RN/60
14.27
Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Schule muss ein Ort der Sicherheit und der Entfaltung sein, ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche ihre Talente entfalten können. So eine schreckliche Tat wie in Graz erschüttert dieses Grundvertrauen in die Sicherheit unserer Bildungseinrichtungen zutiefst. Es ist abscheulich und nicht in Worte zu fassen, welches Leid durch diese Tat angetan worden ist.
Es gab eine unmittelbare Solidarität in ganz Österreich, es wurde parteiübergreifend unterstützt und den Betroffenen geholfen. Ich war gleich am Tag der Tat vor Ort in Graz und habe gesehen, wie schnell dort alle unterstützen und wie sie an einem Strang ziehen. Man sieht in Krisensituationen, was die Werthaltung ist, und man sieht in Krisensituationen, dass Österreich zusammenhalten kann. Es ist insbesondere für die Betroffenen sehr, sehr wichtig, zu sehen, dass es Anteilnahme quer durch ganz Österreich gab und noch gibt und dass es auch die entsprechende Unterstützung gab und gibt.
Diese Unterstützung und vor allem auch die Hilfeleistung war von Minute eins an da. Ich möchte deshalb allen danken, die im Einsatz unmittelbar vor Ort waren, dort aktiv waren. Ich möchte dafür danken, dass die Polizei ganz schnell vor Ort war, dass die Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und Bildungseinrichtung so schnell funktioniert hat.
Ich danke auch dafür, dass die Schule beziehungsweise die Bildungseinrichtungen auf so schreckliche Taten, die unvorstellbar gewesen wären, vorbereitet waren – nämlich durch Sicherheitskonzepte, auch durch Übungen, was im Extremfall zu tun ist. Ich finde es erschreckend, dass es überhaupt notwendig ist, solche Sicherheitskonzepte für die Schulen zu haben. Ich möchte aber für die Zukunft dazu aufrufen, diese Sicherheitskonzepte selbstverständlich weiterzuentwickeln und ständig zu leben, denn ein Sicherheitskonzept ist nur so gut, wie es gelebt wird.
Durch das schnelle Einschreiten und durch die professionelle Arbeit an der Schule konnten Menschenleben gerettet werden. Wir bedauern jede einzelne Person, die verletzt ist, haben Mitgefühl mit den Opfern, mit den Angehörigen und der ganzen Schulgemeinschaft und darüber hinaus.
Die Trauerphase ist noch lange nicht abgeschlossen. Jetzt geht es noch immer darum, zu unterstützen, nämlich den Betroffenen Unterstützung zur Verfügung zu stellen, beispielsweise über die Schulpsychologie. An dieser Stelle möchte ich mich für den Einsatz bedanken, dafür, dass sofort aus allen Bundesländern Unterstützung nach Graz geschickt worden ist, um allen Betroffenen Unterstützung anbieten zu können.
Ich möchte mich auch hier im Bundesrat dafür bedanken, dass alle Fraktionen diesen Vorschlag mittragen, nämlich für die betroffene Schule eine flexible Lösung für die Matura zu etablieren, das gesetzlich zu verändern. Ich bin sehr dankbar, wie schnell das gegangen ist. Ich habe am Wochenende mit dem Ausschussvorsitzenden des Bildungsausschusses telefoniert. Schon am Montag war die Sitzung, um schnellstmöglich Sicherheit zu schaffen, dass zumindest die Sorge vor der Note in dieser Zeit nicht unmittelbar gegeben ist.
Ich betone das deshalb so stark, weil ich nach dem schrecklichen Attentat in der Schulgemeinschaft vor Ort, in der List-Halle, war und mit den Schülerinnen und Schülern gesprochen habe und tatsächlich das Thema: Wie geht es weiter mit den Noten?, neben allen Trauerthemen ein ganz starkes war. Dieser Beschluss des Bundesrates kann jetzt auch endgültig Entspannung in dieser einen kleinen Frage geben, die sehr, sehr wichtig ist. Für diesen einhelligen Beschluss möchte ich mich auch sehr herzlich bedanken.
