RN/46

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden (414/A und 216 d.B. sowie 11702/BR d.B.

Vizepräsident Günther Ruprecht: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung. 

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. Sie ist schon am Rednerpult. – Ich bitte um deinen Bericht, Frau Bundesrätin. 

RN/47

Berichterstatterin Barbara Prügl: Danke. – Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden. 

Es geht dabei um eine Nachfolgeregelung für Familienleistungen von Ukrainevertriebenen mit entsprechenden Zusatzerfordernissen, die dem Bericht zu entnehmen sind. 

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung. 

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Frau Bundesrätin. 

Begrüßen Sie mit mir gemeinsam unsere Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt, Frau Claudia Plakolm, hier im Plenum. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Wir gehen in die Debatte ein. 

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Karacsony. – Ich erteile es dir, Herr Kollege.

RN/48

13.40

Bundesrat Thomas Karacsony (FPÖ, Burgenland): Danke, Herr Vizepräsident, für die richtige Aussprache meines Namens! Frau Minister! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Manchmal fragt man sich wirklich, was in diesem Land noch alles möglich ist, und vor allem, für wen es möglich ist. 

Heute reden wir über die Verlängerung der Familienleistungen, also Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, für ukrainische Staatsbürger, die in Österreich im Rahmen des sogenannten Vertriebenenstatus leben. Diese Regelung sollte ursprünglich befristet sein, gedacht als schnelle Hilfe in einer Ausnahmesituation. Und was passiert jetzt? Statt endlich zur Normalität zurückzukehren und zum Beispiel Friedensgespräche zu führen, wird wieder verlängert, und das ohne klare Perspektive, wie lange das noch weitergehen soll. Wir sprechen hier nicht von ein paar Einzelfällen. Laut der Unterlagen betrifft das rund 12 000 ukrainische Eltern und etwa 18 000 Kinder. Das bedeutet, Tausende Familien erhalten österreichische Familienbeihilfe – zusätzlich zur Grundversorgung, zur Mietbeihilfe und zu allen anderen Unterstützungen, die der Staat ohnehin schon bezahlt. 

Ich sage es ganz offen: Das ist für viele Menschen im Land nicht mehr nachvollziehbar, denn: Während da großzügig verlängert wird, müssen unsere eigenen Familien mit immer höheren Kosten kämpfen. Wenn die Regierung dann sagt, man könne niemanden zurücklassen, dann frage ich mich: Warum lässt man ständig die eigenen Leute zurück? (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich, es gibt jetzt eine neue Bedingung. Man muss sich beim AMS melden oder arbeiten, heißt es. Das klingt schön, aber jeder, der die Praxis kennt, weiß: Das ist keine echte Kontrolle, sondern eine Formalität. Ein kurzer AMS-Eintrag und schon fließt das Geld wieder. Das hat mit Integration nichts zu tun. Das ist eine Daueralimentierung und wird weder der Ukraine noch Österreich helfen, denn so schafft man keine Eigenverantwortung, sondern Abhängigkeit. 

Weil wir Freiheitliche nie gegen Hilfe an sich waren, möchte ich eines klarstellen: Österreich war immer ein Land, das geholfen hat. Wir haben in der Vergangenheit oft Menschen aufgenommen, die wirklich vor Krieg und Vertreibung geflohen sind. Ich erinnere nur an die Jugoslawienkrise. In meiner eigenen Nachbarschaft leben einige Familien aus Ex-Jugoslawien und sie kommen immer wieder zu mir und sagen, sie verstehen diese Unterstützung nicht. Diese Leute haben sich etwas aufgebaut, sie haben gearbeitet, sie haben sich integriert. Sie waren dankbar, sie haben Verantwortung übernommen und geben jetzt der Gesellschaft etwas zurück. 

Solange man jedem alles bezahlt, wird der Anreiz zur Integration im Keim erstickt. Heute in der Früh habe ich wieder eine Nachricht bekommen, ich solle bitte ein Dokument von einem ukrainischen Kriegsvertriebenen übersetzen. Eine Behörde hat mich gebeten, ich solle das übersetzen, und da habe ich gesehen, dass der nicht aus der Ukraine kommt; er ist Ukrainer, kommt aber nicht aus der Ukraine, sondern aus Polen zu uns. Warum? – Weil Polen diese Unterstützungen gestrichen hat. Aus Polen kommen jetzt alle zu uns. 

Wer vom System voll versorgt wird, hat wenig Motivation, selbst zu arbeiten. (Beifall bei der FPÖ.) Es gibt Ausnahmen, ja, aber Politik muss sich an der Regel und nicht an der Ausnahme orientieren. 

Genau das ist das Problem dieser Regierungspolitik: Sie verteilt fremdes Geld, also das Geld der arbeitenden Österreicher, mit vollen Händen, aber sie verliert völlig den Blick dafür, wer das alles bezahlt. Wir Freiheitliche sagen ganz klar: Sozialleistungen müssen zuerst den eigenen Bürgern zugutekommen. Das ist keine Härte, das sind Hausverstand und Fairness. Wenn das Budget kracht, wenn Familienbeihilfe, Pflegegeld und Pensionen kaum mehr nachkommen, dann kann man nicht gleichzeitig Sozialleistungen ins Ausland oder an Ausländer verlängern, die dauerhaft hier bleiben, ohne dass sie etwas beitragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja auch kein Geheimnis: Viele dieser Familien fahren regelmäßig teils über Wochen zurück in die Ukraine – auf Urlaub; um zu sehen, ob es die Wohnung eh noch gibt, ob in der Wohnung alles passt, und zum Blumengießen. Da muss man sich doch ehrlich fragen, ob der Anspruch auf Leistung aus österreichischem Steuergeld überhaupt noch gerechtfertigt ist. 

