RN/10

10.12

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist mir eine unfassbare Ehre, die allererste liberale Außenministerin der Zweiten Republik im Bundesrat willkommen heißen zu dürfen. Sehr geehrte Frau Außenministerin, liebe Beate, in deiner bisherigen Amtszeit hast du beeindruckt und zahlreiche neue Akzente gesetzt.

Unter deiner Führung steht Österreich ganz klar an der Seite der Ukraine – wir haben es gerade gehört –, holt aber auch die Staaten des globalen Südens als Vermittler an Bord. Unter deiner Führung ist Österreich ein klarer Unterstützer der EU-Perspektive des Westbalkans, tritt aber zugleich unmissverständlich gegen Autokraten in dieser Region auf. Unter deiner Führung hält Österreich intensiven Kontakt mit allen Nachbarstaaten, einschließlich Ungarns, lässt dabei aber die LGBTQ-Community nicht im Regen stehen.

Besonders schön ist, dass du ganz zu Beginn deiner Amtszeit im UNO-Sicherheitsrat das Wort ergriffen und damit Österreichs Bewerbung um den Sitz im Sicherheitsrat tatkräftig unterstützt hast – wir haben es heute schon gehört –, denn gerade heute braucht es in der Staatengemeinschaft ein Land wie Österreich, das sich unmissverständlich zum Primat des Völkerrechts und zur multilateralen Zusammenarbeit bekennt. Die UNO wird sehr oft unter ihrem Wert geschlagen und missverstanden, vielleicht weil sie Prinzipien hochhält, die so unerreichbar fern von der harten Realität zu sein scheinen. Wir dürfen aber niemals vergessen, welche Erfahrungen den Vereinten Nationen vorausgegangen sind, nämlich jene des unfassbaren Menschheitsverbrechens des Holocaust und das Morden des Zweiten Weltkriegs. 

Es ist wichtig, dass wir uns ständig auf diese Prinzipien besinnen: etwa das absolute Gewaltverbot und Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ – Wenn wir alle diesen Satz wirklich ernst nehmen würden, wäre die Welt ein friedlicher Ort. 

Ich selber hatte das große Privileg, im Jahr 2000 ein Internship in der Treaty-Section der Vereinten Nationen in New York zu absolvieren, und ich durfte damals auch der Hinterlegung einer Ratifizierungsurkunde des Römischen Statuts beiwohnen. Die unfassbare Bescheidenheit der Zeremonie, in einem einfachen Raum, mit wenig anwesenden Personen, hat mich sehr beeindruckt. Welchen Unterschied eine Unterschrift machen kann! Es schmerzt, wie dieses wegweisende Dokument heute zum Spielball für kurzsichtige politische Interessen geworden ist. 

Das beeindruckendste Erlebnis in der UNO war aber sicher das Kennenlernen von Kofi Annan, der das Amt des Generalsekretärs mit einer unglaublichen Eleganz und Würde bekleidet hat und damit die Welt inspiriert hat.

Vor dem UNO-Headquarter steht ja die bekannte Skulptur einer Waffe mit verknotetem Lauf. Sie versinnbildlicht das absolute Gewaltverbot, ein Grundprinzip der UNO-Charta. Was aber oft übersehen wird, ist, dass im Artikel 51 der Charta auch ein explizites Recht auf Selbstverteidigung festgeschrieben ist. Darin heißt es: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“

Der Nahostkonflikt beschäftigt uns jetzt seit fast acht Jahrzehnten. 1948 haben die Vereinten Nationen einen Teilungsplan für eine Zweistaatenlösung vorgelegt. Der neue Staat Israel wurde aber von seinen arabischen Nachbarn nie anerkannt, sondern sofort angegriffen und hat seitdem Krieg um Krieg führen müssen. In all diesen Kriegen hat Israel seine Kontrolle über die Palästinensergebiete ausgedehnt, mit Armeepräsenz, Siedlungen, Mauern, und jetzt soll auch der Gazastreifen geräumt werden. Ich frage mich aber: Ist Israel durch all die Kriege, durch all die Mauern sicherer geworden? Am 7. Oktober 2023 wurden auf israelischem Staatsgebiet mehr als 1 200 Menschen bestialisch ermordet, weitere 200 Menschen entführt, und viele sind immer noch nicht zu Hause. 

Und was ist mit den Palästinensern? – Sie sind nach dem ersten verlorenen Krieg zu Hunderttausenden vertrieben worden. 1967 hat Israel im Sechstagekrieg die Kontrolle über die palästinensischen Gebiete übernommen und sie seither nicht mehr hergegeben. Nach einem zwischenzeitlichen Abzug aus dem Gazastreifen hat sich die Hamas etabliert. Also frage ich mich: Hat der jahrzehntelange Terror und Befreiungskampf die Palästinenser ihrem Traum nach Selbstbestimmung näher gebracht? 

Österreich steht ganz klar und unmissverständlich an der Seite Israels. Gerade deshalb ist es uns ein so großes Anliegen, Israel und den Palästinensern aus der derzeitigen Sackgasse herauszuhelfen. Die Lösung kann aber letztendlich nur von beiden Parteien von innen heraus erfolgen.

Wir erinnern uns: Österreich hat seinen wahren Frieden auch erst gefunden, als es die Verantwortung seiner Mitschuld ganz klar übernommen hat. Österreich ist aufgrund seiner Geschichte und seiner klaren Positionierung einer der wenigen Staaten weltweit, der in der jetzigen verfahrenen Situation noch einen fruchtbaren Austausch sowohl mit Israel als auch mit den Palästinensern leisten kann. 

Sehr geehrte Frau Außenministerin, liebe Beate, die Welt braucht gerade heute starke, mutige Frauen wie dich, die alles dafür tun, damit wir wieder in Sicherheit und Frieden leben können. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Aber wir lassen dich damit nicht allein. Wir alle, Politiker:innen und Zivilgesellschaft, müssen alles dafür tun, die Welt dem Ziel von Freiheit und Sicherheit wieder jeden Tag ein Stück näher zu bringen – mit Zuversicht, Hoffnung und, ja, Liebe, denn mit einem hatte JJ sicher recht: „Love is never wasted“. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Love is never wasted – genau!)

10.17

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.