RN/32
13.00
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Im Jahr 2018 wurde im Parlament das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen. Das war ein Meilenstein, der auch breite Zustimmung gefunden hat. Zuvor hatten wir – es können sich sicher noch viele erinnern – die sogenannte Sachwalterschaft.
Dieses Gesetz wurde aus gutem Grund geändert. Diesem Gesetz ist ein langer, partizipativer Prozess vorausgegangen, in dem die Menschen selbst – Menschen mit Behinderung und ihre Interessenvertretung – ihre Wünsche, Bedenken und so weiter geäußert haben. Sie wurden intensiv eingebunden.
Das Herzstück, das dabei herausgekommen ist, war tatsächlich – das ist ganz wichtig – Unterstützung vor Stellvertretung. Dieser Grundsatz war eine klare Absage an die Praxis der vorangegangenen Sachwalterschaft und damit auch ein klares Bekenntnis zur Selbstbestimmung. (Beifall bei den Grünen.)
Das spiegelt sich in den vier Formen der Vertretung wider, nämlich in der Vorsorgevollmacht, der gewählten, der gesetzlichen und der gerichtlichen Erwachsenenvertretung; ein System, das Selbstständigkeit fördert und nur dort eingreift, wo es tatsächlich notwendig ist.
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2025 – ich glaube, wir haben es hier im Juni beschlossen – wurden leider zentrale Elemente dieses Systems zurückgenommen. Ich bin damals auch schon hier gestanden und habe das kritisiert. Die Erneuerungsfrist für gerichtliche Erwachsenenvertretung wurde nämlich – wir haben es auch schon heute gehört – von drei auf fünf Jahre verlängert. Das Clearing wurde von obligatorisch auf fakultativ geändert, und das Ablehnungsrecht für Notar:innen und Rechtsanwälte wurde eingeschränkt.
Diese Änderungen im Erwachsenenschutzrecht haben zu Recht für viel Kritik gesorgt, weil sie nämlich einen klaren Rückschritt bei der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung bedeutet haben. In dem vorliegenden Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz 2025 werden nun einige dieser Verschlechterungen wieder korrigiert. Kollegin Gruber-Pruner hat es auch schon ausgeführt. Auch wir Grüne begrüßen das ausdrücklich. Ja, es geht in die richtige Richtung, und wir werden diesem Gesetz zustimmen.
Aber – und das ist uns wichtig, zu betonen – wir sind noch nicht dort, wo wir 2018 schon einmal waren. Wir sind auch noch nicht dort, wo wir eigentlich hinwollen, bei einem Erwachsenenschutz, der Selbstbestimmung nicht nur verspricht, sondern sie auch tatsächlich ermöglicht.
Ich möchte etwas zur Erneuerungsfrist sagen: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist der tiefgreifendste Eingriff in die Entscheidungsfreiheit eines Menschen. Dass sie 2018 auf drei Jahre befristet wurde, war eine entscheidende Errungenschaft. Nach Ablauf dieser drei Jahre hatte das Gericht zu prüfen, ob die Vertretung tatsächlich noch notwendig ist und ob die betroffene Person vielleicht wieder mehr Selbstbestimmung zurückgewinnen kann. Diese regelmäßige Neubewertung ist ein ganz wesentlicher Schutzmechanismus. Für eine Person, die unter Vertretung steht, sind nämlich zwei zusätzliche Jahre bis zur nächsten Prüfung nicht nur eine gefühlte, sondern tatsächlich eine Ewigkeit.
Ich möchte eine Betroffene zitieren. Diese Betroffene – sie hat es selber so bezeichnet – ist ihre Vertretung wieder losgeworden. Sie hat gesagt: Drei Jahre sind eine lange Zeit, aber irgendwie noch überschaubar. Fünf Jahre hingegen fühlen sich an wie lebenslänglich. – Zitatende.
Wir Grünen wollen deshalb, dass die Dreijahresfrist wieder hergestellt wird; nicht aus Formalismus, sondern aus Respekt und wegen der Teilhabe. (Beifall bei den Grünen.)
Lassen Sie mich bitte zum Clearing kommen. Das Clearing ist eine zentrale Säule des Erwachsenenschutzrechtes. Es wird von den Erwachsenenschutzvereinen durchgeführt und soll ein umfassendes Bild der Lebenssituation der betroffenen Person zeichnen. Dabei geht es nicht nur um Diagnosen, sondern um Ressourcen, um das Umfeld, um mögliche Unterstützungsalternativen zur Vertretung.