Wir stehen zur Hilfe in der Not. Hilfe ist aber etwas anderes als ein Dauerfinanzierungsmodell ohne Gegenleistung. Unser Sozialstaat ist für jene da, die hier leben, arbeiten, einzahlen und Verantwortung übernehmen. Die Regierung nennt das Solidarität. Ich nenne es Ungerechtigkeit gegenüber den eigenen Landsleuten. (Beifall bei der FPÖ.)

Darum lehnen wir Freiheitliche diese Verlängerung ab. Echte Solidarität beginnt nicht irgendwo in Europa, sie beginnt mit den eigenen Leuten, bei unserer Familie, bei unserer Heimat Österreich. (Beifall bei der FPÖ.) – Vielen Dank, oder soll ich besser sagen: Spasibo! (Beifall bei der FPÖ.)

13.46

Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bürgermeisterin Margit Göll. Ich erteile es ihr.

RN/49

13.46

Bundesrätin Margit Göll (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ja, wir beschließen heute die wichtige Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Kinderbetreuungsgeldgesetzes. Das sind zwei zentrale Gesetze, die das Fundament unserer österreichischen Familienpolitik bilden. Die heutige Änderung betrifft vor allem jene Menschen, die aufgrund des furchtbaren Krieges bei uns Zuflucht gefunden haben, denen wir Zuflucht gewährt haben. 

Österreich hat vorbildlich reagiert, schnell und entschlossen, aber vor allem auch menschlich. Wir haben Schutz gewährt, wir haben Unterkunft bereitgestellt und Familien unterstützt, die alles verloren haben. Viele Gemeinden im ganzen Land haben ukrainische Familien aufgenommen, so auch meine Gemeinde. Auch wir haben ukrainischen Familien geholfen und sie unterstützt – mit großem Einsatz, aber auch mit viel Herz. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Ich möchte das ausdrücklich anerkennen. Danke dafür! 

Kinder und Jugendliche konnten in ihren Gemeinden ein Stück Normalität erleben, weg von Krieg, weg von Angst und weg von Zerstörung. Sie gehen heute zur Schule, haben Freundschaften geschlossen, die Sprache gelernt und sich auch gut in unsere Gesellschaft integriert. Das war und ist Ausdruck unserer Solidarität und unseres Versprechens: Wir helfen den Menschen. 

Eines muss aber natürlich auch klar gesagt werden: Sozialleistungen dürfen nicht bedingungslos ausbezahlt werden. Und nein, wir verteilen das Geld nicht mit vollen Händen! Darum ändern wir auch das Gesetz, wir evaluieren es und passen es an. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].) 

Sozialleistungen müssen an eine aktive Mitwirkung, an Eigenverantwortung, aber natürlich auch an die Bereitschaft zur Integration geknüpft und angepasst sein, denn nur so können wir sicherstellen, dass unsere Unterstützung den Menschen auch gerecht, nachhaltig und zielgerichtet zugutekommt.

Genau aus diesem Grund führen wir heute die Gesetzesänderung durch. Ab 1. November 2025 wird der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer an eine unselbstständige beziehungsweise selbstständige Erwerbstätigkeit gebunden. Wenn eine Beschäftigung vorübergehend nicht möglich ist, weil etwa kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt oder die Qualifikation noch nicht anerkannt werden kann, dann genügt auch eine Vormerkung beim AMS. Das ist daran geknüpft. Somit setzen wir auch das Prinzip fördern und fordern um. 

Wer arbeitet oder aktiv Arbeit sucht, erfüllt die Voraussetzungen für den Bezug von Familienleistungen. Wir unterstützen jene, die sich um Integration bemühen und schaffen gleichzeitig faire, aber auch nachvollziehbare Regeln. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich wissen wir, dass es auch Menschen gibt, denen eine Erwerbstätigkeit objektiv nicht zumutbar oder möglich ist. Deshalb gibt es auch da klare Ausnahmen, wie zum Beispiel Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, aber auch ältere Menschen über 65 Jahren sowie Eltern, die Kinder mit einer Behinderung zu betreuen haben. Für sie bleibt der Anspruch auf Familienleistungen weiterhin bestehen. Das ist auch gut so, denn unsere Hilfe gilt auch jenen, die auf Unterstützung angewiesen sind. 

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Änderung ist kein Bruch unseres humanitären Versprechens, sie ist eine Weiterentwicklung hin zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Verantwortung, aber natürlich auch an die Integration gebunden. Wir haben vielen ukrainischen Familien in einer Zeit der größten Not geholfen. Heute helfen wir ihnen dabei, in Österreich Fuß zu fassen, sich gut zu integrieren und selbstbestimmt zu leben. Ich glaube, das ist es ja, was jeder gerne möchte, nämlich selbstbestimmt zu leben. 

Ich danke daher allen Gemeinden, allen Freiwilligen, aber auch Organisationen, die diese Hilfsbereitschaft mitgetragen haben. Größere wie auch kleinere Maßnahmen waren da notwendig. Sie haben dazu beigetragen, dass Familien und Kinder aus der Ukraine in Österreich Sicherheit, Bildung und Zukunft finden konnten. 

Mit dieser Novelle sichern wir, dass unsere sozialen Leistungen weiterhin dort ankommen, wo sie gebraucht werden, und dass sie verantwortungsvoll eingesetzt werden. Ich ersuche daher um Ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

13.52

Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. – Herr Kollege, ich erteile es dir.

