RN/64
14.01
Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und via Livestream! Wir beraten heute über das Teilpensionsgesetz, ein Gesetzespaket, das wichtige Anpassungen im Arbeits- und Sozialrecht bringt und das sich vor allem den Themen Altersteilzeit und Nachhaltigkeit unseres stabilen Pensionssystems widmet.
Warum braucht es diese Reform? – Weil wir uns ehrlich klarmachen müssen, dass sich die Arbeitsrealitäten unserer Kolleginnen und Kollegen massiv verändert haben; weil wir Lösungen brauchen, die das Leben der Menschen verbessern – keine Showpolitik, die Probleme verschärft.
Als ehemaliger Betriebsrat weiß ich, wovon ich da spreche. Wir müssen nämlich eines sehen: welche Leistungen unsere Kolleg:innen in allen Bereichen und in allen Branchen tagtäglich erbringen. Ob es die Pflegekraft ist, die in den Nachtschichten die Würde unserer älteren Generation sichert, ob es die Bauarbeiterin ist, die bei 35 Grad am Gerüst steht, ob es die Büroangestellten, die Reinigungskräfte, die Zusteller, die Facharbeiter oder viele mehr sind: Alle verdienen unsere Aufmerksamkeit und den Respekt, den sie durch faire Arbeitsbedingungen spüren sollten. Ihre Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist mit Sicherheit keine Selbstverständlichkeit, sie verdient ein ehrliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
Wenn man sich die Berichterstattung in den letzten Wochen und Tagen ansieht, dann merkt man aber, das sehen nicht alle so. Es gibt Zurufe von der Industriellenvereinigung, von Teilen der Wirtschaft, in den gefordert wird: 68, 70! – Ist das fair, bei dem, was die Menschen tagtäglich draußen leisten? Wenn man so etwas fordert, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dann hat man keine Ahnung von den Lebens- und Arbeitsrealitäten der Menschen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ.)
Daher braucht es Fairness, Gerechtigkeit und vor allem auch ein klares Signal an die Kolleg:innen, die diese Jobs jahrzehntelang ausüben und dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft funktioniert.
Wie schaut es aber tatsächlich für ältere Arbeitnehmer:innen aus? – Erhoben durch eine Studie von AK und ÖGB: Bei den 60- bis 64-Jährigen liegt die Älterenquote in den Betrieben im Gesamtdurchschnitt lediglich bei 5 Prozent. Noch dramatischer: Rund 30 Prozent – das sind 7 400 von insgesamt 24 500 mittleren und größeren Betrieben ab 20 Mitarbeiter:innen – beschäftigen keinen einzigen Menschen über 60, und mehr als die Hälfte dieser Betriebe hat keine einzige Frau über 60 in Beschäftigung. Ich frage Sie: Wollen wir das ernsthaft so annehmen? Wollen wir da wegschauen, wenn Menschen mit Erfahrung und Engagement systematisch aus dem Arbeitsmarkt hinausgedrängt werden? Oder wollen wir mit einem guten Gesetz dafür sorgen, dass Ältere nicht in die Arbeitslosigkeit abgeschoben, sondern gebraucht und wertgeschätzt werden? (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Genau da setzt dieses Gesetz an. Wir schaffen ein zusätzliches Angebot: Die neue Teilpension gibt älteren Arbeitnehmer:innen mehr Möglichkeiten. Für die reduzierte Arbeitszeit gibt es ein anteiliges Gehalt, für den anderen Teil die Teilpension. Man bleibt in Beschäftigung, zahlt weiter auf das Pensionskonto ein und erhöht so auch seine zukünftige Pension. Es geht darum, gesund aus einer Beschäftigung heraus in Pension gehen zu können und nicht nach Jahren harter Arbeit krank oder arbeitslos zu sein und nicht mehr gebraucht zu werden.
Ja, wir brauchen Stabilität und Sicherheit, und das bildet auch der Nachhaltigkeitsmechanismus ab. Ganz einfach erklärt: Wir sorgen dafür, dass unser Pensionssystem langfristig finanzierbar bleibt. Das heißt: Wenn es große Abweichungen gibt – Einnahmen oder Ausgaben –, wird rechtzeitig nachjustiert. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, dann geht ihr mit dem Pensionsalter auf 70! Genau das, was ihr nicht wollt angeblich, passiert dann!) Es ist wie bei einem Thermostat: Wenn es zu heiß oder zu kalt ist, regelt man nach, damit unser System stabil bleibt. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, runter gehen tut’s nicht mehr! Wenn es einmal rauf geht, geht es nicht mehr runter, Herr Kollege!) – Ich komme gleich zu euch. Das ist gelebte Verantwortung für die kommenden Generationen, statt Schönwetterpolitik, die heute Geschenke verteilt und morgen unsere Jungen zahlen lässt.
Und jetzt zur FPÖ (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Ui!): Da ist der Satz gekommen: klar an der Seite der Arbeitnehmer:innen. – Das habe ich immer vermisst. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Egal wann wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf der Straße gestanden sind: Wo war die Solidarität der FPÖ? Wo war sie? (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl [Grüne/W].)
