RN/27
Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Außerstreitgesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz 2025 - ErwSchAG 2025) (379/A und 213 d.B. sowie 11704/BR d.B.)
Vizepräsident Günther Ruprecht: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Verena Schweiger. Ich bitte um den Bericht.
Ich begrüße nun unsere Frau Bundesministerin, Frau Dr.in Anna Sporrer. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Frau Kollegin Schweiger ist auf dem Weg. (Bundesrat Mertel [SPÖ/Ktn.]: Ich tu das überbrücken, Herr Präsident! – Bundesrat Mertel [SPÖ/Ktn.] überreicht Bundesministerin Sporrer eine Süßigkeit. – Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP.) – Kollege Mertel ist wie immer ein Gentleman.
Frau Kollegin, ich bitte nun um den Bericht.
RN/28
Berichterstatterin Verena Schweiger, BA MA MA: Vielen Dank. Entschuldigen Sie!
Ich darf den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Außerstreitgesetz geändert werden, bringen.
Der Bericht dazu liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Günther Ruprecht: Wir gehen nun in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Jäckel. Ich erteile es ihr.
RN/29
12.44
Bundesrätin Sandra Jäckel (FPÖ, Vorarlberg): Vielen Dank, Herr Vizepräsident! Frau Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Werte Zuschauer! Rudi! Ich begrüße dich, Rudi aus Tirol, und natürlich die Zuseher vor den Bildschirmen. Das Erwachsenenschutzrecht, das im Jahr 2018 novelliert wurde, hat ein klares und ein richtiges Ziel. Menschen mit Behinderung sollen so selbstbestimmt wie möglich leben können, mit Unterstützung, aber ohne unnötige Bevormundung.
Und einer der wesentlichen Bestandteile dieses Gesetzes war, dass gerichtliche Erwachsenenvertretungen alle drei Jahre überprüft werden sollen. Das wurde bewusst so festgelegt, um sicherzustellen, dass diese Vertretung nur solange besteht, wie sie tatsächlich notwendig ist, und um Missbrauch und unnötige Bevormundungen zu verhindern.
Umso unverständlicher ist es jetzt für mich, dass man nun einen deutlichen Rückschritt vollzieht. Ich finde eher, man hat die Handbremse gezogen. Die Frist wurde nämlich von drei auf fünf Jahre verlängert, und das, meine Damen und Herren, aus rein budgetären Gründen. (Beifall bei der FPÖ.) Das bedeutet in Wahrheit eine Budgetsanierung auf dem Rücken von Menschen mit Behinderung.
Ich begrüße die Gruppe, die soeben zu uns in den Saal gekommen ist. – Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.)
Damit werden die finanziellen Versäumnisse der letzten und dieser Regierung auf jene abgewälzt, die ohnehin besonderen Schutz benötigen. Und das Ergebnis ist klar: Der Schutz dieser Menschen wird schwächer. Statt die bestehenden Vereine, die über geschultes Personal und jahrelange Erfahrungen verfügen, zu stärken, lagert man diese Aufgabe nun übergangsweise an Rechtsanwälte und Notare aus. Und warum? – Zur Bewältigung der derzeitigen Notlage – ein Trauerspiel.
Doch da geht es nicht nur um Paragrafen und Formalitäten, meine Damen und Herren, sondern um Menschen mit schwierigen Lebenslagen, um Alltagsbetreuung, um Einkäufe, um Krisensituationen, in denen Vertrauen, Empathie und soziale Kompetenz gefragt sind. Diese Aufgaben verlangen eine besondere Ausbildung und ein hohes Maß an Verantwortung, keine juristische Ersatzlösung, die aus Spargründen geschaffen wurde.
Und, Frau Minister, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass meine Nationalratskollegen Mag. Stefan, Kollege Wurm und weitere Abgeordnete bereits am 18. Mai 2022 einen Entschließungsantrag zur Evaluierung des Erwachsenenschutzgesetzes eingebracht haben, einen Antrag, der bis heute unbehandelt geblieben ist. Und das zeigt: Dieses Problem war wohl sehr lange bekannt, wurde aber bewusst auf die lange Bank geschoben. (Beifall bei der FPÖ.)