RN/50

13.52

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Liebe Freunde hier und zu Hause! Grüß Gott! Ich möchte mich heute auf die SOS-Kinderdörfer beziehen, hinsichtlich derer es furchtbare Vorwürfe gibt. Es ist ja so, dass die Idee von Herrn Gmeiner schon hervorragend war, denn man wollte keine normalen Heime machen, sondern die Heime sollten Familien darstellen. Man wollte also eine Familie simulieren, weil man eben – Gott sei Dank! – immer noch die Idee hat, dass die Familie genau der Platz ist, wo ein Kind hingehört. 

Es ist natürlich besonders tragisch, dass gerade in diesen Familien furchtbare Dinge vorgekommen sind und dass nun auch Gmeiner selber – wie man heute in der Presse hat lesen können – unter Verdacht geraten ist. 

Da stellt sich schon die Frage, wie schlecht eigentlich die Eltern gewesen sein sollen, dass es bei ihnen nicht doch immer noch besser ist als in einem Heim. Und: Warum hilft man den Familien nicht vor Ort, sodass die Kinder zu Hause bleiben können? Das wäre ganz sicher die bessere Methode. 

Warum mich das selber so berührt: Ich war mit meinem Kollegen Andreas Spanring - - 

RN/51

Ruf zur Sache

Vizepräsident Günther Ruprecht: Herr Kollege, Sie debattieren hier zum SOS-Kinderdorf, ich erteile Ihnen einen Ruf zur Sache. 

RN/52

Bundesrat Klemens Kofler (fortsetzend): Wenn man im Kinderrechteausschuss ist, dann ist das immer zur Sache. 

Ich möchte auf alle Fälle schon noch erzählen, dass Bundesrat Andreas Spanring, der ja angeblich so böse ist, und ich mit der Mutter, deren Kinder abgeholt worden sind, ein Gespräch geführt haben, und auch er ist nahezu in die Knie gegangen. Da sieht man einmal, wie tragisch das ist. (Zwischenruf des Bundesrates Wanner [SPÖ/Sbg.].)

Man sollte eben unbedingt schauen, dass Kinder bei ihren Familien bleiben und nicht entnommen werden. Das muss die erste Lösung sein. (Bundesrat Reisinger [SPÖ/OÖ]: Falscher TOP!) – Ich bin Bundesrat und ich rede wie ich will. – Danke. Und damit bin ich auch schon fertig. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Reisinger [SPÖ/OÖ]: Das macht’s leider nicht besser!) 

13.54

Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr. 

RN/53

13.54

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Kollege Kofler, das war zu TOP 18, da debattieren wir unseren Antrag zu den SOS-Kinderdörfern und zum Kinderschutz; also das war jetzt zu früh. 

Ich möchte Ihnen erzählen, dass ich diesen Sommer im August eine Gruppe ukrainischer Frauen und Kinder – direkt aus dem Kriegsgebiet – hier durchs Parlament führen durfte. Die waren hier unter dem Motto: Ferien vom Krieg. – Das klingt fast ein bisschen zynisch, aber es waren für sie Ferien vom Krieg, sie durften einige Tage in Österreich verbringen. Ich habe noch in Erinnerung, wie wir in der Säulenhalle gestanden sind und diese Frauen und Kinder davon erzählt haben, dass bei den einen die Väter bereits durch den Krieg verstorben waren, also Opfer dieses Krieges waren, und bei den anderen die Väter zu dem Zeitpunkt gerade an der Front waren. Kollege Karacsony, Sie würden den Mut, diesen Menschen, die solch eine Not leiden, ins Gesicht zu sagen: Kehren wir zurück zur Normalität!, während in der Ukraine ein Krieg tobt und wir jeden Morgen Nachrichten von Drohnenangriffen, von Bombenangriffen in der Ukraine lesen, nicht aufbringen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Und mit dem Finger auf Polen zu zeigen, das ein Vielfaches an vertriebenen Menschen aufgenommen hat und seit Jahren versorgt, finde ich einigermaßen frech. Zusätzlich möchte ich noch erinnern: Wenn 1945 beispielsweise die USA in Ihrer Art und mit Ihrem Wortlaut uns die Hilfe versagt hätten und unseren Vorfahren nicht dabei geholfen hätten, dieses Land wieder aufzubauen, wären deren und unsere Biografien ganz anders verlaufen. Das möchte ich hier auch festhalten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Zurück zum Tagesordnungspunkt beziehungsweise zu unserer Novelle: Wir müssen die Versorgung der Vertriebenen aus der Ukraine hier neuerlich verlängern und beschließen, weil eben –und das ist traurige Tatsache – nach wie vor dieser Angriffskrieg auf die Ukraine tobt. Es sterben täglich Menschen und leider – das macht mir persönlich große Sorgen – ist deshalb mittlerweile auch ein neues Wettrüsten entstanden, und wir hatten vor wenigen Jahren noch über Abrüstung gesprochen. Die Situation hat sich leider geändert, was wirklich bedenklich ist. 

Viele von uns kennen Familien von diesen 12 000 Elternteilen mit ihren 18 000 Kindern, die vertrieben wurden. Kollegin Göll hat Familien in ihrer Gemeinde, Kollege Reisinger hat Familien in seiner Gemeinde, und sie wissen, diese Menschen sind bereit, sich zu integrieren und nehmen hier am gesellschaftlichen Leben teil. Sie können nicht zurück, weil sie möglicherweise kein Zuhause mehr haben oder weil die Situation dort im Kriegsgebiet zu gefährlich für Frauen mit Kindern ist.

