RN/63
14.19
Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Werte Gäste! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte meiner Vorrednerin absolut beipflichten, vor allem zum Thema Respekt und respektvoller Umgang mit dem Thema, und ich lade auch die FPÖ ein, da dabei zu sein. Ich weiß, das ist ein sehr schwieriges Thema, aber wir hier im Bundesrat haben ja schon oft gezeigt, dass wir, vor allem wenn es um wichtige und sensible Themen geht, auch gemeinsame Wege finden.
Wir beraten heute über eine Novelle zum Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus – ein Gesetz, das in der Tiefe weit über die juristische Ebene hinausgeht. Es geht um Verantwortung, es geht um Erinnerung und vor allem um die Menschen, die unter dem Terror des NS-Regimes gelitten haben. Der Nationalfonds ist nicht bloß eine Einrichtung der Republik, nein, er ist ein sichtbares Bekenntnis zu unserer historischen Schuld und zum klaren Vorsatz: Nie wieder! Seit seiner Gründung im Jahr 1995 erfüllt er diese Aufgabe mit Würde, mit Verlässlichkeit und Integrität.
Die heutige Novelle trägt diesem Anspruch in vielerlei Hinsicht Rechnung. Sie greift eine Debatte auf, die in den vergangenen Monaten zu Recht hohe Wellen geschlagen hat: die Frage nach dem Vorsitz. Bisher war vorgesehen, dass der oder die amtierende Präsident:in des Nationalrates automatisch auch den Vorsitz des Nationalfonds innehat. Mit der aktuellen Novelle wird diese Struktur geändert. Der Vorsitz des Nationalfonds ist künftig nicht mehr automatisch an das Amt des Nationalratspräsidenten gebunden. Über die Mechanik und über die legistische Änderung wurde bereits ausführlich berichtet. Warum dieser Schritt, und warum ist diese klare Trennung so notwendig und so wichtig? – Weil es um Glaubwürdigkeit geht, weil es um Vertrauen geht, insbesondere das Vertrauen der Opferverbände und vor allem, sehr geschätzte Damen und Herren, der Überlebenden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich das mit der gebotenen Klarheit sagen: Wenn der Vorsitzende einer Institution, die den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist, von jenen, für die sie gegründet wurde, infrage gestellt wird, dann ist das kein politisches Detail, dann ist das ein Alarmsignal und vor allem ein demokratischer Prüfstein. Es waren Vertreter:innen der Israelitischen Kultusgemeinde, der Überlebendenverbände, internationale Stimmen, die sich in den vergangenen Monaten deutlich gegen die bisherige Regelung ausgesprochen haben, weil sie sich durch die Person des bisherigen Vorsitzenden nicht repräsentiert fühlten. Diese Kritik ernst zu nehmen, ist kein Angriff auf ein Amt, es ist unsere Verantwortung; es ist ein Schritt hin zu einem modernen und respektvollen, unabhängigen Gedenken, sensibel für die Geschichte und für die Menschen, die das erlebt haben.
Sehr geschätzte Damen und Herren, wir alle wissen, der Umgang mit der Geschichte ist kein Selbstzweck; er ist ein Spiegel unserer Gegenwart und ein Prüfstein für unsere Zukunft. Gerade in einer Zeit, in der antisemitische, rassistische und antidemokratische Tendenzen in Österreich, in Europa und weltweit wieder an Boden gewinnen, ist es nicht bloß gesetzgeberische Notwendigkeit, sondern eine moralische Verpflichtung, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Und es ist ein zutiefst demokratischer Akt, dass wir als Bundesrat, als Länderkammer heute mit diesem Beschluss, der aus dem Nationalrat kommt, im Parlament, das für uns auch das Zentrum unserer Demokratie ist, diesen Willen weitertragen. Es ist ein Zeichen des Zusammenhalts, wenn sich Bund und Länder bei einem solchen Thema einig sind, denn auch das ist ein Ausdruck des solidarischen Miteinanders, das uns als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen besonders wichtig ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Nationalfonds für ihre oft unsichtbare, aber enorm bedeutungsvolle Arbeit danken.
Es ist nicht leicht, mit der Geschichte und ihren Narben umzugehen, aber es ist notwendig. Ich begrüße die Entscheidung, den Vorsitz neu zu organisieren, aus vollster Überzeugung – nicht gegen jemanden, sondern für etwas: für eine glaubwürdige Erinnerungskultur, für eine Institution, die Vertrauen verdient, und für eine Zukunft, in der das Nie-wieder nicht bloßer historischer Reflex ist, sondern unser gemeinsamer Anspruch. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Lassen Sie uns diesen Beschluss heute gemeinsam tätigen: für die Opfer, für die Nachkommen und für unser geliebtes Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
14.26
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Es wünscht noch das Wort: Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.