Gleichzeitig ist wichtig, die richtigen Ableitungen zu treffen. Aus meiner Sicht ist das die Frage der Waffengesetze, die in Österreich zu lasch waren und auch noch sind. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Waffengesetze in unterschiedlichen Bereichen zu verschärfen, sowohl was psychologische Tests und das Alter anbelangt als auch betreffend die angesprochene Datenweitergabe von Stellungsbefunden hin zu den Behörden, die Waffenscheine und Waffen bewilligen. Das muss besser werden – das ist eine wichtige Lektion.
Die zweite Säule, die mir besonders wichtig ist, ist eine Unterstützung der psychosozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: die Prävention auszubauen, frühzeitig zu erkennen, wenn es Menschen gibt, Schülerinnen und Schüler gibt, die sich isolieren, die sich zurückziehen, um so alle Kinder und Jugendlichen psychosozial erreichen zu können.
Wir dürfen nur nicht der Illusion erliegen, dass ein Schulpsychologe oder auch hundert Schulpsychologen mehr diese Tat hätten verhindern können, denn dieser Täter war schon länger aus der Schule heraus. An dieser Schule gab es psychosoziale Unterstützung. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, alle Jugendlichen zu erreichen und, und da schärfen wir nach, bei Schulabbrechern – der Täter war ein Schulabbrecher – nach Abbruch der Schule noch ein Gespräch zu führen, wie die weitere Entwicklung sein kann. Es gibt nämlich in Österreich eine Ausbildungspflicht bis 18, und in dieser Phase müssen wir die Kinder und Jugendlichen auch unterstützen.
Gleichzeitig werden wir alle Sicherheitskonzepte evaluieren und sie uns immer wieder anschauen. Nur möchte ich mich auch dezidiert dagegenstellen, aus Schulen Gefängnisse zu machen. Es gab in unterschiedlichen Ländern die Dynamik, nach solchen Ereignissen die Zugänge zu Schulen mit Metalldetektoren oder Securities zu verändern. Wir sehen aber durch internationale Erfahrung, das bringt nicht mehr Sicherheit, denn solche Täter wie in Graz wird leider auch ein Metalldetektor nicht aufhalten. Darum müssen wir an die Wurzeln des Problems gehen, aber natürlich auch vor Ort bestmögliche Sicherheitskonzepte haben, damit im Anlassfall schnell gehandelt werden kann. Das ist ein laufender Prozess, in dem wir mit den Schulen sind, und es ist uns auch wichtig, da weiter anzusetzen.
Der letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, ist, dass alle, die betroffen sind – auch Angehörige –, jede Unterstützung durch die Politik bekommen sollen, die notwendig ist. Deshalb gibt es einen eigenen Fonds für die Betroffenen, für die Angehörigen, und deshalb wird es mittel- und langfristig auch eine Unterstützung des Schulstandortes geben, beispielsweise in Fragen der Umgestaltung der Räume, die vom Attentäter aufgesucht wurden und in welchen die Taten stattgefunden haben.
Mir ist es aber wichtig, dass die Schulgemeinschaft die Frage für sich selbst entscheidet: Wie möchte man sich die Schule wieder zu eigen machen? – Ich finde es auch gut, zu sagen: Das ist unsere Schule!, auch wenn dort ein schreckliches Verbrechen stattgefunden hat. Es ist unsere Schule, die wir uns nicht wegnehmen lassen! – Das haben mir auch die Schülerinnen und Schüler bei meinem Besuch vor Ort gesagt: Sie wollen sich die Schule zurückholen. Es gibt da aber natürlich unterschiedliche Wege, die vor Ort am Schulstandort besprochen werden müssen. Dafür gibt es volle Unterstützung vonseiten des Ministeriums, die Schule auch psychosozial langfristig zu begleiten und den Schülerinnen und Schülern auch Angebote zur Verfügung zu stellen.
Ich danke abschließend dem Bundesrat für diese positive Stellungnahme, die auch im Sinne der Schule ist und die die Schule und die Betroffenen erleichtern wird. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
14.35
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.