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9.14

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich über diese Aktuelle Stunde zu einem so wichtigen Thema für die Zukunft unseres Landes, nämlich zur Bildung, dazu, wie Schulen gestärkt werden können, weil durch starke Schulen eine starke Gesellschaft entsteht. Das letzte Mal, als ich hier reden durfte, war es nach dem tragischen Ereignis am Borg Dreierschützengasse in der Steiermark, als gemeinsam hier in diesem Haus auch das Verständnis entstanden ist und da war, dass neben der Anteilnahme und Trauer mit den Betroffenen auch konsequente Maßnahmen gesetzt werden müssen, damit Schule immer ein sicherer Ort ist, und wir alles tun, damit diese Sicherheit wiederhergestellt ist und dieses selbstverständliche Gefühl, nämlich dass man sicher zur Schule gehen kann, auch gestärkt wird.

Wir haben deshalb als Bundesregierung an den Wurzeln angesetzt und in den letzten Wochen intensiv daran gearbeitet, um ein großes Paket zur Unterstützung der psychosozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auf den Weg zu bringen und auch schnell zu implementieren. Denn meine Auffassung ist: Je früher wir in der Prävention, in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen ansetzen, desto eher werden diese jungen Menschen Teil unserer Gesellschaft, finden einen Platz in unserer Gesellschaft und wollen auch einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Bildung ist dabei der Grundpfeiler, nämlich das Fundament für die persönliche Entwicklung. Sie ist das Fundament für ein glückliches Leben, für ein sinnerfülltes Leben. Deshalb ist es wichtig, dieses Fundament der Selbstentfaltung zu stärken. 

Dabei ist für mich Bildung, sowohl in elementarpädagogischen Einrichtungen als auch in der Schule, mehr als nur Wissensvermittlung. Grundkompetenzen sind unglaublich wichtig: lesen, schreiben, rechnen zu können. Darüber hinaus geht es aber darum, Kompetenzen wie Kritikfähigkeit, aber auch Kooperationsfähigkeit oder auch Kreativität mitzugeben, um auf das Leben in unserer Gesellschaft vorbereitet zu sein. Außerdem ist eine ganzheitliche Charakterbildung – man könnte sie auch Herzensbildung nennen – von jungen Menschen wichtig, um sie in den Bildungseinrichtungen hin zu einem selbstbestimmten Leben zu begleiten. 

Es ist wichtig, dass wir in allen Bildungseinrichtungen, egal in welcher Schule ein Jugendlicher, ein Kind ist, diese Themen der psychosozialen Unterstützung und auch der Charakterbildung im Fokus haben. Das machen wir einerseits, indem wir diese Themen stärker in den Lehrplänen verankern – nicht nur in den Lehrplänen, die dann auch im Unterricht vermittelt werden, sondern auch in der Lehrer:innenausbildung –, weil die Herausforderungen in unserer Gesellschaft aufgrund von gesellschaftspolitischen Spannungen, von Konflikten, aber auch von gesellschaftlichen Dynamiken wie der Digitalisierung dazu führen, dass junge Menschen, die heute aufwachsen, einfach mehr Herausforderungen, mehr Krisen und auch mehr Konflikten ausgesetzt sind. Unsere Aufgabe als Gesellschaft ist es, diese jungen Menschen in dieser Phase der Selbstentwicklung zu begleiten und zu unterstützen.

Deshalb haben wir ein großes Paket zur psychosozialen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen geschnürt, das ich kurz skizzieren möchte. Wir werden die Zahl der Planstellen für Schulpsychologie in den kommenden Jahren in Österreich verdoppeln, um ausreichend schulpsychologische Unterstützung für alle Schulen und damit für alle Kinder zur Verfügung zu stellen. Es gibt aktuell circa 190 Planstellen österreichweit. Das ist zu wenig, das ist deutlich zu wenig. Deshalb haben wir uns schon im Regierungsprogramm vorgenommen, diese Zahl deutlich zu erhöhen. Es wird in Schritten gehen: schon im kommenden Schuljahr gibt es 70 neue Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, im Schuljahr darauf 70 weitere, bis dann die Verdopplung erreicht sein wird. 

Es soll darüber hinaus neben der Schulpsychologie auch die Schulsozialarbeit deutlich gestärkt werden, es soll nämlich auch zum ersten Mal in Bundesschulen Schulsozialarbeit eingesetzt werden. Es gibt Bundesschulen mit vielen Schülerinnen und Schülern, bis zu 1 500 Schülerinnen und Schülern, wo auch soziale Konflikte entstehen, und deshalb ist Sozialarbeit auch in Bundesschulen wichtig. Es wird da im kommenden Schuljahr erstmals 30 Planstellen geben und im darauf folgenden Schuljahr noch einmal 35 Planstellen für die Sekundarstufe II, um in diesem Bereich auch zu unterstützen. Es wird nach Bedarf gehen, nämlich die Schulen, die besonderen Bedarf haben und Unterstützung benötigen, sollen auch prioritär behandelt und unterstützt werden. 

Darüber hinaus soll das Arbeitsumfeld im Bereich der Schulpsychologie und Schulsozialarbeit neu gedacht werden, erweitert werden und auch geöffnet werden. Es soll beispielsweise für Kinder, die suspendiert werden – suspendiert wird man wegen Gewalt oder einer Gefahr für andere oder sich selbst, nicht leichtfertig; das ist nämlich das letzte Mittel –, geöffnet werden. Es ist eben notwendig, suspendierte Kinder auch weiter zu begleiten. Aktuell ist es so, dass suspendierte Kinder nach Hause geschickt werden und keine pädagogische Begleitung stattfindet. Es gibt durchaus Jugendliche, die stolz darauf sind oder sich darüber freuen, dass sie suspendiert worden sind. Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. 

