RN/76
14.58
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen hier und liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ja, heute ist der 8. Mai. Das sind 80 Jahre ganz genau, 80 Jahre nach einer mörderischen Diktatur und einem elenden Krieg, und das feiern wir heute am Heldenplatz am Abend um 19.30 Uhr, wozu ich Sie herzlich einlade, beziehungsweise ist es eigentlich der Bundespräsident, der Sie herzlich dazu einlädt.
80 Jahre Befreiung von einer Diktatur, aber schon wenige Kilometer hier von Wien entfernt fängt er wieder an, der Autoritarismus. Ungarn ist Vorbild für alle neuen und für alle alten Autokraten in Europa, aber auch in den USA. Wenn vielleicht in Rumänien ein bekennender Russlandfreund Präsident wird und einen ebensolchen zum Premierminister ernennt, stellt das eine weitere Bedrohung der Demokratie und Europas dar. Ungarn gewinnt dann neben der Slowakei einen weiteren Autokraten im Kampf gegen die EU. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das sind demokratische Entscheidungen! Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen, wenn die Bevölkerung wählt!) – Ich gehe dann darauf ein. In Bulgarien und in Moldau muss die Zivilgesellschaft permanent für demokratische Rechte und Rechtsstaatlichkeit kämpfen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... wenn die Linken ...! Ist ja unpackbar!), genauso wie in Georgien, um den Einfluss Russlands im Zaum zu halten.
Polen ist noch ein Bollwerk gegen Russland. Es warnt uns immer wieder vor dessen Expansionswillen und der hybriden Kriegsführung, und das zu Recht. Eine starke Allianz gegen Russland und die Autokraten zu bilden, ist meines Erachtens der außenpolitische Auftrag in Sachen Sicherheit und Verteidigung in Europa. (Beifall der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].)
Demokratie ist wesentlich, um in Freiheit zu leben. Das heißt, so zu leben, wie wir wollen, ohne andere einzuschränken. Freiheit bedeutet auch, dass es egal sein muss, an welchen Gott wir glauben, oder ob wir überhaupt an einen glauben, dass es egal sein muss, welche Hautfarbe wir haben, wen wir wählen oder ob wir eine Behinderung haben. Es muss auch egal sein, ob wir uns als Mann oder als Frau fühlen oder uns unser Geschlecht komplett wurscht ist. Genauso muss es egal sein, wen wir lieben und mit wem wir eine Familie gründen wollen. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)
Wieder zurück zu Ungarn, denn dort gibt es keine Freiheit mehr für Menschen, für LGBTIQ-plus-Menschen, sondern ihre Grundrechte werden aufs Heftigste verletzt. Ungarn verbietet Uni-Studiengänge wie Genderstudies. Ungarn zensiert Bücher, die nichtheterosexuelle Beziehungen oder nicht eindeutige Geschlechter zeigen. Ungarn macht eine Ehe zwischen Frau und Frau oder Mann und Mann unmöglich, die Ehe ist nur zwischen Frau und Mann möglich. Vater kann nur ein Mann sein, Mutter nur eine Frau. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das ist so! – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das ist aber so!) Damit wird das Recht auf Familie, auf freie Erziehung, auf Bildung und Meinungsfreiheit verletzt. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das gibt die Natur vor! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) – Nein. Ich frage mich, in welche dunklen Zeiten Sie irgendwie wieder reinwollen, dass homosexuellen Menschen – und davon gibt es sehr viele, sicher auch in Ihren Reihen, wie man zum Beispiel in Deutschland bei der Chefin (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]) sieht – das Recht auf Familie verweigert wird.
Nun wird in Ungarn auch die Pride verboten, eine Demo, die gleiche Rechte für eine nichtheterosexuelle Lebensweise fordert. Das verstößt gegen die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Protest. Daher möchte ich hier und heute für die Pride in Wien, für die Demo, für die Rechte für nichtheterosexuelle Lebensweisen – am 14.6. in Wien am Ring – aufrufen, denn in Ungarn, in Budapest wurde sie verboten; sie hätte am 28. Juni stattfinden sollen. Ich hoffe, dass die Menschen gegen dieses Verbot auf die Straße gehen – ich bin mir fast sicher.
Aus all diesen Gründen bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Günther Ruprecht, Stefan Schennach, MMag. Elisabeth Kittl, BA, Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das konsequente Einsetzen für die Menschenrechte der LGBTIQ+ Community auf europäischer und internationaler Ebene“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, sich im Sinne des österreichischen Engagements für Menschenrechte auf bilateraler Ebene gegenüber Ungarn gegen Einschränkungen der Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit von LGBTIQ+-Personen in Ungarn einzusetzen sowie deutlich zu machen, dass die Rechte von“ diesen „Personen in Ungarn sowie Grundprinzipien der Europäischen Union wie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu achten sind.“
Demokratische Sicherheit und Freiheit von uns allen basiert auf einer gefestigten Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet eine unabhängige Justiz, eine korruptionsfreie Verwaltung, eine menschenrechtsbasierte Gesetzgebung und Medien, die nicht den Interessen von Größenwahnsinnigen oder Rechtsextremen dienen, sondern frei und unabhängig sind.