Statt zu evaluieren und zu verbessern, wird da gespart, und zwar wieder einmal bei den Falschen. Und von unserer Seite wird daher klar festgehalten: Ein paar kosmetische Änderungen verbessern dieses Gesetz nicht. Im Gegenteil: Die Verlängerung der Fristen und die fehlende Absicherung der Betroffenen verschlechtern es. Darum können und werden wir heute hier nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich glaube, ich habe noch etwas Luft. Ich möchte noch einen Punkt, Frau Minister, mit Nachdruck ansprechen. Ich hoffe inständig, dass das Justizministerium in der Führerscheincausa in Vorarlberg genau hinsieht, die notwendigen Erhebungen durchführt, um das Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen und jeden Verdacht der Befangenheit beim Landesgericht Feldkirch auszuräumen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
12.49
Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.
RN/30
12.49
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen hier im Saal und vor den Bildschirmen! Worum geht es bei diesem Gesetz, das wir gerade debattieren? – Es geht um eine besonders vulnerable Gruppe von Menschen – darin sind wir uns einig –: erwachsene Menschen, die nicht oder nicht mehr imstande sind, alle ihre Angelegenheiten selber zu regeln. Dieses Thema wird aufgrund unserer demografischen Entwicklung brisanter und brisanter. Menschen werden älter, dementsprechend wird der Bedarf in diesem Bereich auch immer größer.
Man kann sich zu gegebener Zeit selbst eine Vertretung suchen und diese Vertretung selbst regeln, solange man noch dazu in der Lage ist, und eine Person suchen, die das im Zweifelsfall für einen übernimmt, wenn man irgendwann einmal nicht mehr dazu in der Lage ist. Oft sind das Verwandte, Bekannte, die man sich zur Seite nimmt, um die medizinische Versorgung, finanzielle Belange et cetera zu verwalten und zu bestimmen. Aber – das merken wir auch –: Immer weniger Personen im privaten Umfeld sind bereit, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen.
Dann gibt es den Fall, dass man es möglicherweise plötzlich nicht mehr selbst regeln kann, eine Vertretung zu finden. Dann gibt es die Möglichkeit, dass das von gerichtlicher Seite bestimmt wird, dass eine Vertretungsperson gerichtlich bestellt wird. Auch dabei haben wir bemerkt, dass es immer schwieriger wird, Professionist:innen zu finden. Es gab tatsächlich in den letzten Monaten in manchen Regionen Österreichs einen gewissen Notstand, eine gerichtliche oder eine gesetzliche Vertretungsperson zu finden. Mit der angespannten budgetären Situation – für die wir als Sozialdemokrat:innen nichts können, die wir nicht verursacht haben (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ) – konnten in diesem Zusammenhang auch die Erwachsenenschutzvereine, die sich gegründet haben und die sich in Kooperation mit dem Justizministerium genau um solche Fälle kümmern, nicht adäquat ausgestattet werden.
Aber – und da möchte ich meiner Vorrednerin widersprechen – wir haben nach Lösungen gesucht. Die werden heute präsentiert, die werde ich jetzt auch präsentieren. Die sind durchaus keine Kosmetik, sondern wir haben sehr lösungsorientiert versucht, diese Situation in die Zukunft zu führen. Beispielsweise – das ist einer von drei Punkten – haben wir im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes, das vor dem Sommer beschlossen wurde, professionelle gerichtliche Erwachsenenvertretungen in die Pflicht genommen, verpflichtet, sich um diese Angelegenheiten zu kümmern. Das passiert vorübergehend, mit einer Befristung, weil wir wissen, dass das nur eine Notlösung sein kann. Wir werden die nächsten Monate nutzen, um gemeinsam mit Stakeholdern nachhaltige Lösungen zu suchen, damit man diese Verpflichtung dann auch wieder auflösen kann. Das ist einer der Punkte, die als Lösung drinnen sind.
Ein weiterer Punkt – und da gab es auch berechtigt fachliche Kritik – war die bestehende Clearingsituation, die obligatorisch in einem bestimmten Rhythmus zustande kommt. Was ist dieses Clearing? – Man schaut in gewissen Abständen, wie die Versorgungssituation einer betroffenen Person ist, und bewertet neu, was notwendige Maßnahmen, was eine notwendige Begleitung betrifft.