Im Gegenteil: Was habt ihr eingeführt? – Die 60-Stunden-Woche (Ruf bei der SPÖ: Genau!), den 12-Stunden-Arbeitstag. (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Das stimmt ja gar nicht! Das war Arbeitszeitflexibilisierung, kapierts das einmal endlich! – Bundesrat Wanner [SPÖ/Sbg.]: Ja, ja! Schon vergessen? Politischer Alzheimer?) Und schauen wir uns in weiterer Folge an: Was war denn im Jänner Gegenstand eurer Verhandlungen zum Pensionsthema? – Eine massive Verschlechterung bei der I-Pension, mit der kranke Menschen de facto aus dem System gedrängt worden wären. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Woher weißt du, was verhandelt worden ist?)
Nicht zuletzt wäre der Plan – das habt ihr schon geplant gehabt, das wissen wir –, diese Pensionskonten für 2026 und 2027 gezielt zu kürzen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, überhaupt nicht!), ein klarer Angriff auf alle künftigen Pensionistinnen und Pensionisten gewesen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Bei der Zuwanderungen hätten wir gekürzt, Herr Kollege! Das ist das, was ihr nicht macht! Ihr kürzt bei den Österreichern!) Daraus resultierend: eine langfristige Verschlechterung der Lebensrealitäten. Heute ist klar, ihr wollt davon nichts mehr wissen (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Ich mach’ eh eine tatsächliche Berichtigung!), aber wir wissen genau, was Gegenstand der Verhandlungen war.
Eines sieht man, zusammengefasst: Diese Punkte verschärfen soziale Ungleichheit und zeigen, dass die FPÖ nicht, wie es erwähnt wurde, klar an der Seite der Arbeitnehmer:innen steht, sondern dass ihr diejenigen seid, die auf Überschriften, auf Schlagzeilen pochen. Ich habe auch heute in vielen Reden immer eines vermisst: die Lösung. Die Lösung sucht ihr nicht! Ihr habt keine Lösungsansätze (Ruf bei der SPÖ: Genau!), ihr seid diejenigen, die das Problem am Köcheln halten, auch bei der Pensionsthematik.
Das ist die Wahrheit. In Wahrheit ist das die Fortsetzung eurer Haltung zum Thema Sozialpolitik. Wenn wir uns anschauen: Während eurer Regierungsbeteiligung 2018 habt ihr auch einiges beschlossen und 2019 in eurer Pensionsreform umgesetzt, und damals gab es drastische Einschnitte, vor allem für Frauen, und einen absoluten sozialpolitischen Rückschritt. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Was zum Beispiel? Herr Kollege, was? – Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Was haben wir verschlechtert für die Frauen?) Genau im Gegensatz dazu zeigen wir jetzt auf, dass es auch anders geht – ohne in bestehende Pensionen einzugreifen, ohne die Pensionen der Menschen zu kürzen, ohne das gesetzliche Regelpensionsalter zu erhöhen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das machts ihr aber!) und vor allem auch ohne einen Eingriff in die Schwerarbeiterregelung. Wir haben eine Lösung auf den Tisch gelegt, im Gegensatz zu euch. Ihr habt euch aus der Verantwortung gestohlen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, das macht ihr!)
Hier ist auch diese Handschrift klar erkennbar: Wir stehen nämlich auf der Seite der Menschen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, ihr machts alles schlecht! Seit Juli haben die Pensionisten weniger, seit Juli! Danke, SPÖ!) Die Teilpension ermöglicht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sanft in den Ruhestand überzutreten (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, genau! Mit 70, genau!), indem wir ihre Arbeitszeit reduzieren und das gleichzeitig durch eine gute finanzielle Absicherung auch ermöglichen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ihr glaubts ja selber nicht den Schmarrn, was ihr da erzählts!) Damit wird nicht nur die persönliche Lebensqualität, sondern auch der soziale Zusammenhalt verbessert. Wir sichern mit dem Nachhaltigkeitsmechanismus die Zukunft unseres solidarischen Pensionssystems, ohne dass wir es kaputtsparen oder privatisieren. Wir arbeiten daran, dass Ältere und besonders Frauen jenseits der 60 faire Chancen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es braucht Perspektiven, weil wir wissen, dass die arbeitenden Menschen unser Land am Laufen halten. Wir müssen ihre Leistung anerkennen – Tag für Tag, Herr Kollege, und Schicht für Schicht.
Wir wissen, dass wir mit diesem Gesetz mit Sicherheit nicht alle Probleme lösen, aber wir gehen einen wichtigen Schritt in Richtung Fairness, Gesundheitsschutz und Generationengerechtigkeit. (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Nein!) Und ich frage nochmals: Wollen wir eine Gesellschaft, in der Menschen mit Erfahrung wertgeschätzt werden, oder wollen wir diese Menschen aussortieren, wollen wir sie aufs Reservebankerl setzen? Wollen wir Pensionssicherheit für alle oder für die, die sich nur die private Vorsorge leisten können? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Lauter Nullachtfünfzehn-Schlagworte, die nichts wert sind, nichts!)
Ich stehe klar für den ersten Zugang, für Respekt, für Solidarität in der Gemeinschaft, für ein Pensionssystem, das den Namen verdient, und deshalb ersuche ich, diesem Teilpensionsgesetz zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
14.11
Präsident Peter Samt: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrat Steiner-Wieser zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.