Diese Menschen haben Anspruch auf Familienleistungen, sprich Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, und wir als SPÖ würden uns wünschen, dass wir nicht alle paar Monate diese Verlängerung der Leistung beschließen müssten. Man könnte das beispielsweise auch an den Vertriebenenstatus koppeln und würde sich damit einiges an Bürokratie, aber auch an Unsicherheit ersparen. Das wäre aus unserer Sicht fast der bessere Weg, weil zu befürchten ist, dass sich die Situation auf absehbare Zeit nicht entspannt. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Die Hauptsache ist natürlich, dass diese Menschen eine Lebensgrundlage, eine Existenzsicherung bekommen. Da frage ich mich auch, Kollege Karacsony, was die Alternative ist. Ihnen diese Lebensgrundlage zu entziehen? Und dann? Ich frage mich immer, was dann mit diesen Familien ist, wo sie hin sollen oder womit sie überleben sollen. 

Wir haben eine Neuerung dazugepackt, ein sogenanntes Zusatzerfordernis, weil auch Sie bekrittelt haben, dass keine Leistung, keine Integrationsleistung erbracht werden muss. Genau das passiert jetzt. Es gibt dieses Zusatzerfordernis, dass die Menschen entweder einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich dem AMS quasi als zur Verfügung stehend melden müssen. Das müssen diese Personen mit einem neuen Antrag ab November machen. Es gibt diese Ausnahmen – die wurden schon beschrieben. Wenn dies aus familiären Gründen, aus Erziehungs- oder Betreuungsgründen nicht möglich ist, dann gibt es selbstverständlich eine Ausnahme. 

Wie gesagt, diese Integrationsleistung ist auch ein Stück weit sinnvoll. Diese Personen sind schon viele Monate hier und bleiben möglicherweise auch noch einige Monate. Das ist im Sinne der Selbstwirksamkeit, des Selbsterhalts, der Integration in diese Gesellschaft unterstützenswert. Das wird heute mit dieser Neuerung beschlossen.

Dennoch: Diese Menschen gehören abgesichert und gut integriert. Nichtsdestotrotz möchten wir der Ukraine und allen Menschen, die dort leben, einen baldigen Frieden wünschen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätinnen Kittl [Grüne/W] und Deutsch [NEOS/W].)

14.01 

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile es ihr.

RN/54

14.01

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Ich hätte fast – das habe ich schon im Kopf gehabt – werte Frau Staatssekretärin gesagt; an das muss ich mich erst ein bisschen gewöhnen. (Bundesministerin Plakolm – erheitert –: Same here!) Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! 1 338: So viele Tage wütet bereits der Krieg in der Ukraine. Zum Vergleich: 2 077 Tage hat der Zweite Weltkrieg gedauert, also da ist jetzt nicht mehr so wahnsinnig viel Unterschied. 

Das sind 1 338 Tage Terror, Tod, Vertreibung, Verzweiflung. Das, finde ich, ist wirklich Grund genug für Familien, für Frauen mit Kindern, ihre Heimat, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen, teilweise ihre Männer, ihre Söhne im Krieg zurückzulassen. Kollegin Daniela Gruber-Pruner hat schon ganz viel dazu gesagt, was da unsere Verantwortung ist: diese Menschen aufzunehmen, ihnen Sicherheit zu geben, sie zu unterstützen. Bei all dem Leid, das die Zurückgebliebenen zu Hause in der Ukraine erleiden: Das ist wirklich unsere Verantwortung.

Ich kann mich erinnern, vor knapp zweieinhalb Jahren habe ich schon genau zu demselben Tagesordnungspunkt hier gesprochen. Das war damals schon eine sehr emotionale Sache für mich. Es war eine meiner ersten Reden im Bundesrat. Ich kann mich an die Geschichte erinnern, die ich damals erzählt habe, von dem circa achtjährigen Mädchen, das ich beim Bahnhof sitzen gesehen habe, mit dem Transportkorb mit ihrer Katze drinnen und mit diesem eingepackten Gymnastikreifen. Das hat mich so bewegt, weil meine Tochter früher auch rhythmische Sportgymnastik gemacht hat, und ich habe mir gedacht: Das ist so sinnbildlich dafür, was dieser Krieg verursacht, wie er in die Leben, in den Alltag von Menschen, von Kindern einschneidet, reinhackt – erbarmungslos.

Ich kann mich auch erinnern, dass ich mir damals gedacht habe: Die zeitliche Beschränkung dieser Familienleistungen, deren Verlängerung wir heute wieder beschließen, ist ganz vernünftig, weil der Krieg ja nicht mehr so lange andauern kann. Jetzt stehe ich hier, fast zweieinhalb Jahre später, und der Krieg dauert immer noch an, und ein Ende ist aus derzeitiger Sicht nicht in Reichweite, nicht in Sicht.

Wie gesagt, wir beschließen hier noch einmal die Verlängerung der Familienleistungen, die ein wirklich wichtiger Baustein für die soziale Absicherung von Vertriebenen sind, nämlich der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes. Wir finden auch das Zusatzerfordernis, das jetzt eingeführt wurde, dass diese Menschen die Voraussetzung erfüllen müssen, erwerbstätig zu sein, selbstständig oder unselbstständig, oder sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müssen, vernünftig; dem stimmen wir zu.

Es gibt auch die Ausnahmen – das haben wir schon gehört –: unter 18-Jährige, über 65-Jährige und Personen, die Betreuungspflichten gegenüber erheblich behinderten Kindern haben. Es gibt auch noch die vierte Ausnahme mit den besonders berücksichtigungswürdigen Situationen für die Nichtmeldung beim AMS. Genau diese vierte Ausnahme ist zu uns vage. Uns fallen da mindestens zwei Personengruppen ein, die wir einfach, um Unklarheiten vorzubeugen, dezidiert würden anführen wollen. Das sind Studierende, die es auch gibt, und Personen, die in EU-Mitgliedstaaten arbeiten.