Diese Clearings, muss man der Fairness halber auch dazusagen, sind nicht bei allen Krankheitsbildern oder bei allen Behinderungen, bei allen Lebenssituationen gleichermaßen gefordert. Ich denke zum Beispiel an eine schwer demenzkranke Person, die möglicherweise einen anderen Rhythmus in der Bewertung braucht als eine Person, die eine Behinderung hat und noch jung ist. Deshalb unsere Reaktion darauf, unsere Lösung: Es wird einer betroffenen Person die Möglichkeit gegeben, selbst einen Antrag zu stellen. Die Personen selbst bekommen also ein Antragsrecht, um ihre Vertretung möglicherweise erneuern zu lassen. Plus: Das soziale Umfeld, das diese Person ja sehr gut kennt – das sind oft Angehörige, aber das sind auch pflegende Personen, die die Lebenssituation dieser Person gut kennen –, kann so ein Clearing anregen und einen Prozess starten, damit diese Clearings stattfinden und die Lebenssituation überprüft wird und dementsprechend reagiert werden kann.
Ich empfinde es als einen im Interesse dieser betroffenen Menschen und ihrer Rechte ungeheuer wichtigen Schritt, dass diese Menschen selbst und die Menschen, die diese Personen gut kennen, ein gewisses Mitbestimmungsrecht und die Möglichkeit, so eine Prüfung zu verlangen oder anzuregen, bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das heißt, wir beschließen hier heute hoffentlich eine Korrektur. Wir werden als sozialdemokratische Fraktion trotzdem weiterhin auf Reformen drängen und an Reformen arbeiten, denn für diese vulnerablen Personen muss wie gesagt dauerhafte Qualität gesichert sein. Für uns als Sozialdemokratie ist es wichtig, dass die Betroffenen selbst beteiligt werden, dass ihre Vertretung sichergestellt ist und dass wir stetig am Ausbau und an der Qualität dieser Betreuung arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
12.56
Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächste in der Debatte zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.
RN/31
12.56
Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Zuhörer hier und zu Hause! Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder einer sonstigen Beeinträchtigung nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu regeln, brauchen Unterstützung und brauchen Vertretung. Das ist ein Faktum.
In den vergangenen Jahren – und das ist leider auch ein Faktum – waren aber immer weniger Menschen bereit, die Vertretung für erwachsene Menschen zu übernehmen, egal ob es sich um den Bereich der nahen Angehörigen handelt oder ob es sich innerhalb des sozialen Netzes ergeben hat. Leider wollen oder können viele diese wichtige und schwierige Aufgabe nicht übernehmen. Die Betroffenen brauchen aber meist täglich jemanden, der sie bei ihren alltäglichen Angelegenheiten unterstützt. Diese neue Erwachsenenschutzgesetznovelle schafft mit dem Clearing für Betroffene und deren familiäres Umfeld oder für die Vertretungsvereine ein Instrument, um die Erwachsenenvertretung jederzeit neu bewerten zu lassen. Damit wird es mit Rücksicht auf die individuelle Lebenssituation auch möglich sein, die Notwendigkeit einer Erwachsenenvertretung überhaupt zu überprüfen. Das ist eine entscheidende Verbesserung im Sinne aller betroffenen Personen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mertel [SPÖ/Ktn.].)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn intensive psychosoziale Betreuung notwendig ist, dann muss man den Betroffenen Personen zur Seite stellen, die entsprechend ausgebildet sind, die entsprechende Kompetenzen haben – und nicht allein solche, die vom Gesetzgeber verpflichtet werden, wie Rechtsanwälte und Notare. Diese Kritik hier im Hohen Haus und auch von Betroffenenverbänden hat Wirkung gezeigt. Deshalb wird mit der heutigen Novelle nachgebessert.
Mit dem Auslaufen der übergangsweisen Verpflichtung zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung für Rechtsanwälte und Notare wird mit einer Ausstiegsklausel ab 1. Juli 2028 wieder die ursprüngliche Rechtslage hergestellt. Das ist das richtige Signal, weil es sich dabei um eine Übergangslösung für den Notfall handelt und das nicht eine Dauerlösung sein soll.
Hinsichtlich der Fünf-Jahre-Frist möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nicht ums Geld geht – ich kenne selbst Fälle, wo jemand wirklich jahrzehntelang in Betreuung sein muss –, sondern dass sich in vielen Fällen binnen drei Jahren keine Änderung ergibt. Ich denke dabei an das Wachkoma oder schwere Demenz im Alter. Frau Bundesministerin Sporrer hat das ja auch im Nationalrat aufgeklärt.
