RN/36

12.14

Bundesrat Dr. Christoph Matznetter (SPÖ, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Schön, Sie in dieser Rolle zu sehen, Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine Weile her, dass ich eine Jungfernrede gehalten habe. Ich habe vorhin gerade nachgedacht: 23 Jahre. Das ist schon einiges in diesem Haus. Es freut mich aber sehr, bei euch in der Bundesratsfamilie zu sein, weil wir hier am Ende der Gesetzwerdung natürlich auch noch einmal Revue passieren lassen können und uns damit auseinandersetzen können, was richtig und was falsch ist.

Ich habe schon gemerkt, es gibt bemerkenswerte Dinge. Mein Vorredner Kollege Steinmaurer mit dem Freud’schen Versprecher: Wir wollen die Demokratie reduzieren. – Ehrlich, ich höre selten so ehrliche Worte von der FPÖ. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Vielen Dank dafür, wenn die im Bundesrat möglich sind. 

Vielleicht für Kollegen Thoma, der vor mir gesprochen hat: Ich verstehe die Solidarität alemannischer Provenienz und ich mag Magnus gerne – auch persönlich –, aber ehrlich gesagt: Bei dem Ergebnis, das wir haben, ist es nicht so angemessen, das so lobend zu erwähnen. Umso mehr und ganz besonders freue ich mich, dass wir mit Markus Marterbauer einen Volkswirt in dieser Funktion haben, der wirklich weiß, wie die Ökonomie läuft. Markus, wir haben dich über Jahrzehnte in der Beurteilung erlebt, die immer haarscharf am Punkt war. Ich glaube, dass wir eine so verantwortungsvolle Führung, auch mit diesem Wissen und dieser Expertise, im Finanzministerium nach diesen Jahren dringend brauchen. Danke dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir darauf zurück: Wieso brauchen wir denn jetzt diesen Emergency Mode? Natürlich, keine Frage, es war die Coronakrise; keine Frage, wir hatten durch den brutalen Angriffskrieg der Russischen Föderation ab Februar 2022 mitten in Europa eine zweite Krise. Leider sind aber ein paar Grundsätze in der Finanzpolitik nicht in jenem Ausmaß eingehalten worden, in dem man sie berücksichtigen soll. Zum Beispiel: Wenn ich eine Ausgabe oder eine Steuersenkung verlange, dann muss ich die Gegenfinanzierung mit überlegen. Dieses Abhandenkommen der Überlegung: Wie soll sich das ausgehen?, führt bei einer Summe von Maßnahmen dazu, dass wir dann in einer so unangenehmen Situation sind wie jetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, berücksichtigt das einmal: Wir sind Schlusslicht beim Wachstum – im dritten Jahr Rezession –, nicht nur in der EU, sondern auch in der OECD. Jede normale Reaktion darauf – und Markus wird mir zustimmen, über Jahrzehnte war es das Credo – wäre: Man müsste expansiv dagegen vorgehen. Nur, wer soll das tun, das Expansive? Die Staatskassa ist leer. Die Firmen haben keine positive Prognose und können daher keinen Beitrag durch Investitionen in Anlagevermögen leisten. Die Bevölkerung ist ängstlich und angesichts der multiplen Krisen vorsichtig und wird den Inlandskonsum nicht ankurbeln.

In dieser Situation ist es ganz besonders schwer zu regieren. Ein Dankeschön einmal an euch alle (in Richtung Bundesminister Marterbauer, Bundesministerin Holzleitner und Staatssekretär Pröll) für das Bemühen, Lösungen zu bringen, dass wir eine Stabilisierung erreichen, dass wir nicht den Inlandskonsum endgültig abdrehen, indem wir nur der breiten Bevölkerung in die Tasche greifen. Ein Dankeschön auch an die Mitkoalitionspartner ÖVP und NEOS, dass wir immerhin ein Drittel der Maßnahmen bei jenen machen, bei denen die Armutsgefahr – sagen wir einmal – reduziert ist, wie zum Beispiel bei den Banken mit der Sonderabgabe, wie zum Beispiel im Bereich der Energiewirtschaft, die besonders von der Krise profitiert hat. Danke, dass der Kompromiss möglich war.

Auf diesem Weg müssen wir aber noch weitere Schritte gehen. Mein Appell ist, dass wir das unideologisch machen und in allen Bereichen schauen, wie wir zu Lösungen kommen, die denkbar sind, die machbar sind – die vielleicht manchmal wehtun. Klar zucken wir zusammen, wenn man sagt, die Krankenversicherungsbeiträge für Seniorinnen und Senioren müssen erhöht werden. Das wollen wir nicht haben, keine Frage, das tut weh, aber wir müssen einen Kompromiss finden, und auf diesem Weg können wir im Bundesrat, glaube ich, einiges leisten. Wir können vielleicht auch Initiativen setzen, die drüben nicht ganz so leicht sind, um dieses Gemeinsame zu finden.

Meine Einladung gilt auch für die Oppositionsparteien, weil beide einen Grund haben, dabei nicht besonders kritisch zu sein. In Richtung Grüne brauche ich das nicht zu betonen, sie waren ja fünf Jahre in der Regierung. Die Kompensation – wir kriegen für unsere Gruppe immer auch noch etwas, auch noch extra eine Förderung – ist zwar lustig, aber am Ende doch ein Grund, dass man eine gewisse Verantwortung trägt. 

Und im Blickwinkel zur FPÖ: Ich weiß schon, Herbert Kickl ist unschuldig, er war bei den Regierungsverhandlungen ja fast gar nicht anwesend, als sie geführt worden sind. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Er war aber zumindest in der Sekunde da, als er den Brief unterschrieben hat, den der provisorische Vorgänger von Markus Marterbauer nach Brüssel geschickt hat. Da war das alles noch viel schlimmer. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Zeigts den Brief! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.].) Ich meine: Vielleicht habt ihr zwei Herbert Kickls – einen, den man für solche Sachen schickt, und einen anderen, der dann als Büttenredner erklärt, warum das alles nicht gut ist? (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist eine interessante Idee. Nein, mag ja alles sein.

Mein Vorschlag ist, das weniger beißend und reißerisch zu machen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Mein Vorschlag ist: Ehrlich sein! Ehrlich sein, das ist mein Vorschlag!) – Ich war länger Oppositionsabgeordneter als Sie, Herr Kollege. Das kann man auch konstruktiv tun. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, genau! Und ehrlich bleiben!) Mein Appell: konstruktiv, ein bisschen weniger bellen an der Leine und eher sachliche Beiträge leisten – ich glaube, davon hätten wir alle etwas. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich weiß schon, alle Menschen im Lande sind Menschen, und da gibt es welche, die Sie nicht wollen. Das würde ich auch abbauen, denn am Ende des Tages sind alle Menschen, die in diesem Land leben, unsere Mitmenschen, und das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. Vielleicht passiert dann der Freud’sche Versprecher vom Abbauen der Demokratie nicht so schnell. Ich würde es mir wünschen, Freundinnen und Freunde. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Genau, so wie der Attentäter von Wien, gell, Herr Matznetter!)

12.20

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Als Nächster ist Kollege Michael Bernard zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.