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11.20
Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte zahlreiche Besucherinnen und Besucher! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sprechen wir über ein Thema, das nicht nur für unsere Gegenwart, sondern auch für unsere und vor allem für die Zukunft unseres Landes entscheidende Bedeutung hat: die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit und der Demokratie.
In einer Zeit, in der viele Demokratien weltweit unter Druck geraten, ist es umso wichtiger, dass wir in Österreich klare Zeichen setzen, Zeichen für Offenheit, für kritisches Denken, für den freien Austausch von Ideen – und genau das macht unsere Regierung: Sie schützt diese Werte nicht nur, sondern fördert sie aktiv. Wissenschaftsfreiheit ist das Fundament einer aufgeklärten Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].) Sie ermöglicht es Forscherinnen und Forschern, unabhängig zu arbeiten, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Innovationen voranzutreiben, ohne politische Einflussnahme, ohne ideologische Schranken.
Ein Beispiel dafür ist die verstärkte Förderung internationaler Forschungskooperationen. Die jüngste Bestandsaufnahme der Universitäten zeigt ganz klar reges Interesse von US-Forscherinnen und Forschern, nach Österreich zu wechseln. Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis einer Politik, die Wissenschaft als internationalen Dialog versteht und aktiv unterstützt. Es ist aber auch ein Ausdruck davon, was passiert, wenn Druck auf wissenschaftliche Institutionen ausgeübt wird, wie wir es aktuell in den USA erleben. Doch Wissenschaftsfreiheit kann nur in einer lebendigen Demokratie gedeihen. Demokratie bedeutet nicht nur Wahlen und Institutionen, sie bedeutet auch Meinungsvielfalt, Medienfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Minderheiten. Gleichzeitig sehen wir, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben. Es reicht nicht, Freiheit zu versprechen, sie muss täglich gelebt und verteidigt werden. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Jagl [Grüne/NÖ] und Deutsch [NEOS/W].)
Das bedeutet transparente Förderpolitik, Schutz vor ideologischer Einflussnahme und die Sicherstellung, dass Universitäten und Forschungseinrichtungen unabhängig bleiben. Es bedeutet auch, dass wir Bildung als Schlüssel zur Demokratie begreifen, denn nur wer kritisch denken kann, wer Zugang zu Wissen hat, wer sich eine eigene Meinung bilden kann, kann auch demokratisch handeln. Unsere Regierung hat dazu mit Initiativen zur Stärkung der politischen Bildung und zur Förderung von Open Access einen wichtigen Beitrag geleistet.
Ich erinnere mich noch sehr gut an mein eigenes Studium in Innsbruck. Damals saßen wir als Erstsemestrige eifrig und gespannt, was da auf uns zukommt, im Hörsaal. Ein Professor präsentierte uns eine Reihe von Studien, fundiert, mit beeindruckenden Zahlen und überzeugenden Thesen. Doch was wir nicht bemerkten: Eine nach der anderen war falsch. Die Daten waren erfunden, die Quellen nicht existent; und doch glaubten wir ihm, weil es gut klang, weil es plausibel wirkte, weil wir nicht hinterfragten. Erst am Ende der Vorlesung löste er das Rätsel auf. Es war ein Experiment, ein Weckruf und für mich persönlich ein prägendes Ereignis.
Was habe ich daraus gelernt? – Kritisches Denken ist keine Kür, sondern Pflicht. Es bedeutet, nicht alles für bare Münze zu nehmen, auch dann nicht, wenn es gedruckt, wenn es gepostet oder wenn es von Menschen mit Titeln gesagt wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrät:innen Jagl [Grüne/NÖ] und Deutsch [NEOS/W]. – Bundesrat Tiefnig [ÖVP/OÖ]: Bravo!) Gerade in Zeiten von Social Media, in denen Informationen in Sekunden verbreitet werden und Meinungen oft lauter als Fakten sind, fehlt uns genau das: die Fähigkeit, zu hinterfragen, zu prüfen und zu zweifeln.
Gleichzeitig habe ich gelernt, wie wichtig Vertrauen in die Wissenschaft ist. Ja, einzelne Studien können falsch sein; ja, es gibt Irrtümer, Widersprüche, Korrekturen. Genau das aber ist Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Wissenschaft ist kein Dogma, sondern ein System, das sich selbst korrigiert. Fehler werden erkannt, diskutiert und ausgemerzt.
Ein gutes Beispiel dafür – heute darf ich es als Erster erwähnen – war die Coronapandemie. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Viele waren irritiert, weil sich wissenschaftliche Einschätzungen änderten, weil sich Forscherinnen und Forscher nicht immer einig waren, nicht eine Meinung hatten. Doch das war kein Zeichen der Schwäche, es war ein Zeichen von Geschwindigkeit. Die Wissenschaft arbeitete auf Hochdruck, mit unvollständigen Daten, in Echtzeit, und sie tat das, was sie immer tut: Sie tastete sich voran, lernte dazu und passte sich an. Deshalb ist mein Appell: Lasst uns kritisch denken und gleichzeitig der Wissenschaft vertrauen! Beides gehört untrennbar zusammen. Nur so können wir als Gesellschaft klüger, widerstandsfähiger und letztlich auch freier werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrät:innen Kittl [Grüne/W] und Deutsch [NEOS/W].)
Ich möchte abschließend noch ein paar Beispiele für Wissenschaftsfreiheit und Demokratie nennen: wählen gehen als Grundlage für alles – wer wählt, stärkt die Legitimation demokratischer Institutionen und verhindert Extremismus –; mit Andersdenkenden ins Gespräch kommen – Demokratie lebt vom Austausch unterschiedlicher Meinungen –; politische Bildung stärken – informierte Bürger:innen sind das Rückgrat unserer Demokratie –; Fake News und Desinformation entlarven – gerade in Zeiten, in denen KI unaufhaltsam zu uns vordringt, ist es wichtig, kritisches Denken und Medienkompetenzen auszubauen –; Faktenchecks – vertrauenswürdige Quellen sind das A und O –; zivilgesellschaftliches Engagement – Ehrenamt, aber auch Nachbarschaftshilfe oder die Teilnahme an Bürgerinitiativen stärken den sozialen Zusammenhalt, denn Demokratie braucht aktive Bürger:innen, nicht nur passive Zuseher –; Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz verteidigen – es geht darum, Diskriminierung und Hetze hintanzustellen und als demokratischen Akt nicht zu verwirklichen –; Demokratie in Bildungseinrichtungen verankern – wir sehen es bei Klassensprecherwahlen, bei Schulsprecherwahlen, das ist der erste Bezugspunkt der direkten Demokratie, und es ist wichtig, diesen zu etablieren beziehungsweise auch Schülerparlamente auszubauen –; auch wichtig: unabhängige Medien unterstützen, denn Pressefreiheit ist ein Eckpfeiler der Demokratie; Transparenz – transparente Politik stärkt Vertrauen, und das haben wir ja auch mit unserem Informationsfreiheitsgesetz bewiesen –; Demokratie global denken – internationale Solidarität mit bedrohten Demokratien zeigt, dass Freiheit keine Grenzen kennt, und dabei ist unsere Neutralität kein Hemmschuh.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wissenschaftsfreiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind Errungenschaften, die wir schützen müssen, durch klare politische Entscheidungen, durch gesellschaftliches Engagement und eine Kultur des Respekts und der Offenheit. Stärken wir gemeinsam den Wissenschaftsstandort Österreich und unsere Demokratie! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrät:innen Kittl [Grüne/W] und Deutsch [NEOS/W].)
11.28
Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.