Ich möchte allen Menschen danken, die sich in diesem Bereich mit Kompetenz und Empathie einsetzen und bitte um Annahme dieser Gesetzesnovelle. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
13.00
Vizepräsident Günther Ruprecht: Danke, Frau Kollegin.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr.
RN/32
13.00
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Im Jahr 2018 wurde im Parlament das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen. Das war ein Meilenstein, der auch breite Zustimmung gefunden hat. Zuvor hatten wir – es können sich sicher noch viele erinnern – die sogenannte Sachwalterschaft.
Dieses Gesetz wurde aus gutem Grund geändert. Diesem Gesetz ist ein langer, partizipativer Prozess vorausgegangen, in dem die Menschen selbst – Menschen mit Behinderung und ihre Interessenvertretung – ihre Wünsche, Bedenken und so weiter geäußert haben. Sie wurden intensiv eingebunden.
Das Herzstück, das dabei herausgekommen ist, war tatsächlich – das ist ganz wichtig – Unterstützung vor Stellvertretung. Dieser Grundsatz war eine klare Absage an die Praxis der vorangegangenen Sachwalterschaft und damit auch ein klares Bekenntnis zur Selbstbestimmung. (Beifall bei den Grünen.)
Das spiegelt sich in den vier Formen der Vertretung wider, nämlich in der Vorsorgevollmacht, der gewählten, der gesetzlichen und der gerichtlichen Erwachsenenvertretung; ein System, das Selbstständigkeit fördert und nur dort eingreift, wo es tatsächlich notwendig ist.
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2025 – ich glaube, wir haben es hier im Juni beschlossen – wurden leider zentrale Elemente dieses Systems zurückgenommen. Ich bin damals auch schon hier gestanden und habe das kritisiert. Die Erneuerungsfrist für gerichtliche Erwachsenenvertretung wurde nämlich – wir haben es auch schon heute gehört – von drei auf fünf Jahre verlängert. Das Clearing wurde von obligatorisch auf fakultativ geändert, und das Ablehnungsrecht für Notar:innen und Rechtsanwälte wurde eingeschränkt.
Diese Änderungen im Erwachsenenschutzrecht haben zu Recht für viel Kritik gesorgt, weil sie nämlich einen klaren Rückschritt bei der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung bedeutet haben. In dem vorliegenden Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz 2025 werden nun einige dieser Verschlechterungen wieder korrigiert. Kollegin Gruber-Pruner hat es auch schon ausgeführt. Auch wir Grüne begrüßen das ausdrücklich. Ja, es geht in die richtige Richtung, und wir werden diesem Gesetz zustimmen.
Aber – und das ist uns wichtig, zu betonen – wir sind noch nicht dort, wo wir 2018 schon einmal waren. Wir sind auch noch nicht dort, wo wir eigentlich hinwollen, bei einem Erwachsenenschutz, der Selbstbestimmung nicht nur verspricht, sondern sie auch tatsächlich ermöglicht.
Ich möchte etwas zur Erneuerungsfrist sagen: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist der tiefgreifendste Eingriff in die Entscheidungsfreiheit eines Menschen. Dass sie 2018 auf drei Jahre befristet wurde, war eine entscheidende Errungenschaft. Nach Ablauf dieser drei Jahre hatte das Gericht zu prüfen, ob die Vertretung tatsächlich noch notwendig ist und ob die betroffene Person vielleicht wieder mehr Selbstbestimmung zurückgewinnen kann. Diese regelmäßige Neubewertung ist ein ganz wesentlicher Schutzmechanismus. Für eine Person, die unter Vertretung steht, sind nämlich zwei zusätzliche Jahre bis zur nächsten Prüfung nicht nur eine gefühlte, sondern tatsächlich eine Ewigkeit.
Ich möchte eine Betroffene zitieren. Diese Betroffene – sie hat es selber so bezeichnet – ist ihre Vertretung wieder losgeworden. Sie hat gesagt: Drei Jahre sind eine lange Zeit, aber irgendwie noch überschaubar. Fünf Jahre hingegen fühlen sich an wie lebenslänglich. – Zitatende.
Wir Grünen wollen deshalb, dass die Dreijahresfrist wieder hergestellt wird; nicht aus Formalismus, sondern aus Respekt und wegen der Teilhabe. (Beifall bei den Grünen.)