Bis 2025 war dieses Clearing in jedem Verfahren verpflichtend. Mit dem schon erwähnten Budgetbegleitgesetz 2025 wurde es nur mehr fakultativ. Das hat zur Folge, dass manche Vertretungen verlängert werden, ohne dass sorgfältig geprüft wird, ob sie überhaupt noch nötig sind.
Damit entfernt man sich vom Grundgedanken der Reform. Eine Vertretung sollte nur so lange bestehen, als sie wirklich erforderlich ist. Wir wollen daher, dass das Clearing im Erneuerungsverfahren wieder verpflichtend wird.
Ich weiß – Daniela, du hast es ausgeführt –, es gibt jetzt die Antragsmöglichkeit. Aber wer stellt denn tatsächlich den Antrag? Es gibt durchaus Betroffene, die niemanden haben, der ihnen so weit zur Hilfe kommt, dass der Antrag gestellt wird. Darum ist es auch wichtig, dass es im Gesetz so formuliert ist, dass es verpflichtend ist, dass es passiert. Die Erwachsenenschutzvereine – das haben wir auch schon gehört – haben auch oft nicht die Kapazität, diesen Antrag zu stellen, und dann – das hört sich jetzt böse an, wenn ich es sage – wird es einfach nicht gemacht, weil die Kapazitäten nicht vorhanden sind. Deshalb ist es uns wichtig, dass dort eine Verpflichtung dahintersteht, damit es passiert. (Beifall bei den Grünen.)
Oft wird eine Erwachsenenvertretung – lassen Sie mich das auch noch ganz kurz erklären – nicht deshalb notwendig, weil jemand etwa zu wenig kann, sondern weil die Unterstützungssysteme fehlen, etwa eine persönliche Assistenz, ein betreutes Konto oder eben soziale Dienste. Das ist Aufgabe der Bundesländer und das muss im Bundesrat auch gesagt werden: Da sind die Bundesländer dringend gefordert, die ausreichenden Ressourcen bereitzustellen.
Zur Verpflichtung von Rechtsanwält:innen und Notar:innen möchte ich auch noch erwähnen: Mit der Reform 2018 wurde die Pflicht zur Übernahme einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung bewusst abgeschafft, damit nur jene diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, die das auch wirklich wollen und können. Mit dem Budgetbegleitgesetz – jetzt sage ich es ein drittes Mal – wurde diese Pflicht wieder eingeführt.
Doch die Vertretung von Menschen mit Behinderung ist kein Routinegeschäft. Sie verlangt Zeit, sie verlangt Empathie und sie verlangt Erfahrung. Und vor allem verlangt sie den Willen, die Wünsche und die Vorstellungen der betroffenen Personen in den Mittelpunkt zu stellen. Eine unfreiwillige Übernahme kann diesem Anspruch kaum gerecht werden. Darum sagen wir auch hier: Es braucht sofort eine Rückkehr zur Regelung von 2018 und nicht erst, wie wir es jetzt gehört haben, 2028.
Ich komme auch schon zum Schluss. Das vorliegende Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil es die gröbsten Verschlechterungen des Budgetbegleitgesetzes wieder ausgleicht, aber es ist nicht der große Wurf, den wir uns im Sinne der Selbstbestimmung wünschen.
Wir Grüne wollen, dass der ursprüngliche Geist des Erwachsenenschutz-Gesetzes von 2018 wieder voll zur Geltung kommt, ein Erwachsenenschutz, der auf Teilhabe, auf Vertrauen und auf Menschenrechten basiert.
Deshalb bringen wir auch heute einen Entschließungsantrag ein, mit dem wir fordern, dass ab 1. Januar 2026 wieder jene Rechtslage gilt, die vor dem Budgetbegleitgesetz 2025 bestanden hat, also die Dreijahresfrist, das verpflichtende Clearing und die freiwillige Übernahme durch Notar:innen und Rechtsanwält:innen.
RN/32.1
Entschließungsantrag
der Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Rücknahme der Verschlechterungen im Erwachsenenschutz“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Justiz werden aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die durch das Budgetbegleitgesetz 2025 bewirkten Verschlechterungen im Erwachsenenschutzrecht wieder vollständig zurücknimmt.“
Abschließend: Wir stimmen diesem Gesetz also zu, aber wir sagen gleichzeitig, da geht noch mehr: mehr Selbstbestimmung, mehr Menschenrechte und mehr Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen; ein Erwachsenenschutz, der diesen Namen auch tatsächlich verdient. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
13.09
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/32.2
Vizepräsident Günther Ruprecht: Der von den Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger und Kolleginnen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die Rücknahme der Verschlechterungen im Erwachsenenschutz“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste in der Debatte zu Wort gemeldet hat sich unsere Bundesministerin für Justiz Dr.in Anna Sporrer. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.