RN/71

14.21

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eine kurze Replik auf die Ausführungen des Kollegen Kofler: Also hier eine Brandrede gegen Russlandsanktionen zu halten, ist unterirdisch. Wir alle wissen, dass es das gelindeste Mittel gegen diesen furchtbaren Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Am 8. Mai 1945, also heute vor genau 80 Jahren, schwiegen endlich die Waffen in Europa. Nach Jahren des grausamen Krieges mit mehr als 60 Millionen Opfern hat das Deutsche Reich bedingungslos kapituliert, und der Zweite Weltkrieg war beendet. Das Friedensprojekt Europäische Union ist in der Folge entstanden, und bis zum 22. Feber 2022 herrschte Frieden zwischen den europäischen Staaten, und es herrschte Rechtsstaatlichkeit – also die Vorherrschaft des Rechts, nicht das Vorrecht des militärisch Stärkeren. Heute müssen wir wieder Krieg in Europa erleben, und die Mitgliedstaaten der Friedensnobelpreisträgerin Europäische Union sehen sich gezwungen, beträchtliche Teile ihres Budgets in Verteidigungsausgaben und in Rüstung zu investieren, anstatt in wichtige Zukunftsprojekte einzahlen zu können. Auch global gesehen kommt die Demokratie immer mehr unter Druck und haben nationalistische Tendenzen erschreckend starken Aufwind. 

Was den vorliegenden Vorhabensbericht betrifft, kann ich natürlich nicht auf alle Punkte des 100 Seiten starken Papiers eingehen, und vieles ist ja bekannt, manches auch schon fast wieder überholt, aber das ist dem rasenden Tempo unserer Bundesregierung geschuldet. So ist zum Teil zur Ukraine nur die Sonderbeauftragte für den Wiederaufbau Elisabeth Kornfeind genannt, die im Februar ernannt wurde, aber noch nicht der in der Vorwoche ebenfalls bestellte Ex-Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber, der dafür sorgen wird, dass Österreich und seine Unternehmen eine führende Rolle dabei spielen werden, die Ukraine nach diesem schrecklichen Krieg wirtschaftlich und gesellschaftlich wieder aufzurichten. Das Außenministerium übernimmt damit in Österreich eine federführende Rolle im Hinblick auf die Koordinierung des Ukraine-Wiederaufbaus. 

Besonders interessant ist im Vorhabensbericht auch der Abschnitt zur Stärkung der Demokratie in der Europäischen Union, weil diese in der jetzigen Situation von essenzieller Bedeutung ist. Die EU-Kommission will den Rechtsstaatsmechanismus stärken und erstmals auch ausgewählte Beitrittswerberländer in ihrem Rechtsstaatsbericht berücksichtigen. Wie wichtig das ist, sieht man, wenn man derzeit nach Serbien schaut, wo mutige Studenten gegen ein immer autoritärer werdendes Regime kämpfen und 80 Radlerinnen und Radler dafür unter anderem medienwirksam bis nach Straßburg zum Europarat radeln, um ein Warnsignal dafür zu setzen, dass in Serbien Menschenrechte zunehmend unter Druck kommen. 

Der geplante European Democracy Shield zur Stärkung und zum Schutz unserer Demokratie mittels Schaffung von Konzepten zur Abwehr der zunehmenden hybriden Bedrohungen auch gegen unsere Wahlprozesse ist daher sehr wichtig und drängend. Die europäische Bevölkerung und unsere Demokratien müssen vor gezielter Desinformation geschützt werden. Das war ja auch heute in der Fragestunde schon Thema. Auch der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist längst überfällig. Gerade in der heutigen Zeit, in der Menschenrechte vielerorts unter Druck sind – man schaue nur nach Ungarn oder auch in die USA, wo die LGBTQ-Communitys neuerdings mit allen Mitteln bekämpft werden –, ist der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ein wichtiges Zeichen für Rechtsstaatlichkeit. Alles, was den Frieden, die Freiheit und den Wohlstand der Europäerinnen und Europäer beschützt und fördert, muss für uns alle oberste Priorität sein. 

Anlässlich des heutigen Krieges, der zwischen Indien und Pakistan in der Nacht ausgebrochen ist – derzeit ist auch der Luftraum gesperrt –, und anlässlich des Krieges, der in Nahost und in der Ukraine tobt, gedenken wir heute des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren. Der Krieg zwischen Indien und Pakistan ist, so wie auch jener in Nahost, ausgebrochen, weil ein Terrorangriff auf Zivilisten stattgefunden hat, der zur Eskalation geführt hat. In der Nacht kam es zu Schusswechseln, und derzeit hoffen wir, dass es wieder zu Frieden kommt. Wir gedenken des Kriegsendes, während um uns herum wieder Krieg tobt. Das Vermächtnis unserer Großeltern – nie wieder Krieg! – ist lebendiger denn je. 

Schließen möchte ich mit einem Aufruf, und zwar auch aufgrund des morgigen Europatages: Make Europe and make the world peaceful again! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.26

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Irene Partl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.