Lassen Sie mich bitte zum Clearing kommen. Das Clearing ist eine zentrale Säule des Erwachsenenschutzrechtes. Es wird von den Erwachsenenschutzvereinen durchgeführt und soll ein umfassendes Bild der Lebenssituation der betroffenen Person zeichnen. Dabei geht es nicht nur um Diagnosen, sondern um Ressourcen, um das Umfeld, um mögliche Unterstützungsalternativen zur Vertretung.
Bis 2025 war dieses Clearing in jedem Verfahren verpflichtend. Mit dem schon erwähnten Budgetbegleitgesetz 2025 wurde es nur mehr fakultativ. Das hat zur Folge, dass manche Vertretungen verlängert werden, ohne dass sorgfältig geprüft wird, ob sie überhaupt noch nötig sind.
Damit entfernt man sich vom Grundgedanken der Reform. Eine Vertretung sollte nur so lange bestehen, als sie wirklich erforderlich ist. Wir wollen daher, dass das Clearing im Erneuerungsverfahren wieder verpflichtend wird.
Ich weiß – Daniela, du hast es ausgeführt –, es gibt jetzt die Antragsmöglichkeit. Aber wer stellt denn tatsächlich den Antrag? Es gibt durchaus Betroffene, die niemanden haben, der ihnen so weit zur Hilfe kommt, dass der Antrag gestellt wird. Darum ist es auch wichtig, dass es im Gesetz so formuliert ist, dass es verpflichtend ist, dass es passiert. Die Erwachsenenschutzvereine – das haben wir auch schon gehört – haben auch oft nicht die Kapazität, diesen Antrag zu stellen, und dann – das hört sich jetzt böse an, wenn ich es sage – wird es einfach nicht gemacht, weil die Kapazitäten nicht vorhanden sind. Deshalb ist es uns wichtig, dass dort eine Verpflichtung dahintersteht, damit es passiert. (Beifall bei den Grünen.)
Oft wird eine Erwachsenenvertretung – lassen Sie mich das auch noch ganz kurz erklären – nicht deshalb notwendig, weil jemand etwa zu wenig kann, sondern weil die Unterstützungssysteme fehlen, etwa eine persönliche Assistenz, ein betreutes Konto oder eben soziale Dienste. Das ist Aufgabe der Bundesländer und das muss im Bundesrat auch gesagt werden: Da sind die Bundesländer dringend gefordert, die ausreichenden Ressourcen bereitzustellen.
Zur Verpflichtung von Rechtsanwält:innen und Notar:innen möchte ich auch noch erwähnen: Mit der Reform 2018 wurde die Pflicht zur Übernahme einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung bewusst abgeschafft, damit nur jene diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, die das auch wirklich wollen und können. Mit dem Budgetbegleitgesetz – jetzt sage ich es ein drittes Mal – wurde diese Pflicht wieder eingeführt.
Doch die Vertretung von Menschen mit Behinderung ist kein Routinegeschäft. Sie verlangt Zeit, sie verlangt Empathie und sie verlangt Erfahrung. Und vor allem verlangt sie den Willen, die Wünsche und die Vorstellungen der betroffenen Personen in den Mittelpunkt zu stellen. Eine unfreiwillige Übernahme kann diesem Anspruch kaum gerecht werden. Darum sagen wir auch hier: Es braucht sofort eine Rückkehr zur Regelung von 2018 und nicht erst, wie wir es jetzt gehört haben, 2028.
Ich komme auch schon zum Schluss. Das vorliegende Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil es die gröbsten Verschlechterungen des Budgetbegleitgesetzes wieder ausgleicht, aber es ist nicht der große Wurf, den wir uns im Sinne der Selbstbestimmung wünschen.
Wir Grüne wollen, dass der ursprüngliche Geist des Erwachsenenschutz-Gesetzes von 2018 wieder voll zur Geltung kommt, ein Erwachsenenschutz, der auf Teilhabe, auf Vertrauen und auf Menschenrechten basiert.
Deshalb bringen wir auch heute einen Entschließungsantrag ein, mit dem wir fordern, dass ab 1. Januar 2026 wieder jene Rechtslage gilt, die vor dem Budgetbegleitgesetz 2025 bestanden hat, also die Dreijahresfrist, das verpflichtende Clearing und die freiwillige Übernahme durch Notar:innen und Rechtsanwält:innen.