Eine zweite Sache, die wir ein bisschen anders sehen: Die Datenschnittstelle zwischen AMS und dem Bundesministerium für Finanzen für einige wenige Hundert Fälle finden wir eigentlich unverhältnismäßig. Aus diesem Grund bringen wir folgenden Antrag ein:

RN/54.1

Entschließungsantrag 

der Bundesrätinnen Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung der Ausnahmetatbestände für ukrainische Bezieher:innen von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie werden aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der Personen, die aus der Ukraine vertrieben wurden, auch dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für ihre Kinder gewährt, wenn sie aufgrund eines Studiums oder einer Beschäftigung in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt sind. Darüber hinaus ist die in der vorliegenden Novelle neu geschaffene automatisierte Datenübermittlung zwischen dem Dachverband und dem Finanzamt Österreich wieder zu streichen.“


Ein weiterer Baustein für die soziale Absicherung ist die Krankenversicherung, die Wiederaufnahme ukrainischer Vertriebener in die Krankenversicherung. Sozialministerium Schumann hat am 6. März dieses Jahres eine Verlängerung der Krankenversicherung für Ukrainevertriebene bis 31. Oktober angekündigt. Sie hat es dann auf 31. Mai verkürzt. Bemühungen für eine weitere Verlängerung sind uns nicht bekannt. 

Derweil ist es so, dass viele Ukrainevertriebene teilweise Leistungen erhalten, zum Beispiel ukrainische Pensionen, und daher für die Grundsicherung nicht bedürftig genug sind, das Einkommen eigentlich aber zu wenig ist, um sich eine Selbstversicherung leisten zu können – weil sie sich eben jetzt um eine Selbstversicherung kümmern müssen. Es können aber auch bei der Selbstversicherung, wenn es die gibt, Lücken entstehen. Aus diesem Grund bringen wir einen zweiten Entschließungsantrag ein:

RN/54.2

Entschließungsantrag 

der Bundesrätinnen Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiederaufnahme der ukrainischen Kriegsvertriebenen in die Krankenversicherung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsument:innenschutz wird aufgefordert, dem Hauptausschuss des Nationalrates eine Verordnung nach § 9 ASVG vorzulegen, die aus der Ukraine geflüchteten Personen wieder einen schnellen, unkomplizierten und vor allem lückenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglicht, zumindest aber Härtefälle abfedert.


Zum Schluss möchte ich noch mein Wort an Kollegen Karacsony richten. Bei so einem Tagesordnungspunkt, bei dem es um das Leid von Menschen geht, die aus einem Land vertrieben wurden, das von Russland angegriffen wurde, als Abschieds- oder als Dankesformel das russische Wort für Danke zu verwenden: Das ist unerhört, das ist wirklich unerhört. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Kittl [Grüne/W]. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ] – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz in Richtung FPÖ –: Das ist nicht okay!)

14.09

Der Gesamtwortlaut der Anträge ist unter folgenden Links abrufbar:

RN/54.3

TOP5 Unselbständiger Entschließungsantrag: Ausweitung der Ausnahmetatbestände für ukrainische Bezieher:innen von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld von Simone Jagl

RN/54.4

TOP5 Unselbständiger Entschließungsantrag: Wiederaufnahme der ukrainischen Kriegsvertriebenen in die Krankenversicherung von Simone Jagl

Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ausweitung der Ausnahmetatbestände für ukrainische Bezieher:innen von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld“ ist genügend unterstützt und steht damit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wiederaufnahme der ukrainischen Kriegsvertriebenen in die Krankenversicherung“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr. Julia Deutsch. Ich erteile es ihr.

RN/55

14.10

Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch (NEOS, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen hier im Saal – herzlich willkommen – und natürlich auch via Livestream! Seit mehr als drei Jahren leben nun Zehntausende Menschen aus der Ukraine in Österreich – Frauen, Kinder, ältere Menschen –, und die machen das nicht, weil es so lustig und so schön ist hier in Österreich, sondern die machen das, weil sie vor dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine fliehen mussten. Wir hätten diese Situation heute nicht, wäre damals vor über drei Jahren Putin nicht in die Ukraine einmarschiert.

Jetzt aber sind sie hier, weil sie Schutz suchen, und sie haben ihn bei uns gefunden, nicht zuletzt dank eines geeinten Europas, das damals schnell und auch entschlossen gehandelt hat. Die Europäische Union hat mittlerweile mit der Massenzustrom-Richtlinie auch ein starkes Zeichen gesetzt. Schutzsuchende aus der Ukraine sollen in ganz Europa arbeiten, lernen und ihre Kinder versorgen können. Das ist kein Akt der Gnade, sondern das ist einfach europäische Verantwortung und am Ende des Tages nichts anderes als Menschlichkeit.

Mit der heutigen Novelle sorgen wir dafür, dass dieser Anspruch in Österreich auch weiter besteht. Die Lage in der Ukraine – wenn wir sie uns ansehen, erkennen wir das – erlaubt alles andere als eine sichere Rückkehr; die Lage ist weiterhin eine Kriegssituation. Gleichzeitig führen wir ab November aber eine neue Bedingung ein – das haben die Vorrednerinnen und Vorredner auch schon teilweise erläutert –: Anspruch auf die Familienleistungen haben künftig jene, die arbeiten oder beim AMS vorgemerkt sind. Damit fördern wir die Integration in den Arbeitsmarkt und stellen sicher, dass diese Unterstützung auch diejenigen erreicht, die Verantwortung für sich und ihre Familien hier bei uns in Österreich übernehmen.

