RN/6
9.25
Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Willkommen im neuen Amt, für das ich Ihnen ganz traditionell Glück und Segen wünsche, und das samt und sonders. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Werter Herr Minister, welcome back im Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer – ob freiwillig oder unfreiwillig – hier im Saal und vor den Fernsehern und Bildschirmen!
Ich starte mit einem Bekenntnis: Ich bin stolz auf unser österreichisches Bildungs- und Schulsystem. Erstens hat bei uns jede und jeder jederzeit die Möglichkeit, den höchsten Bildungsabschluss zu erreichen, und das ohne großen monetären Einsatz, wenn sie beziehungsweise er sich dementsprechend anstrengt und die notwendigen Kapazitäten mitbringt. (Beifall bei der ÖVP.)
Mit höchstem Bildungsabschluss meine ich den Master of Science genauso wie den Spenglermeister – bei uns: Spenglamasta. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ja, hin und wieder passiert es sogar, dass es österreichische Tischtenniswöltmasta gibt.
Da bin ich schon beim zweiten Punkt. Österreich hat es in den letzten zehn Jahren geschafft, Exzellenz in verschiedenen Bereichen hervorzubringen. Zwei Nobelpreise sind dafür beispielgebend, und zwar – erstaunlicherweise – in Literatur und Physik. Wir sind also in unserem Bildungssystem sehr breit und sehr gut aufgestellt. Wir haben ein gutes und starkes Schulsystem.
Wir haben aber in den letzten Monaten auch bemerkt, wie verwundbar dieses System Schule ist. Der unbegreiflich schreckliche und unfassbar tragische Amoklauf in Graz hat uns vor Augen geführt, wie fragil und labil Schule sein kann. Meine Gedanken sind noch immer bei den Familien, die durch die schreckliche Tat eines unscheinbaren, aber psychisch massiv beeinträchtigten Jugendlichen ihre Liebsten verloren haben.
Körperliche Nöte, wie etwa bei mir eine Schulterverletzung (auf seinen Schultergurt weisend), sind leicht wahrnehmbar. Seelische Nöte, die oft viel schwerer wiegen – Sie haben es schon gesagt, Herr Minister –, können nur schwer identifiziert und bemerkt werden. Umso dankbarer bin ich den Vertretern unserer Regierung, die mit der notwendigen Bedenkzeit und nach den notwendigen Analysen die richtigen Schritte setzen, damit ein Vorfall wie jener in Graz unwahrscheinlicher wird.
Ich weiß aus meiner eigenen Zeit als Lehrer, wie schwierig es ist, den einzelnen Bedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Wie in der Gesellschaft und auch der Politik nehmen die Verhaltensauffälligsten und Lautesten die meiste Energie und die meiste Zeit in Anspruch. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Die ruhigeren und introvertierteren Persönlichkeiten bekommen dann nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Das wiederum empfinden sie teilweise schon als Mobbing, und das nicht grundlos.
Für Lehrerinnen und Lehrer ist es gleichsam ein Ding der Unmöglichkeit, den einzelnen Persönlichkeiten, die meist im 50-Minuten-Takt in größerer Menge, nämlich meist um die 20 Personen, um die ungeteilte Aufmerksamkeit der Pädagogen buhlen, gerecht zu werden.
Umso wichtiger ist es, dass durch den Ausbau der Schulpsychologie mehr Unterstützung für jene geboten wird, die in der Schule ihren ausgezeichneten Job machen. Mein Dank und meine Anerkennung gelten all unseren Lehrerinnen und Lehrern, die sich mit bewundernswertem Einsatz und mit dem Aufwand ihrer eigenen Energiereserven der Bildung und Erziehung unserer Jugend und damit unserer Zukunft widmen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
Neben der Unterstützung der Pädagoginnen und Pädagogen durch schulpsychologische Assistenz wäre es meines Erachtens auch noch überlegenswert, der Schulpsychologie auch in der Lehrer:innenausbildung noch mehr Raum zu geben.
