RN/13

11.53

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuseherinnen hier und vor den Bildschirmen! Eine starke und unabhängige Wissenschaft ist der Kern unserer Demokratie, denn wenn Wissenschaft frei agieren kann, kann sie durch gegenseitiges Hinterfragen und gegenseitiges Prüfen zu besseren Ergebnissen kommen und sich auch weiterentwickeln. Diese Ergebnisse wiederum dienen zum Beispiel uns hier als Entscheidungsgrundlage. 

Voraussetzung dafür ist, dass man sich darauf geeinigt hat, die Ergebnisse als gemeinsame Entscheidungsbasis anzuerkennen. Das passiert aber heute kaum mehr. Vielmehr kursieren Halbwahrheiten oder Meinungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse konterkarieren, auch hier im Parlament. 

Die Verwischungen und Unterminierung wissenschaftlicher Erkenntnisse tun der Demokratie gar nicht gut, denn sie erzeugen Verwirrung und man weiß nicht mehr, wem man glauben kann, und das wiederum erzeugt Misstrauen. Das alles nährt autoritäre Tendenzen. Das sollte hier im Haus aber nichts zu suchen haben – nicht heute, nicht gestern und nicht morgen. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Ruprecht [ÖVP/Stmk.] und Deutsch [NEOS/W].

Wissenschaft darf kein Instrument der Macht werden. Wir sehen aber, dass autoritäre Bewegungen weltweit genau da ansetzen. Wir müssen nur ganz kurz über die Grenze schauen und uns das neu geschaffene Mathias Corvinus Collegium in Budapest anschauen, wo Orbán-loyale Eliten ausgebildet werden, ein internationales rechtes Netzwerk aufgebaut wird und ein rechter Thinktank etabliert wird. 

Universitäten stehen nicht nur deswegen im Fokus von autoritären Regimen, sondern auch deswegen, weil eben gerade von den Studierenden oft der erste Widerstand ausgeht. Das ist auch logisch, denn Unis sind ja Orte des Nachdenkens, der Kritik und der Bildung. Das sehen wir, wie die Frau Ministerin schon gesagt hat, in Serbien, das sehen wir aber auch in Georgien und das sehen wir natürlich auch in Österreich, wenn wir zum Beispiel an die Uni-brennt-Bewegung zurückdenken oder noch viel weiter zurück an die Märzrevolution 1848, die begann, weil Studierende eine Petition für Presse- und Universitätsfreiheit an den Kaiser stellten. 

Dahin wollen wir aber nicht zurück. Nicht umsonst steht auf dem neuen Institutsgebäude der verfassungsrechtliche Satz aus dem Staatsgrundgesetz von 1867: Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.

Eine Demokratie braucht Universitäten, an denen frei und kritisch gedacht, geforscht und diskutiert wird. Und ja, dort denken wahrscheinlich viele Menschen eher progressiv. Das ist aber kein Zeichen von linker Indoktrinierung, sondern von Bildung, Offenheit und wissenschaftlichem Denken. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Ruprecht [ÖVP/Stmk.] und Deutsch [NEOS/W].)

Wenn links bedeutet, sich für Klimaschutz, Menschenrechte und Gleichberechtigung einzusetzen, dann sollten wir uns eher fragen, warum das überhaupt ein Vorwurf sein soll. An unseren Universitäten lehren und studieren Menschen mit allen möglichen politischen Einstellungen. Wer behauptet, sie alle seien links, verkennt die Vielfalt und Freiheit, die dort herrschen. Genau diese Vielfalt und diese Freiheit braucht unsere Demokratie aber wie einen Bissen Brot. Diese Vielfalt bedeutet auch gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern, gerade in der Wissenschaft. Das bedeutet, Expertinnen und Experten gleichermaßen zu den großen Themen unserer Zeit zu befragen, auch hier im Parlament. 

Immer wieder muss unser Parlamentsdirektor Dossi meine E-Mails beantworten, weil ich höchst unausgewogene Podien im Parlament kritisiere. In letzter Zeit sind sie aber nicht nur unausgewogen, sondern immer öfter, so wie gestern bei der von der FPÖ ausgerichteten Enquete, ausschließlich mit männlichen Experten besetzt. Da frage ich mich wirklich, Kolleg:innen von der FPÖ: Was wollen Sie uns Frauen damit sagen? (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Na bitte! – Heiterkeit des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)

Kennen Sie nicht den Teufelskreis? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Sie wissen ja gar nicht, wie sich die gefühlt haben; da waren vielleicht einige Transgender dabei! Das ist total diskriminierend!) Kollegin Muthsam von der SPÖ hat das schon angesprochen: Je weniger Frauen als Expertinnen sichtbar sind, desto mehr vergisst man sie. Es ist gut, dass die Kollegin von der SPÖ das sieht, ich bitte Sie aber, das auch selbst in Ihrer eigenen Partei umzusetzen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Vielleicht wird euch jetzt selbst langsam klar, wie lächerlich das alles ist!)

Es ist aber auch umgekehrt so: Je mehr ein Wissenschaftler gesehen und gehört wird, desto öfter wird er eingeladen und desto bekannter wird er. Wenn sie Frauen nicht als Expertinnen einladen, werden diese vergessen. Das haben Sie gestern gemacht: Sie haben die Frauen einfach vergessen. 

Das kann und das darf aber nicht sein und schon gar nicht hier im Parlament. Das Parlament ist der beste Platz dafür, Frauen als Expertinnen vor den Vorhang zu holen. Das Parlament muss da auch ein Role-Model sein, es muss, wenn wir Gleichberechtigung ernst nehmen, Frauen sichtbar machen und sie in einen öffentlichen Diskurs holen. Das ist unsere Aufgabe. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

11.58

Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch. Ich erteile es ihr.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.