Natürlich gibt es aber auch Ausnahmen – das möchte ich schon auch betonen – für Minderjährige, für ältere Menschen, für Eltern mit behinderten Kindern oder für Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen, denn Menschlichkeit muss schon auch Hand in Hand mit dem Hausverstand gehen. Darauf ist bei dieser Novelle Rücksicht genommen worden.

Derzeit erhalten rund 12 000 ukrainische Eltern Familienbeihilfe für rund 18 000 Kinder. Viele von ihnen sind seit einigen Jahren hier und längst berufstätig. Das heißt, sie zahlen Steuern, sie zahlen in unser System ein, und sie tragen unser System ja schon längst mit. Das heißt, es geht nicht um ein Privileg, sondern es geht darum, dass diese Menschen Teil eines Systems geworden sind – unseres Systems –, und das beruht nun einmal auf Verantwortung und auf Gegenseitigkeit. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.– Danke.

Deswegen möchte ich schon ganz klar sagen: Diese Verlängerung der Regelung bezüglich der Familienbeihilfe für die Vertriebenen aus der Ukraine ist ja keine Bonuszahlung aus Jux und Tollerei, sondern sie ist auch ein Versprechen: ein Versprechen, dass Europa seine Werte lebt. Das ist Schutz, und das ist Verantwortung füreinander. Es geht nicht darum, jemanden zu bevorzugen, sondern es geht darum, niemanden fallen zu lassen, der in einem – und das muss ich schon auch sagen – unserer dunkelsten Kapitel in diesem Jahrzehnt, wenn nicht sogar weit darüber hinaus, Schutz gesucht hat.

Ja, wir müssen den Weg der Integration natürlich konsequent weitergehen, aber dazu gehört auch, Chancen zu eröffnen und nicht Tore zu verschließen. Ich bin froh, dass wir heute zeigen, dass Österreich ein Land bleibt, das Verantwortung übernimmt und Menschlichkeit auch lebt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.14

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Ich erteile es ihr.

RN/56

14.14

Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Ukrainerinnen und Ukrainer bekommen seit Beginn des grausamen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine Schutz und Unterstützung in Österreich. Das steht für uns außer Frage; es ist für uns in Österreich selbstverständlich, dass wir auf unserem Kontinent auch weiterhin helfen, und dazu bekennen wir uns auch in Zukunft. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Gleichzeitig aber ist heute mehr denn je auch klar, dass Österreich sparen muss. Das merken wir alle, und das trifft auch alle Bereiche. Insofern müssen wir insbesondere bei Sozial- und Familienleistungen gezielter vorgehen: Wer braucht Unterstützungsleistungen wirklich und wer nicht? – Deswegen haben wir uns nach langen und intensiven Verhandlungen auf eine Nachfolgeregelung für den Bezug von Familienleistungen – also den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes – für Ukrainerinnen und Ukrainer geeinigt. Der Anspruch von Ukrainevertriebenen auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld läuft in der geltenden Fassung bis 31. Oktober 2025, und ja, es braucht leider, weil der Krieg anhaltend ist und damit auch der Status als Vertriebene, wie es auch damals – weil das zu Beginn der Debatte gefallen ist – bei den Vertriebenen aus Ex-Jugoslawien in Österreich der Fall war, diese Verlängerung, weil dieser grausame Krieg leider kein Ende findet.

Wir haben uns auf eine Nachfolgeregelung ab 1. November verständigt, bei der Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich berufstätig sein oder sich beim AMS melden müssen, um auch künftig diese Leistungen zu beziehen. Es sind selbstverständlich gewisse Ausnahmen vorgesehen, beispielsweise wenn es sich um schwerbehinderte Kinder handelt, für die auch eine erhöhte Familienbeihilfe – wie bei allen Familien in Österreich, das möchte ich auch dazusagen – bezogen wird.

Wir müssen bei Familien- und Sozialleistungen gezielter vorgehen: Wer braucht welche Unterstützung wirklich, und von wem dürfen wir auch verlangen, einen Beitrag zu unserem Zusammenleben zu leisten? – Für Vertriebene aus der Ukraine bedeutet das, dass es in Zukunft Familienleistungen nur dann gibt, wenn sie auch arbeiten beziehungsweise dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Familienbeihilfe wird an Vertriebene – und das trifft wie gesagt nur Menschen aus der Ukraine – zusätzlich zur Grundversorgung ausbezahlt. Die Grundversorgung steht weiterhin allen Vertriebenen offen.

Was Vertriebenen aber auch offensteht – und das ist der Unterschied zu Asylwerbern –, ist, dass sie ab Tag eins Teil des Arbeitsmarktes sind und damit auch einen Job annehmen können. Mir ist das insbesondere aus zwei Gründen wichtig. Als Integrationsministerin betone ich ja immer, dass es darum geht, dass Menschen, die in Österreich eine Zukunft haben wollen, Teil unserer Gesellschaft werden müssen. Sie müssen unsere Sprache lernen, sie müssen arbeiten gehen und sich und ihre Familien selbst versorgen, und sie müssen unsere Regeln und Werte einhalten. (Beifall bei der ÖVP.) Auf diesen drei Säulen basiert gelungene Integration.

Der zweite Grund, warum es mir wichtig ist, da auch auf den Arbeitsmarkt zu verweisen, ist, dass wir natürlich ein sehr attraktives Land sind, weil wir Gott sei Dank einen sehr großzügigen Sozialstaat haben, aber in Zeiten, in denen wir sparen müssen, müssen wir mehr denn je auch darauf schauen, ob wir noch treffsicher sind, und da dürfen zu hohe Sozialleistungen nicht im Weg stehen, sich um Selbstversorgung zu bemühen.

