RN/75

16.26

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Danke sehr, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Kollegen auch in der FPÖ – liebe Kolleginnen und Kollegen in der FPÖ natürlich! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der Grünen.) Wobei: Auf Kollegen Himmer färbt das ab, denn er schafft bei der Ministerin das -in hinten nicht mehr. Er sagt immer nur Frau Minister, aber es ist schon auch eine Frau Außenministerin. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.].) Das nur als eine kleine Erinnerung. Man hört vielleicht zu oft, dass bewusst die weibliche Endung bei Ministerinnen hier in diesem Hause – zumindest macht das ein Teil der Personen in diesem Saal – weggelassen wird; dieses seltsame Bewusstsein verstehe ich ja überhaupt nicht. Es kann dann sein, dass er einmal schon ein bisschen müde ist, der Kollege Himmer (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]), denn bisher hatte ich noch nie das Gefühl, dass Kollege Himmer das vergisst.

Jetzt kommen wir noch einmal zu dieser eher spannenden Dringlichen Anfrage: Ich habe das Gefühl gehabt, das ist ein bisschen wie eine Dringliche zu Kraut und Rüben mit einem Schuss von ein bisschen Anpatzen und ein bisschen mit der Schrotflinte irgendwohin schießen und schauen, ob vielleicht etwas übrig bleibt. Ich kann aber nicht erkennen, was hier los ist. 

Deshalb will ich als ein Teil einer Regierungsfraktion vielleicht noch einmal ein paar Sachen klarstellen, da sich die Regierungskoalition erst vor Kurzem über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausführlich geäußert hat: Lieber Kollege Spanring, bitte nimm zur Kenntnis (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Jawohl!) – und das sage ich hier für die Sozialdemokratie ganz bewusst –, wir bekennen uns zur Neutralität und somit zur aktiven Friedenspolitik (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, auf dem Papier!) –, nein, ich sage dir das jetzt, und du kannst es niederschreiben, dann ist es auf Papier; ich sage es dir jetzt hier, ich brauche dir kein Papier darüber zu geben – sowie zu einer regelbasierten internationalen Ordnung.

Diese internationale Ordnung ist spätestens durch den Angriffskrieg auf die Ukraine zerstört worden und wird im Augenblick auch infolge der Wahl eines erratisch funktionierenden amerikanischen Präsidenten zerstört, der auch noch die letzten Reste des Welthandels zerstört, obwohl wir uns über die WTO auch dafür Regeln gegeben haben.

Es geht aber auch um einen effektiven Multilateralismus. So bekennen wir uns, zweitens – lieber Kollege Spanring, falls du das auch schriftlich willst, schicke ich dir ein E-Mail –, zum vereinten Europa und sind uns unserer internationalen als auch europäischen Verantwortung bewusst.

Jetzt, Herr Staatssekretär, in Ihre Richtung eine kleine Erinnerung an den Regierungspartner NEOS: Die Außenministerin hat heute immer wieder gesagt: Wir sind dem und dem und dem und dem beigetreten. Ihr könnt euch gerne das Originalschreiben anschauen, mit dem Österreich der EU beigetreten ist. (Vizepräsident Stotter übernimmt den Vorsitz.) 

Da steht drinnen: Die Neutralität ist Österreichs eigenständiger und unverwechselbarer Beitrag für Frieden und Sicherheit in Europa. Das heißt, als wir beigetreten sind, hat die Gemeinschaft aller EU-Staaten unsere Neutralität als unverwechselbar und eigenständig – nämlich für Frieden und Sicherheit in Europa – anerkannt. Ich glaube, darauf können wir stolz sein. Das war einer der ganz wichtigen Erfolge dieses Beitritts. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Jetzt nähere ich mich aber wieder der Außenministerin. Wir leben in einer Zeit von Instabilität und zunehmenden Krisen, und deshalb ist es wichtig, dass wir – erstens – die UNO in Wien haben. Das ist etwas, auf das wir stolz sind – nicht alle waren dafür, möchte ich nur sagen –; danke, Bruno Kreisky, dass wir das geschafft haben. 

Zweitens haben wir den Amtssitz der OSZE in der Hofburg, das ist jener für den internationalen Frieden und für die Konfliktverhütung. Wir haben die Neutralität in unserer Verfassung und eine umfassende Landesverteidigung. Das heißt, dass wir eine geistige wie auch militärische – zu Land, zu Luft, zu Wasser – Verteidigung brauchen. Deshalb wird diese Bundesregierung auch alles tun, um die Kapazität des Bundesheeres zu verstärken, denn Österreich trägt zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen seiner Neutralität bei. 

