RN/59
13.48
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir sprechen heute über mehr als nur eine juristische Anpassung. Wir sprechen über Verantwortung, über historische Verantwortung, über politische Verantwortung und über moralische Verantwortung.
Diese Initiative, die von der grünen Fraktion ausgegangen ist, betrifft den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus – meine Vorrednerin hat es bereits ausgeführt –, der 1995 hier im Parlament ins Leben gerufen wurde. Das war damals 50 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft und der Wiederherstellung unserer demokratischen Republik.
Damals – 50 Jahre später – wie heute ist das Ziel dieses Nationalfonds ganz klar: Es geht um die besondere Verantwortung Österreichs gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und darum, uns zu dieser Verantwortung zu bekennen und diese Verantwortung zu leben.
Seither hat der Nationalfonds unermüdlich in unterschiedlichster Form Zeichen gesetzt: Es gab Gestezahlungen an die Opfer. Es gab Förderung sozialer und psychotherapeutischer Projekte, die notwendig waren. Es wurde Restitution von Raubkunst gewährt. Es gab auch Unterstützung von Bildungsinitiativen, die so dringend sind.
Zwei ganz aktuelle Beispiele: Es gibt eine Neugestaltung der österreichischen Ausstellung im KZ Auschwitz, und keine 10 Minuten von hier wurde die Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien errichtet.
Doch ein solcher Fonds ist nur so glaubwürdig, wie es seine Repräsentantinnen und Repräsentanten sind, und genau darum geht es heute in dieser vorliegenden Novelle – wie gesagt ein Danke der grünen Fraktion für die Initiative. Bisher war es so, dass der Präsident oder die Präsidentin des Nationalrates automatisch dem Kuratorium des Nationalfonds vorgestanden ist – eine Konstruktion, die auf Vertrauen, auf Integrität und auch auf dem Konsens mit den Opferverbänden aufgebaut war. Ich muss ganz klar sagen: Die Rolle der Opfer ist in diesem Fall eindeutig bestimmt, die kann sich die FPÖ nicht holen, Kollegin Doppler; die Opferrolle ist bei den Opfern des Nationalsozialismus und nicht bei der FPÖ. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Dass dieses Vertrauen in die Konstruktion des Nationalfonds dermaßen erschüttert ist, dazu gibt – und daher ist es tatsächlich Anlassgesetzgebung – unser derzeitiger Nationalratspräsident Anlass. Der amtierende Nationalratspräsident Walter Rosenkranz ist bekennendes Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft mit einer sehr umstrittenen Vergangenheit (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]), einer Verbindung, die schon im 19. Jahrhundert Arierparagrafen einführte. Darüber hinaus – wir wissen es alle, es war in den Medien – gab es einen mittlerweile gekündigten, aber lange gehaltenen Mitarbeiter, dem eine Nähe zu einem rechtsterroristischen Netzwerk nachgewiesen werden kann, und es gibt - - (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: So ein Schwachsinn! So ein Schwachsinn, was du da behauptest! Das ist unter aller Kritik! – Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das stimmt ja nicht! Was soll der Blödsinn? Eine Lüge!) Präsident Rosenkranz hält nach wie vor an Kunst von Nazikünstlern fest und kann sich davon nicht distanzieren. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Unfassbar! ... rechtfertigen ...!)
Wir müssen uns also nichts vormachen: Diese Symbolik, all diese Gesten, die uns hier gezeigt werden, wiegen schwer (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ihr seids solche Heuchler und du ganz besonders!), besonders in einer Funktion, die die Opfer des Nationalsozialismus vertreten und ihnen Ehre erweisen soll.
Das führt so weit, dass die Israelitische Kultusgemeinde und auch andere Opferverbände sich dazu entschlossen haben, nicht mehr an den Sitzungen des Kuratoriums teilzunehmen, solange Herr Rosenkranz sozusagen an der Spitze steht. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... SPÖ-Mitglieder sind!) Was würde das konkret bedeuten? – Es bedeutet, dass der Nationalfonds das Vertrauen jener verliert, für die er eigentlich gedacht ist und gemacht wurde. Das ist eine Situation, die wir hier nicht akzeptieren können und nicht akzeptieren dürfen.