Wir brauchen ein besseres Programm, nämlich eine Suspendierungsbegleitung, um diese Jugendlichen in dieser Phase der Suspendierung auch pädagogisch zu begleiten, damit sie zu einer Einsicht des Fehlverhaltens kommen und eine Reintegration in die Regelklasse so schnell wie möglich ermöglicht wird. Dafür soll es eine psychosoziale Begleitung und Unterstützung geben. An diesem Projekt wird gerade intensiv gearbeitet. Neben der Aufstockung und der Erweiterung des Personaleinsatzes geht es darum, dass in Krisensituationen gute psychologische und sozial-emotionale Unterstützung stattfindet. 

Ich habe anhand des tragischen Ereignisses in der Steiermark, in Graz, gesehen, wie viel Wille da ist, gemeinsam zu unterstützen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wir müssen unsere Systeme auch in Zukunft für Krisensituationen noch resilienter machen, damit es selbstverständlich ist, dass in Krisensituationen alle die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Es geht darum, auch die Krisenpläne der Schulen zu evaluieren und zu erweitern. Es gibt zum Glück für alle Schulstandorte Pläne, was im Extremfall zu tun ist. Natürlich ist die Hoffnung und Erwartung, dass diese nie gebraucht werden – aber es ist wichtig, vorbereitet zu sein. 

Neben diesen Themen ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, in den Schulklassen über psychische Gesundheit zu reden, nämlich das Thema zu enttabuisieren, denn eine gebrochene Seele ist gleich schlimm wie ein gebrochener Arm. Bei einem gebrochenen Arm wird wohl jeder ins Krankenhaus gehen. Bei Problemen psychischer Natur ist das leider noch nicht selbstverständlich. Deshalb ist es wichtig, in der Schule aufzuklären, zu informieren und auch über Beratungsangebote Informationen zur Verfügung zu stellen. 

Neben dem Thema der Hemmschwelle: Holt man sich Unterstützung?, geht es auch darum, zu wissen: Wo gibt es Unterstützung?, und geht es auch darum, dass man erkennt, wenn Menschen im eigenen Umfeld Herausforderungen haben, in einer Lebenssituation überfordert sind, darum, zu wissen, wie man in diesen Fällen Gespräche mit seinen Mitmenschen führt, um so einen Beitrag zu leisten, dass nicht etwas passiert. 

Um diese Prävention zu stärken, wird es erstmals Angebote außerschulischer Natur im Sinne von Workshops an Schulen zum Thema psychisch Gesundheit geben. Es gibt aktuell das Programm „Extremismusprävention macht Schule“ mit einem Budget von 2 Millionen Euro, das sehr gut von den Schulen angenommen wird. Wir haben uns entschieden, das Budget für dieses Programm zu verdoppeln und erstmals eine eigene Schiene zu psychologischer Unterstützung und Mental Health einzuführen. Da geht es darum, dass Expertinnen und Experten von außerhalb der Schule, die in ihrem Bereich Erfahrungen haben, an die Schule kommen, um mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. 

Da gibt es aktuell einzelne geförderte Projekte des Bildungsministeriums, zum Beispiel die „Tage der psychischen Gesundheit“: Ein Vater, dessen Kind sich selbst das Leben genommen hat, hat es sich zum Lebensziel gemacht, Aufklärungsarbeit zu leisten, damit auch Eltern erkennen, wenn Kinder in solche Situationen kommen, und auch Mitschülerinnen und Mitschüler solche Situationen besser erkennen. Das ist ein tolles Projekt, bei dem zum Beispiel Psychotherapeut:innen, aber auch andere Berufsgruppen, die in diesem Bereich Expertise haben, mit den Schulen arbeiten, um so Wissen und auch Sensibilität zu schaffen. Das wird jetzt abseits von diesem Projekt, das einzeln gefördert wird, erweitert, das bedeutet, dass sich ab dem Schuljahr 2026 externe Anbieter melden können, um Workshops im Bereich Mental Health zu halten, und die Schulen können diese Workshops dann einfach buchen. Es wird dann auch abgewickelt, damit möglichst wenig Verwaltungsaufwand entsteht. 

Mein Ziel ist, die Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich zu stärken und gleichzeitig die Lehrkräfte zu entlasten, beispielsweise von der Bürokratie, damit mehr Zeit bleibt, einerseits für das Bilden inhaltlicher Natur, aber genauso für die Charakterbildung. Wir brauchen mehr Freiräume, um einander begegnen zu können, um in der Schule aufeinander zu achten und auch über aktuelle Themen und Problemfelder zu reden. 

Mit mehr Ressourcen für die psychische Gesundheit, mit mehr Fokus, mit dem Aufbau von neuen Berufsgruppen und multiprofessionellen Teams schaffen wir die Grundlage, um alle Schülerinnen und Schüler gut zu fördern. Mein Ziel ist, dass alle Kinder gerne in die Schule gehen, dass alle Kinder sicher in der Schule sind, und das funktioniert am besten, wenn wir die Bildung ganzheitlich stärken. Darum bitte ich auch Sie als Bundesrat, diese Wege weiter zu unterstützen und natürlich auch kritisch zu diskutieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

9.25

Präsident Peter Samt: Ich danke dem Herrn Bundesminister. 

Nun ist Bundesrat Mag. Bernhard Ruf zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Ich mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.