Die Frau Außenministerin war etwas überrascht über die 100 000 Österreicherinnen und Österreicher, die im Rahmen von UN-Einsätzen im Ausland tätig sind. – Gut: Ich weiß nicht, wie viele Weihnachten ich in österreichischen Kasernen am Balkan verbracht habe, um Respekt zu zeigen für die Menschen, die dort tätig sind. Mit dem seinerzeitigen – vielleicht könnt ihr euch noch erinnern, liebe ÖVP – Verteidigungsminister Platter sind wir von Kaserne zu Kaserne gerast.

Eines muss man dazusagen: Jegliches Engagement, liebe FPÖ – das solltet ihr wissen, weil ihr auch einen Verteidigungsminister hattet, der das immer sehr geschätzt hat: der jetzige Landeshauptmann der Steiermark, Kunasek, den ich selbst übrigens mehrfach in Bosnien getroffen habe, weil er dort sehr viel ist; der Axel Kassegger übrigens auch, wir frequentieren sogar dieselben Lokale - - (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Erzähl weiter!)

Deshalb wundere ich mich, dass ihr das hier problematisiert, denn es geht nur mit einem UN-Mandat. Unser Mandat kann nur ein Friedenssicherungs- und nicht ein Friedensschaffungsmandat sein. Friedenssicherung – so wie seinerzeit am Golan, in Zypern, am Balkan und so weiter – ist unsere Stärke.

Nun kommen wir weiter zu der Dringlichen Anfrage. Wien, Innsbruck und Graz haben übrigens internationale Organisationen zu Hause, es sind mittlerweile über 50. In Graz ist durch Bürgermeister Stingl der Europarat vertreten – auch hinsichtlich Minderheitensprachen. Wisst ihr aber, wie viele Arbeitsplätze das für Österreich schafft, was das für einen Umsatz für Österreich schafft, was das für unser Ansehen in der Welt und unsere Friedenskapazitäten bedeutet? Das sollte man nicht außer Acht lassen. Wir könnten vielleicht auch einmal an Salzburg denken, Herr Staatssekretär, aber derzeit ist Wien natürlich mit den meisten, dann Innsbruck und Graz - - (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Red weiter wegen Salzburg!) – Bitte? Ja, gehen wir weiter in dieser Dringlichen Anfrage: die Problematisierung bezüglich Grain from Ukraine. 

Die Ukraine ist nicht nur die Kornkammer Europas, sie ist die Kornkammer der Welt. Das ist von enormer Bedeutung. Wenn wir einen Migrations- und Flüchtlingsdruck von Menschen, die an Hunger leiden, haben wollen, dann können wir die Augen verschließen. In Wirklichkeit sieht es aber so aus: Ägypten, Äthiopien, die ganze Sahelzone, alle brauchen das Getreide aus der Ukraine. Was schaffen wir denn, Kollege Spanring, wenn die Ukraine in der Lage ist, ihr Getreide wieder auf den Markt zu bringen? – Das ist auch Hilfe zur Selbsthilfe, weil damit auch Geld eingenommen wird.

Reden wir weiter: Syrien. Ich glaube, Herr Kickl hat Good-bye- – oder so – -Inserate geschaltet. Jeder, der sich ein bisschen im Nahen Osten auskennt, weiß, so einfach ist das nicht, weil gerade Syrien ein Vielvölkerstaat, ein Vielreligionenstaat ist. Es gibt bereits erste Massaker an Alawiten. Ich habe seinerzeit die Resolution zum Flüchtlingslager Al-Hol gemacht und den Appell an Europa gerichtet: Nehmt die Kinder der Kinder zurück! Mittlerweile sind ungefähr 4 000 Kinder zurück – auch in Österreich gibt es jetzt wieder einen Fall –, was sehr wichtig ist, weil wir damit Verpflichtungen des Europarates erfüllen. Kein Kind auf der Welt ist verantwortlich für die Dummheit der Eltern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe den einzelnen Staaten in Europa gesagt: Wenn ihr es nicht aus humanitären Gründen tut, dann macht es wenigstens aus Sicherheitsgründen. Mit jedem Kind, das ihr aus diesen horriblen Flüchtlingslagern in eine normale Umgebung zurückholt, entzieht ihr dem Terrorismus späteres Humankapital. Da sind so viele dabei: In Deutschland war ich bei Familien – christlichen Bauersleuten –, die sogar ihren Hof verpfändet haben, um ihre Enkelkinder zurückzubekommen, um ihnen eine entsprechende Zukunft zu geben. Aber in Syrien müssen wir abwarten, und ich finde, es ist richtig, da auch entsprechende Unterstützung in der Transformation zu geben. Das ist etwas, bei dem die Frau Außenministerin völlig richtig handelt.