Mit dieser Novelle des Nationalfondsgesetzes haben wir jetzt einen gangbaren Weg gefunden, sie bricht nämlich mit diesem Automatismus, dass der Nationalratspräsident automatisch den Vorsitz führt. Sie ermöglicht, dass es eine Vertretung durch den Zweiten Nationalratspräsidenten oder die Dritte Nationalratspräsidentin geben kann. Sie ermöglicht auch, dass der Hauptausschuss im Zweifelsfall eine Abwahl vornehmen kann. Diese Regelung ist rechtlich fundiert und politisch notwendig, und sie ist auf demokratischem Weg herbeigeführt. – Kollegin Doppler, im Widerspruch zu dir: Wir fassen hier einen demokratischen Beschluss mit Mehrheitsverhältnissen. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Weil es euch nicht passt! Da wird so lang alles geändert, bis es euch passt! Da wird so lang ...!) So funktioniert Demokratie, das ist nicht antidemokratisch. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]. – Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Da haben wir so lang Bundespräsidentenwahlen gehabt, bis es euch gepasst hat!)
In einer Zeit, in der antisemitische Vorfälle in Österreich wieder zunehmen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Durch wen? Durch eure Gäste, die ihr hereinholt! Durch eure Gäste!) – wir alle kennen den Evaluierungsbericht zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus –, ist es umso wichtiger, klare Zeichen zu setzen. Ich möchte vielleicht ein Beispiel nennen, warum es gerade jetzt wieder so wichtig ist, diese Dinge aufzubereiten. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ist gut, wenn du da rüberschaust, ist viel gescheiter! Unfassbar!)
Ich wurde am Montag in meinem Bezirk, in der Donaustadt, von einer Volksschule – der Volksschule Konstanziagasse – eingeladen, an der Enthüllung einer Gedenktafel teilzunehmen. Eine Volksschullehrerin dort, Lehrerin Tannenberger, hat im Keller Unterlagen entdeckt und aufbereitet, die zeigen, wie ab 1943 in dieser Schule ein Internierungslager für Zwangsarbeiter aus Ungarn aufgebaut wurde und auch war. Es waren über 300 ungarische Menschen, vor allem Frauen, einige Männer und auch 30 Kinder, die da zwei Jahre zu Zwangsarbeit genötigt wurden und unter katastrophalen Bedingungen leben mussten. Kurz vor Kriegsende wurden sie alle, wie so oft durchgeführt, auf einen Fußmarsch zum KZ Mauthausen geschickt, und ein Großteil von ihnen wurde auf diesem Weg ermordet.
Diese Geschichte war bis vor wenigen Monaten nicht bekannt und wurde auf Initiative dieser Kollegin und mit Unterstützung durch diesen Fonds und auch durch das Wiesenthal-Institut an die Öffentlichkeit gebracht, auch gemeinsam mit der 4c. Es war besonders berührend, dass die 4c dieser Volksschule eine Feierlichkeit, einen Festakt organisiert hat, um dieser Situation und dieser Opfer zu gedenken. Das zeigt, wie wichtig nach wie vor die Aufbereitung dieser Geschichte, dieses dunklen Kapitels unserer Geschichte ist und wie wichtig auch diese Förderungen und diese Töpfe sind.
Verantwortung kann man nur ausüben, wenn man die nötige Sensibilität für ein Thema hat. Diese Novelle – ich möchte das zum Schluss jetzt noch einmal betonen – richtet sich im Prinzip nicht gegen etwas, sondern sie ist für etwas: Sie ist für die Opfer, sie ist für das Gedenken, sie ist für die Glaubwürdigkeit unserer Institutionen, und deshalb stimmen wir sehr gerne dieser Initiative zu. – Vielen Dank.
13.57
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.