Wie eingangs schon gesagt: Vertriebene aus der Ukraine bekommen seit Beginn des Angriffskrieges Hilfe und Unterstützung in unserem Land. Das steht weiterhin außer Frage; wir als Bundesregierung bekennen uns dazu auch weiterhin. Gleichzeitig ist wie gesagt mehr denn je klar, dass wir in allen Bereichen sparen müssen. Aus diesem Grund ist diese neue Regelung, auf die wir uns verständigt haben, eine gute Regelung, weil sie eben den Anreiz schafft, einer Beschäftigung nachzugehen und auch vom Arbeitsmarktservice engmaschig in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, damit Menschen auch einen Beitrag leisten können und damit Familien eine gesicherte Zukunft in Österreich haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

14.18

Vizepräsident Michael Wanner: Danke, Frau Ministerin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte.

RN/57

14.18

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer und Zuseher zu Hause! Ein paar Worte zu den Redebeiträgen der FPÖ: Ich muss schon sagen, ich bin da sehr enttäuscht. Zum einen wurde das Thema komplett verfehlt, Herr Kollege Kofler (Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ]), und zum Zweiten: Ich glaube einfach nicht, dass ihr menschlich so seid, wie ihr euch da gebt. Ich sage immer, wenn man Hilfe anbietet und Hilfe leistet – das ist im Kleinen so wie im Großen –, bekommt man in den allermeisten Fällen etwas zurück. Das ist so.

Ich denke auch – man sollte da vielleicht nicht spekulieren –, die Wirtschaft wartet schon auf den Wiederaufbau, um Aufträge zu bekommen. Schade, dass der Krieg der Auslöser dafür ist, aber wir werden sehen: Wenn wir nicht gemeinsam schauen, dass wir zusammenhelfen und unseren Bereich abdecken, dann, glaube ich, ist das einfach nicht richtig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].)

Das Jahr 2025 ist ja wirklich ein ganz besonderes Jahr der Jubiläen. Der Zweite Weltkrieg ist 1945 zu Ende gegangen. 80 Jahre Frieden sind nicht selbstverständlich. Der Spruch des damaligen Außenministers Leopold Figl, „Österreich ist frei!“, hat sich am 15. Mai zum 70. Mal gejährt, und den Beschluss der immerwährenden Neutralität feiern wir nächste Woche, am 26. Oktober, zum 70. Mal.

Man sagt, durch die Neutralität fühlen wir uns in Sicherheit, und es muss sich wirklich niemand sorgen, dass unsere Männer, unsere jungen Männer, in kriegerische Auseinandersetzungen, in einen Krieg ziehen müssen. Das hat auch unsere Verteidigungsministerin Klaudia Tanner am Sonntag in der „Pressestunde“ ganz klar zum Ausdruck gebracht. Aber geschätzte Damen und Herren, wir haben trotz Neutralität moralische und humanitäre Verpflichtungen. Dieser grausame Angriffskrieg durch den russischen Präsidenten Putin zeigt uns, wie schrecklich und brutal die Auswirkungen für Familien mit ihren Kindern, für die Soldaten und auch für die älteren Menschen in der Ukraine sind. Die täglichen Bilder zeigen es uns.

Eines noch: Der nächste russische Winter kommt auch bestimmt. Wir wünschen uns so sehr, dass der Krieg endet, eigentlich spürt man eine gewisse, ich sage einmal, Hilfslosigkeit. Wir müssen zusehen, wie die Kämpfe weitergeführt werden und kein Ende in Sicht ist. Was können wir tun? – Ja, Österreich ist bekannt für humanitäre Hilfsbereitschaft, und deshalb bekommen die Menschen, die vor diesem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, zu Recht Hilfe und Unterstützung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalitionsparteien haben viele Gespräche geführt. Es war aufgrund der finanziellen Situation, die wir haben – die Frau Ministerin hat es schon erwähnt –, nicht einfach, aber ich bin wirklich froh darüber, dass ein guter Kompromiss gefunden wurde und damit eine Nachfolgeregelung mit 1. November in Kraft treten kann. Ein besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt: Wem stehen Hilfe und Unterstützung zu, der Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes? Diesbezüglich braucht es klare Regeln, dazu stehen wir, und diese wurden auch geschaffen.

Eines steht auch außer Frage – es wurde auch schon gesagt –: Es ist nur gerecht, wenn Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns Schutz und Hilfe suchen und auch bekommen, aber es müssen doch gewisse Anforderungen erfüllt werden: Sich gesellschaftlich zu integrieren, sich Arbeit zu suchen und arbeiten zu wollen, sich verpflichtend beim AMS zu melden, unsere Sprache zu lernen und unsere Werte zu akzeptieren – das sind die Punkte, die selbstverständlich sein sollten, damit ein Antrag auf Unterstützung positiv erledigt werden kann.

Diese erwähnten Punkte, die erfüllt werden müssen, sind aus meiner Sicht keine Schikane und sollen nicht Grund dafür sein, dass wir uns Geld sparen. Es ist einfach so wichtig, dass Menschen eine sinnvolle Betätigung und Beschäftigung haben, dass die Betroffenen einen geregelten Tagesablauf haben, dass sie Menschen, sprich Arbeitskollegen und -kolleginnen, kennenlernen, dadurch Kontakt haben und auch schneller die Sprache erlernen können.

Es gibt immer wieder Situationen, in denen Ausnahmen notwendig sind, auch dafür ist vorgesorgt – das ist auch schon erwähnt worden –: zum Beispiel, wenn eine Körperbehinderung vorliegt, bei Personen über 65 Jahren oder Personen, die jünger als 18 Jahre sind.