Nächster Punkt: In der Dringlichen Anfrage steht leider eine unglückliche - - ja, was heißt unglücklich, das brauchen wir gar nicht zu bereden. Für diesen Schofel, den Herr Manfred Weber von der CSU da gesagt hat, ist er selber verantwortlich, das sage ich jetzt einmal so – gut, die CSU ist nicht unseres (in Richtung ÖVP); ihr seid immer mehr fasziniert von der CSU, wir weniger (Bundesrat Ruprecht [ÖVP/Stmk.]: Das ist aus dem Zusammenhang gerissen!) –, aber zu sagen: „Wir müssen unser Denken in Europa jetzt auf Kriegswirtschaft umstellen“ – dazu kann ich nur aus ganzem Herzen der SPÖ sagen: Mit Sicherheit reden wir nicht über Kriegswirtschaft! (Bundesrat Ruprecht [ÖVP/Stmk.]: Das ist total aus dem Zusammenhang gerissen!) – Ihr habt ja eh noch eine Wortmeldung, wenn das aus dem Zusammenhang gerissen ist. Ich kenne nur dieses Zitat, dieses Zitat hat sich durchgesetzt. Die FPÖ hat das Zitat aufgegriffen, das kann es nicht sein.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, zur Entminung: Wenn man einmal bei Soldaten und Soldatinnen zum Beispiel am Balkan ist, dann dauert es nicht lange und das Gespräch führt, zum Beispiel in Bosnien, zur Frage: Warum dürfen wir nicht entminen? Das österreichische Bundesheer ist ein Spezialist im Entminen, aber wir haben meistens keinen Auftrag. Das heißt, in Bosnien sind sehr viele Schulen, vor allem die multiethnischen Schulen, bis heute nicht entmint, und das österreichische Bundesheer hätte das Gerät zur Entminung. 

Ich selber war bei Entminungsgruppen in der Ukraine. Übrigens: Fast alle Entminer sind Frauen, weiblich, weil diese die ruhigere Hand haben. Ich habe sie gefragt: Warum seid ihr alle hier Frauen? Sie haben gesagt: Die Männer bekommen Angst vor den Minen und wir haben die ruhigere Hand! – Das haben sie wirklich gesagt. Du (in Richtung Bundesrätin Kerschler [SPÖ/Stmk.]) schaust so entsetzt, aber das haben sie gesagt. Nein, ich meine nicht dich (in Richtung Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]), sondern die Bernadette neben dir. Das heißt, das, was die Frau Außenministerin zugesagt hat, halte ich für absolut wichtig, denn: Minen töten, auch wenn ein Krieg schon lange aus ist! Minen töten Kinder! Minen töten die ländliche Bevölkerung auf den Feldern! (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl [Grüne/W].) – Ja, und das auf sehr, sehr lange Zeit. 

Wenn ihr euch erinnert: Als die Donau Hochwasser geführt hat und am Balkan das Hochwasser gekommen ist, hat dieses Hochwasser damals derart viele Minen ausgeschwemmt, dass es von einer enormen Gefährlichkeit war. 

Kommen wir zurück zur Sicherheit: Wir haben derzeit viele Herausforderungen: die hybride Bedrohung, die Desinformation, die Radikalisierung, den Terrorismus, Kriege und Konflikte. Da ist es wichtig, dass wir dieses Gemeinsame, die Bewusstseinsbildung schon sehr, sehr früh entwickeln, denn: Was wollen wir? – Wir wollen Frieden. Das ist, glaube ich, das Ziel. Kollege Himmer hat das auch gesagt, und das ist mit Sicherheit auch das Ziel der Außenministerin: Frieden, die Demokratie stärken, den Wohlstand stärken – darum geht es. 

Deshalb gibt es von unserer Seite die volle Unterstützung für die Bewerbung um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Österreich war schon im UN-Sicherheitsrat und hat da eine sehr, sehr gute Figur gemacht, und da gehören wir wieder hin. Ich hoffe sehr, dass wir gegen Portugal und Deutschland eine Riesenchance haben. 

Für Österreich von Bedeutung ist auch, dass unser wichtigstes Wirtschaftspartnerland Deutschland – seit gestern wissen wir es – eine handlungsfähige Regierung bekommt. Das hilft nämlich auch bei der Zusammenarbeit in diesen wirtschaftlich instabilen Zeiten. 

Mit anderen Worten: Wir wollen im 21. Jahrhundert als neutrales Land im vereinten Europa zu Sicherheit und Frieden und Wohlstand und zum Schutz unserer Bevölkerung beitragen. Wir sind völlig der aktiven Neutralitätspolitik verpflichtet, stehen aber auch zu einer umfassenden Landesverteidigung; das heißt, auch zur Stärkung einerseits des Bundesheeres, andererseits einer gesamten Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Neutralität und im gemeinsamen Europa. 

In diesem Sinne: Ich habe die Dringliche nicht wirklich als dringlich verstanden, aber sie gab uns die Möglichkeit, hier wieder einmal miteinander über Sicherheit, Frieden und Außenpolitik zu diskutieren. Ich kann seitens der SPÖ nur eines garantieren: Wir werden wachsam sein, dass die Neutralitätspolitik jenen Stellenwert hat, den sie auch verdient. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

16.45

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.