Mehr Raum für die seelischen Belange unserer Jugend anzubieten, sollte ein weiterer Schritt in die richtige Richtung sein, und deshalb freut es mich, dass im Regierungsprogramm neben den sehr pragmatischen Kompetenzschwerpunkten wie zum Beispiel Digitalisierung, Wirtschaft und Finanzen auch Kunst und Kultur ihren Platz gefunden haben, denn nirgendwo tritt die Seele eines Menschen so zutage wie in der künstlerischen Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Ich hatte dieser Tage ein Gespräch mit unserer Volksschuldirektorin, die in einem leer stehenden Raum eines Volksschulnebengebäudes ein künstlerisches Atelier für Schülerinnen und Schüler eingerichtet und dort Workshops für die schwierigen unter ihnen eingerichtet und angeboten hat. Sie hat mir die Bilder der einzelnen Schülerinnen und Schüler gezeigt und mir ihre Biografien erläutert, und das war wirklich ein Gänsehautmoment. Ich war schwer beeindruckt, welche positiven Entwicklungen bei den Einzelnen dadurch möglich waren.
Auch aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass Jugendliche sich überall dort, wo ihnen die Chance geboten wird, ihrer Kreativität – etwa auch bei theatralischen oder musikalischen Aktivitäten und Darbietungen – freien Lauf zu lassen, wohler und geborgener fühlen, aus sich herausgehen können. Das wiederum sind bessere Bedingungen für bessere Lernerfolge.
Bessere Bedingungen für den schulischen Erfolg unseres Nachwuchses zu schaffen, ist eben das Ziel des Bildungs- und Schulschwerpunkts im Regierungsprogramm. Ich bin sehr dankbar, dass da das Richtige in Bewegung gesetzt und an den richtigen Schrauben gedreht wird, um unser exzellentes Schulsystem auch exzellent zu erhalten. Der Ausbau der Schulautonomie, dagegen der Abbau der Schulbürokratie und die Flexibilisierung etwa bei der Unterrichtszeitgestaltung sind dabei ganz wichtige Faktoren. Auch die Überarbeitung des Schulbuchsystems in Zeiten digitaler Medien und Lernapplikationen ist für unsere Schulzukunft unabdingbar.
Was mich auch zu lesen gefreut hat, ist die Stärkung der Schulpartnerschaft durch weitere, bessere Einbeziehung der Eltern und Familien. Eine Verbindlichkeit in der Elternarbeit durch eine dezidierte Bildungspartnerschaft ist von weitreichender Bedeutung für die Zukunft unserer Schule.
Und dann wäre da noch die Attraktivierung des Lehrberufs: Ich lese hier von der Einführung eines mittleren Managements und vom Ausbau moderner Arbeitsplätze. Beides finde ich sehr gut, Letzteres vor allem nach den persönlichen Erfahrungen von Fast-Käfighaltung in Konferenzzimmern. (Heiterkeit der Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler [ÖVP/Sbg.] und Tiefnig [ÖVP/OÖ].)
In diesem Punkt fände ich es spannend, auch in Österreich einmal eine Modellschule nach amerikanischem Vorbild zu versuchen. Dort wandern die Schülerinnen und Schüler von Fachklasse zu Fachklasse, wo der jeweilige Pädagoge seine Base und damit seine Materialien zur Verfügung hat. In Zeiten, in denen immer mehr der Laptop die Schultasche ersetzt, ist das eine zunehmend vorstellbare Vision, auch für die geisteswissenschaftlichen Fächer und nicht nur für Turnen und Physik, bei denen dieses Konzept ja schon angewandt wird.
Abschließend noch einmal zurück zum Nobelpreis – Anton Zeilinger sagte einst: „Der Nobelpreis kann kein Ziel sein, das ist von vorneherein Unsinn. Es kann einen nur die Neugierde treiben, etwas zu machen, was man selber spannend findet.“ – So muss es Ziel unseres Schulsystems sein, unserer Jugend Platz für ihre Neugierde, für ihre spannenden Themen, für ihr Weiterdenken zu geben und sie mit Respekt, Toleranz und vor allem mit vielen guten Vorbildern zum Gestalten ihrer Zukunft zu animieren.
Für die nächsten Schritte zu diesem Ziel wünsche ich Ihnen, Herr Minister, und unserer Regierung gutes Gelingen und frohes Schaffen für eine starke Schule in einer starken Gesellschaft. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
9.33
Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Amelie Muthsam. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.