Ich bedanke mich bei der Bundesregierung, dass ein Nachfolgeprojekt zustande gekommen ist. Es war schwierig, aber wie sagt man? – Wenn keiner der Verhandlungsteilnehmer ganz zufrieden ist, dann ist es ein guter Kompromiss. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Dieses Hilfsprojekt läuft bis Ende Juni 2026. Die Hoffnung lebt, dass der Krieg bald zu Ende ist, dass wir die Frist nicht noch einmal verlängern müssen. – In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

14.25

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Verena Schweiger, BA MA. Ich erteile es ihr.

RN/58

14.25

Bundesrätin Verena Schweiger, BA MA MA (SPÖ, Wien): Vielen Dank, sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir stehen heute wieder hier, um Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für Vertriebene aus der Ukraine zu verlängern, und ja, es ist traurig und erschütternd, dass wir das tun müssen; traurig, weil der Krieg noch immer wütet, traurig, weil Familien nach wie vor aus ihrer Heimat vertrieben werden, traurig, weil Kinder nicht die Kindheit erleben dürfen, die sie verdienen.

Ich möchte nur kurz auf die Aussagen des Kollegen von der FPÖ eingehen: Ja, Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir auch nichts sehnlicher als Normalität, aber Normalität kann erst dann zurückkehren, wenn der Krieg vorbei ist, und nicht, wenn wir so tun, als gäbe es ihn nicht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].) 

Für uns bedeutet Normalität vielleicht Alltag und Sicherheit, für viele ukrainische Familien bedeutet Normalität aber Luftalarm, Flucht und Verlust.

Ein Zweites noch: Sie sagen, dass ukrainische Familien auf Urlaub fahren und Blumen gießen! Wenn jemand ernsthaft behauptet, Menschen würden in ein Kriegsgebiet auf Urlaub fahren oder zum Blumengießen hinfahren, dann zeigt das eigentlich nur, wie weit man von der Realität entfernt ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) 

Ich kann Ihnen eines sagen: Niemand fährt in ein Land, in dem Raketen auf Wohnhäuser fallen, um dort die Blumen zu gießen. Diese Familien fahren, weil sie nachsehen müssen, ob ihr Zuhause noch steht, oder weil sie hoffen, ein paar Fotos oder Dokumente zu finden, ein paar Erinnerungsstücke zu retten, und nicht, weil sie sich erholen müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].) Wer das nicht versteht, hat, glaube ich, jedes Maß an Mitgefühl verloren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Ich glaube, gerade deshalb ist es unser Auftrag, Verantwortung zu übernehmen. Wir dürfen nicht wegsehen oder schweigen. Es ist unsere Pflicht gegenüber Geflüchteten und Vertriebenen, Vorurteile und Missstände abzubauen. Diese Menschen haben nichts falsch gemacht. Sie haben ihre Häuser, ihre Freunde und ihr gewohntes Leben verloren, und die Verlängerung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld ist viel mehr als eine finanzielle Unterstützung. Sie ist ein Zeichen unserer Solidarität und sie zeigt den Familien: Ihr seid nicht allein! Eure Kinder sollen in Sicherheit aufwachsen können, und ihr sollt auch Hoffnung spüren! – Und das ist unsere menschliche Verantwortung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrät:innen Jagl [Grüne/NÖ] und Deutsch [NEOS/W].)

Zur Unterstützung gehört aber auch die Integration in der Arbeitsmarkt, und wer arbeiten kann und möchte, der soll auch die Chance dazu bekommen. Wir wollen Perspektiven schaffen, wir wollen Eigenständigkeit fördern und die Menschen ganz einfach in unsere Gesellschaft einbinden. Das ist nicht nur fair, das ist klug und das ist nachhaltig, denn Integration bedeutet mehr als nur Hilfe. Sie bedeutet Teilhabe, sie bedeutet Anerkennung, aber sie bedeutet auch Zukunft. Wir dürfen nicht zulassen, dass politische Diskussionen oder bürokratische Hindernisse über die Bedürfnisse von Kindern und Familien gestellt werden. Es geht hier nicht um Paragrafen, es geht um Menschenleben, es geht um Sicherheit, es geht um Chancen und es geht auch um Würde.

Meine Damen und Herren, wir sind heute gefordert, ein starkes Signal zu setzen! Wir stehen zu den Menschen, die vom Krieg betroffen sind. Wir stehen zu den Kindern, die Schutz, die Bildung und die Sicherheit brauchen, und wir stehen zu einer Gesellschaft, die Solidarität nicht nur verspricht, sondern die sie täglich lebt. Lassen Sie uns diese Verlängerung nicht nur beschließen, lassen Sie uns damit klar zeigen, wer wir als Gesellschaft sein wollen! – Eine Gesellschaft, die Verantwortung übernimmt, eine Gesellschaft, die Mitgefühl zeigt, eine Gesellschaft, die niemanden im Stich lässt, der auf Hilfe angewiesen ist. Ich bitte Sie, unterstützen Sie diese Verlängerung mit Überzeugung, mit Herz und mit Verantwortung – für die Familien, für die Kinder, für die Menschen, die heute nicht in Sicherheit leben können! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

14.29

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. 

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

RN/59

Abstimmung

Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. 

RN/59.1

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

RN/59.2

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen zur Fassung einer Entschließung betreffend „Ausweitung der Ausnahmetatbestände für ukrainische Bezieher:innen von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit diesem Entschließungsantrag einverstanden sind und zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

RN/59.3

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Wiederaufnahme der ukrainischen Kriegsvertriebenen in die Krankenversicherung“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit und damit ist der Antrag abgelehnt.