RN/32.1
Entschließungsantrag
der Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Rücknahme der Verschlechterungen im Erwachsenenschutz“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Justiz werden aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die durch das Budgetbegleitgesetz 2025 bewirkten Verschlechterungen im Erwachsenenschutzrecht wieder vollständig zurücknimmt.“
Abschließend: Wir stimmen diesem Gesetz also zu, aber wir sagen gleichzeitig, da geht noch mehr: mehr Selbstbestimmung, mehr Menschenrechte und mehr Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen; ein Erwachsenenschutz, der diesen Namen auch tatsächlich verdient. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
13.09
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/32.2
Vizepräsident Günther Ruprecht: Der von den Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger und Kolleginnen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die Rücknahme der Verschlechterungen im Erwachsenenschutz“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste in der Debatte zu Wort gemeldet hat sich unsere Bundesministerin für Justiz Dr.in Anna Sporrer. Ich erteile es ihr.
RN/33
13.09
Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuseher:innen! Sie alle wissen, warum wir mit dem Budgetbegleitgesetz diese Novelle im Erwachsenenschutzgesetz vorgenommen haben. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir das Budget sanieren. Ich darf hier als sozialdemokratische Bundesministerin schon auch sagen: Die Sozialdemokratie übernimmt hier Verantwortung für ein Budgetloch, das sie nicht zu verantworten hat! (Beifall bei der SPÖ.) Das vorangestellt, bitte ich wirklich um - - (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Aber die Schulden in Wien hat schon die Wiener SPÖ - -! Aber für die Schulden in Wien tragen Sie schon Mitverantwortung! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zur Budgetbegleitgesetzgebung, die im Erwachsenenschutzgesetz jetzt zwei Maßnahmen eingeführt hat, möchte ich kurz Stellung nehmen. Es geht hier darum, dass die Frist für die Erneuerung der Erwachsenenschutzvertretung verlängert wird. Das bedeutet nicht primär eine Verschlechterung: Mir erzählen Familienrichter und -richterinnen auch, dass sie etwa in Fällen von Wachkoma vor der Herausforderung stehen, dass sie die Angehörigen da regelmäßig anschreiben müssen und um eine Stellungnahme bitten müssen, und sie bekommen empörte Rückmeldungen, dass ja klar sei, dass da in der Zwischenzeit keine Verbesserung der gesundheitlichen Situation der betroffenen Person eingetreten ist.
Wir sind eine alternde Gesellschaft, die Formen von Demenz nehmen zu. Es gibt da große Herausforderungen für die Erwachsenenschutzvereine, die ja weiterhin tätig bleiben, das möchte ich hier auch betonen. Es ist nicht so, dass jetzt jegliche Erwachsenenvertretung von Rechtsanwält:innen oder Notar:innen zu übernehmen ist, sondern die Erwachsenenschutzvereine bestehen weiter, werden auch im bisherigen Stand weiter gefördert, nur stoßen sie an ihre Kapazitätsgrenzen.
Was hat das zur Folge? – Es hat zur Folge, dass auch Gerichtsverfahren stehen, denn wenn eine Person nicht vertreten ist – denken Sie an ein Verlassenschaftsverfahren, denken Sie an die Eigentumsübertragung bei einem Grundstück –, wenn für eine Person, die in einem solchen Gerichtsverfahren zu beteiligen ist, keine gesetzlich eingerichtete Vertretung vorhanden ist, dann stehen auch diese Verfahren, und vor dieser Herausforderung stehen auch die Richter:innen in Österreich.
Daher sind zwei Maßnahmen getroffen worden: Wir bitten die Rechtsanwält:innen und Notar:innen, befristet – wir führen diese Befristung bis zum Jahr 2028 ein – wieder diese wichtige Aufgabe mit uns zu übernehmen.
Der zweite Punkt betrifft das Clearing bei den Erneuerungsverfahren. Da gibt es jetzt auch für das betroffene Umfeld eine Anregungsmöglichkeit beziehungsweise ein Antragsrecht für die betroffene Person.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir da sehr maßvoll vorgegangen sind, aber leider auch notwendige Schritte zu setzen hatten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ruf [ÖVP/OÖ].)
13.13
Vizepräsident Günther Ruprecht: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
RN/34
Vizepräsident Günther Ruprecht: Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
RN/34.1
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
RN/34.2
Es liegt ein Antrag der Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger und Kolleginnen auf Fassung einer Entschließung betreffend „die Rücknahme der Verschlechterungen im Erwachsenenschutz“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.