute mit dem Auto von Tschechien nach Österreich fährt, kann die Grenze ohne Wartezeiten passieren. Es gibt keine Zöllner mehr, die unter den Autositzen nachschauen, ob denn etwas mitgenommen wurde. Man kann bei uns unkompliziert Urlaub machen, hier bei uns in Österreich. Es ist ein ganz zentraler Vorteil auch für den Tourismus; denken wir etwa an den Tourismus mit unseren Nachbarländern. Menschen kommen gerne zu uns nach Österreich, ja, und lassen auch etwas Geld bei unseren Betrieben. 

Diese Freizügigkeit geht aber über den reinen Reiseverkehr hinaus: Dank der EU können wir ohne zusätzliche Kosten miteinander kommunizieren – per Social Media, per Telefonat und genauso auch per SMS und allem, was sich an Möglichkeiten bietet. Das gibt es erst seit wenigen Jahren und ist mittlerweile für uns und eben auch die Menschen, die tagtäglich darauf angewiesen sind, weil sie an der Grenze von Österreich leben oder diese tagtäglich passieren, schon selbstverständlich. 

Darüber hinaus hat die EU unseren Zugang zu Arbeitsplätzen und Bildungsangeboten geschaffen und erweitert. Einer von vier Studenten macht mittlerweile im Zuge seines Studiums ein Auslandssemester. Wer also in Innsbruck, Linz, Graz, Wien oder Salzburg studiert, kann ohne komplizierte bürokratische Hürden überall in der Europäischen Union ein Semester lang studieren. Das erweitert nicht nur den Horizont des Einzelnen, sondern bringt auch konkrete Expertise zu uns nach Österreich, die dann später, abseits des Auslandssemesters, vielleicht auch bleiben kann. 

Aber nicht nur dieser Umstand, sondern vor allem auch der freie Waren- und Güterverkehr ist zweifelsohne eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union. Ich habe es bereits eingangs gesagt: 2 von 3 Euro werden in Österreich mittlerweile durch den Export verdient. Das ist ein essenzieller Beitrag unserer Wirtschaftsleistung. Unsere Unternehmen sind international bekannt dafür, dass sie hochwertige Industrieprodukte herstellen, dass sie innovative Technologien anwenden, egal ob im Maschinenbau oder in den nachhaltigen Holzprodukten. Österreich lebt in sehr vielfältiger Art und Weise vom Export und vom reibungslosen Handel mit seinen europäischen Partnern im größten Binnenmarkt der Welt. Man muss sich schon auch immer vor Augen führen, was hier Großartiges geschaffen worden ist. Das ist kein abstraktes Konzept, das ist ganz einfach die Notwendigkeit unserer Betriebe, die tagtäglich vor große Herausforderungen gestellt sind. 

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch etwas Aktuelles erwähnen: Gestern ist die Ö3-Jugendstudie präsentiert worden, und als Europaministerin freut es mich sehr, dass auch der Zugang von jungen Menschen zu Europa ein sehr, sehr klares Bekenntnis zur Europäischen Union ist. Vielleicht – hoffentlich – färbt das ja auch auf ältere Generationen in Österreich ab. Neun von zehn jungen Menschen sehen die EU als wichtigen wirtschaftlichen Partner für Österreich, für unsere Unternehmen, und acht von zehn finden, dass sie persönliche Vorteile durch die österreichische EU-Mitgliedschaft haben. Das ist insbesondere zum 30. Geburtstag unserer Mitgliedschaft, denke ich, ein sehr, sehr schönes Zeichen. Das sollten wir auch weitererzählen. 

Es muss uns allen besonders wichtig sein, diesen europäischen Gedanken, den Gedanken der europäischen Integration weiterzutragen und auch selbst einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Europäischen Union zu leisten. 

Die Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei haben selbst genug Abgeordnete oder Mitglieder in den unterschiedlichsten europäischen Institutionen, also Sie selbst als größte Fraktion könnten ja einen wesentlichen Unterschied darin machen, Europa besser zu machen, da Sie die meisten Menschen in Brüssel sitzen haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Machen wir!)

Bei aller gerechtfertigten Kritik – ich möchte jetzt gar nicht auf diese populistischen Beispiele eingehen, die Sie zum Teil zur Panikmache hier auch erwähnt haben – wünsche ich mir auch ein Europa, das sich auf das Wesentliche konzentriert, ein Europa, das in den großen Fragen regelt, anstatt zu regulieren. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Dann müssts aber in Europa selbstbewusster auftreten!) Gerade in Österreich sehen wir an vielen europäischen Initiativen, an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, an den gemeinsamen Werten sehr, sehr deutlich, dass unsere Bundesländer, dass unsere Regionen, dass der ländliche Raum zukunftsfähig gemacht und gestärkt wird. 

Es war mir in meinen ersten Wochen als Europaministerin auch wichtig, nach intensiven Monaten der Koalitionsverhandlungen, die Sie alle mitverfolgt haben, sofort wieder den direkten Kontakt mit unseren Nachbarländern aufzunehmen. Ich bin froh, dass ich bereits Tschechien, Ungarn und auch Slowenien besuchen durfte, meine Pendants dort treffen konnte. Bei all diesen Gesprächen ist mir das Prinzip der Subsidiarität enorm wichtig – ein Europa der großen Linien, ein Europa, das schützt, das Wohlstand schafft und das im Sinne der Entfaltung eben auch Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen, für die Regionen bedeutet. 

Zugleich muss unsere Antwort auf globale Herausforderungen, die uns, ja, seit einigen Jahren sehr, sehr stark beschäftigen, niemals der Rückzug, sondern ganz klar die strategische Souveränität sein; ein Europa, das genau jetzt stark geeint und handlungsfähig ist. 

Geschätzte Damen und Herren, wir wollen ein Europa, das Orientierung gibt, das unsere wirtschaftliche Basis stärkt, das Freiheit schützt und unsere gemeinsame Zukunft sichert. Es liegt an uns, diese europäischen Werte tagtäglich zu verteidigen. Das wird schwieriger denn je, und man sieht ja auch, dass es manchmal als zu selbstverständlich hingenommen wird. Mit Mut, Verantwortung und mit einer klaren Vision für unser Europa kann das gelingen, aber es liegt natürlich an jedem Einzelnen, besonders an denjenigen, die politische Verantwortung haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

9.47

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Bundesministerin. 

Wir kommen zur zweiten Runde. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf. 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Thoma. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.