Zusätzlich braucht es für diese Rechtsstaatlichkeit auch eine starke Zivilgesellschaft, nämlich als Kontrollinstanz zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und zum Schutz der Grundfreiheiten, denn zivilgesellschaftliche Organisationen sind ein wichtiger Regulator im dominierenden Diskurs. Nicht umsonst werden diese Stimmen in illiberalen Staaten als Erstes zum Schweigen gebracht: durch Stigmatisierung, durch Einschüchterung und schließlich Kriminalisierung, also Verbote.
Daher freue ich mich – wir haben es im Ausschuss gehört –, dass die Frau Außenministerin unseren Antrag zur Unterstützung der serbischen Zivilgesellschaft ernst genommen hat und mit der serbischen Zivilgesellschaft sowie mit dem serbischen Außenminister diesbezüglich in Gespräche ging.
Leider ist es damit aber nicht getan, denn es braucht auch die Unterstützung der Zivilgesellschaft in den neuen Beitrittsländern, zum Beispiel in Georgien. Dort gehen seit der undemokratischen Parlamentswahl im Oktober 2024 jeden Tag – seit mehr als einem halben Jahr! – Menschen gegen die illiberale prorussische Regierung auf die Straße, und sie sind Einschüchterungen, Inhaftierungen und Folter ausgesetzt. Auch sie brauchen unsere Solidarität, aber unsere aktive Solidarität. Ihnen muss, wenn sie politisch verfolgt werden, politisches Asyl gewährt werden.
Ich möchte jetzt aus dem Bericht kurz zitieren: Den Stillstand im EU-Erweiterungsprozess von Georgien und die Entscheidung von Premierminister Kobachidse zu bedauern, reicht da bei Weitem nicht. Das Vorgehen der georgischen Regierung auf das Schärfste zu verurteilen, ist ein menschenrechtliches und ein demokratiepolitisches Muss. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Sich also aktiv gegen die Expansionswut eines autokratischen russischen Präsidenten und seine offenen und verdeckten Kriege zu stellen, dient dem Schutz unserer Demokratie. Putin frönt dem Recht des Stärkeren und des Einflussreicheren. Demokratie und Menschenrechte sind ihm wie ein Klotz am Bein der Alleinherrschaft. Daher gilt es und muss es uneingeschränkt gelten, die Ukrainer in ihrem Abwehrkampf und in ihrer Souveränität zu unterstützen. Ja, und eben nicht mit Worten, sondern auch mit Geld. Daher ist es wichtig, den Auslandskatastrophenfonds weiterhin gut auszustatten, die EU-Sanktionspakete mitzutragen und den Wiederaufbau in der Ukraine tatkräftig zu unterstützen. Und auch da sind diese Initiativen der Außenministerin sehr begrüßenswert.
Und ja, Kolleg:innen von der FPÖ, die Sanktionen gegen Russland und das fehlende russische Gas sind Gründe für die Teuerung in Österreich, unter der wir leiden. Härtefälle wurden und werden aber auch, glaube ich, von der Regierung aufgefangen. Ich muss Sie schon aufklären, was Solidarität bedeutet: Das bedeutet nämlich auch, etwas herzugeben oder auf etwas zu verzichten zugunsten desjenigen, mit dem man sich solidarisch erklärt. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Wenn man das nicht tut, ist es maximal Mitleid, und das hilft keinem Einzigen und schon gar nicht dem Überleben in der Ukraine. Das hilft nur dem imperialistischen Wahnsinn Russlands.
Wir sagen es schon lange und immer wieder – meine Kollegin Jagl hat es heute auch schon gesagt –: Russisches Gas tötet, aber jede Kilowattstunde aus erneuerbarer Energie schwächt Russland und sie schwächt auch andere erdöl- und erdgasproduzierende Diktaturen. Sie stärkt aber uns. Und warum das so schwer zu verstehen ist, ist für mich nicht nachvollziehbar. Daher ist es – und wir betonen das immer wieder – extrem wichtig, den Europäischen Green Deal mit dem Ziel, 2050 klimaneutral zu sein (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Gibt’s ja nimmer! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), aber auch alle seine Etappenziele unter allen Umständen aufrechtzuerhalten.
Zum Abschluss möchte ich nochmals etwas aus dem Bericht der Bundesministerin zitieren, nämlich „Digitalen Humanismus“. Ich finde, das ist ein wunderbarer Begriff, und sie ging dabei auf Social Media ein, was natürlich auch wichtig und gut so ist, aber genauso darf der Mensch in der Entscheidung über Leben und Tod seine ethische Verantwortung niemals an die künstliche Intelligenz abgeben, sondern wir müssen weiterhin gegen automatisierte Waffensysteme und für nukleare Abrüstung mobilisieren, genauso wie für effektive Rüstungskontrolle.
Österreich hat viel Potenzial, um multilaterale Verhandlungen für Frieden, Demokratie und Menschenrechte anzutreiben. Ich sehe das als unsere Aufgabe als neutrales Land. Ich denke, hier sollten und könnten wir auch wieder besser werden, und ich freue mich, wenn Sie (in Richtung Bundesminister Wiederkehr) das auch weitergeben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
15.09
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/76.1
Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.
Der von den Bundesräten Günther Ruprecht, Stefan Schennach, Elisabeth Kittl, Manuela-Anna Sumah-Vospernik, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „das konsequente Einsetzen für die Menschenrechte der LGBTIQ+ Community auf europäischer und internationaler Ebene“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ruprecht. Ich erteile es ihm.