RN/85

15.54

Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir befassen uns heute mit einer Regierungsvorlage, die einen wichtigen und richtigen sozialpolitischen Fortschritt darstellt. Es geht um Menschen, es geht um faire Arbeit und es geht vor allem um Respekt vor Leistung. 

In dieser Situation stehe ich heute nicht nur als Bundesrat hier, sondern auch als überzeugter Gewerkschafter, der die Bedeutung von Kollektivverträgen ganz genau kennt – zum Glück sind 98 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer damit abgesichert –, aber auch als jemand, der viel unterwegs ist, der mit den Kolleginnen und Kollegen spricht, Tag für Tag, oft mit Kolleginnen und Kollegen mit schwierigen Bedingungen in unterschiedlichen Bereichen, Menschen, die alles geben, aber oft viel zu wenig bekommen. 

Ich möchte gleich das ansprechen, was viele von uns in den letzten Monaten massiv beschäftigt hat: Wir haben erlebt, wie Hunderten Fahrradbotinnen und Fahrradboten – oft junge Menschen, oft Studierende, die in diese freien Dienstverträge gedrängt wurden – von heute auf morgen der Boden unter den Füßen weggezogen worden ist. Da hieß es, der Markt regelt das. Es war ein Reflex auf die damalige Situation der Mitbewerber. Wenn man diese Ansage – der Markt regelt es – hört, dann kann man nur sagen, der Markt regelt es auf dem Rücken jener, die keine starke Stimme haben. Er regelt mit Kündigungs-E-Mails statt mit Respekt, und er regelt mit Härte statt mit Verantwortung. Ich sage an diesem Punkt ganz offen: Das geht mir persönlich unter die Haut. Das war keine abstrakte Situation, sondern da standen echte Schicksale und echte Menschen dahinter. Genau deswegen sitzen wir heute hier weil wir nicht zulassen wollen, dass der Markt allein über Würde und Sicherheit entscheidet. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) 

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, jetzt schaffen wir Lösungen partnerschaftlich, aber auch konsequent. Mit dieser Novelle legen wir den Rahmen fest, wir öffnen den Weg für Kollektivverträge für freie Dienstnehmer:innen. Die Kollektivvertragsparteien – also Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften – können nun auch freie Dienstverträge einbeziehen oder eigene gestalten. Daher soll der Geltungsbereich des ArbVG auf freie Dienstverhältnisse nach § 4 Abs. 4 ASVG in Bezug auf den Abschluss von Kollektivverträgen ausgedehnt werden. 

Zugleich schaffen wir wichtige Regelungen und klare Kündigungsregeln: vier Wochen Kündigungsfrist, ab dem zweiten Dienstjahr sechs Wochen, kündbar jeweils zum 15. oder Monatsletzten und mit einem Monat Probezeit. Wir setzen damit Folgendes um: Rechtssicherheit statt Willkür, soziale Absicherung statt ständiger Unsicherheit, Planbarkeit statt Abhängigkeit vom Wohlwollen einzelner Plattformbetreiber. Wir wollen keinen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Arbeit schaffen, sondern wir stehen für eine faire Balance, deshalb handeln wir partnerschaftlich, aber wie gesagt auch konsequent. Partnerschaftlich deshalb, weil wir die Arbeitgeber mitnehmen wollen, da wir wissen, dass nachhaltige Lösungen nur im Dialog entstehen – wir sehen das in Österreich am Erfolg der Sozialpartnerschaft –, konsequent aber auch, weil wir wissen, dass ohne Regeln die Schwächsten immer die Rechnung zahlen. 

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diese Novelle ist mit Sicherheit kein Endpunkt, sondern erst der Beginn. Wir haben gesehen, was passiert, wenn man nichts tut. Jetzt zeigen wir, was passiert, wenn Politik Verantwortung übernimmt, deshalb appelliere ich an alle hier im Haus: Unterstützen Sie diesen Schritt, unterstützen Sie faire Arbeitsbedingungen für alle, die unsere Gesellschaft tragen, denn nur so bleibt Österreich ein Land, in dem Arbeit nicht arm macht, sondern unsere Zukunft sichert! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.59

Präsident Peter Samt: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnung. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.