RN/88

16.18

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Alexander Pröll, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Am 15. Mai 2025 beging die Republik den 70. Jahrestag der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags. Bundeskanzler Christian Stocker hielt damals in seiner Rede fest, dass die im Herbst 1955 beschlossene immerwährende Neutralität längst zu einem unverzichtbaren Bestandteil des österreichischen Selbstverständnisses geworden ist. „Denn: Neutralität“ bedeutet niemals „Gleichgültigkeit. Niemals gleichgültig gegenüber Unrecht“ und niemals gleichgültig „gegenüber Angriffen auf die Freiheit anderer. Damals wie heute gilt: Die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren ist unsere Maxime.“ (Beifall bei der ÖVP.) 

Zur Neutralitäts- und Sicherheitspolitik: Die Bundesregierung bekennt sich zur Neutralität im Einklang mit der Verfassung. Sie engagiert sich aktiv im multilateralen Rahmen, insbesondere in der UNO und der OSZE, denn Grundlage der österreichischen Sicherheitspolitik ist die aktive Neutralitätspolitik, die durch vielfältige Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene ergänzt wird. 

Neutral zu sein – und das ist entscheidend –, bedeutet nicht, sich zurückzuziehen, keine Meinung zu haben oder sich nicht zu trauen, diese zu äußern, vielmehr setzt sich Österreich dafür ein, seine besondere Rolle als Vermittler auf internationaler Ebene zu nutzen, substanzielle Beiträge zur Friedenssicherung zu leisten und sich im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU solidarisch und verfassungskonform zu engagieren, denn Neutralität und europäische Solidarität schließen einander nicht aus, sie ergänzen sich. 

Unsere Handlungsfelder sind klar: Wir setzen uns für ein möglichst sicheres und friedliches Miteinander in Österreich ein. Wir setzen uns dafür ein, Bedrohungen und Risiken frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, um die österreichische Bevölkerung bestmöglich zu schützen, Gefahren einzudämmen und die Krisen gemeinsam zu bewältigen. Und wir fördern ein nachhaltiges, inklusives Verständnis von Sicherheit, Demokratie und gemeinsamen Werten. 

Unsere Neutralität bedeutet im Detail: erstens, das Recht auf Unverletzlichkeit unserer Grenzen; zweitens, die Pflicht, jede Verletzung unserer Neutralität zu verhindern und die Neutralität zu verteidigen; und drittens, die Pflicht, sich zu enthalten im Hinblick auf Kampfhandlungen und die Begünstigung von Kriegsparteien. 

Sie verpflichtet uns außerdem, an der regelbasierten internationalen Ordnung festzuhalten. Österreich steht klar auf der Seite des Rechts, der Freiheit und der Menschenwürde. Das Neutralitätsgesetz von 1955 ist untrennbar mit der wiedererlangten Unabhängigkeit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Es verpflichtet Österreich, zum Erhalt seiner Unabhängigkeit und zur Wahrung der Unverletzlichkeit seines Staatsgebiets immerwährend neutral zu bleiben, und das ist gut so. 

Sehr geehrte Damen und Herren, Neutralität ist keine Passivität, sie ist aktives Eintreten für Frieden, Stabilität und internationales Recht. Neutralität ist und bleibt Markenzeichen Österreichs, historisches Erbe und Auftrag zugleich. 

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen. 

Zur Frage 1: 

Die Österreichische Sicherheitsstrategie 2024 definiert Österreichs sicherheitspolitische Stellung einerseits durch seine militärische Neutralität und andererseits durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. An diesem Verständnis haben die aktuellen geopolitischen Entwicklungen nichts geändert. 

Zu den Fragen 2 und 20:

Die österreichische Sicherheitspolitik, deren Basis eben die aktive Neutralitätspolitik ist, umfasst zahlreiche Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Österreich bemüht sich aktiv als Vermittler auf internationaler Ebene und nutzt alle Möglichkeiten, die sich aus neutralitätsspezifischen Stellungen ergeben. Zudem tritt Österreich regelmäßig für seine Neutralität auf EU- und internationaler Ebene ein. Die Schlussfolgerungen der EU, insbesondere des Europäischen Rates, tragen der Neutralität Rechnung. 

Zur Frage 3:

Unsere Asylbremse zeigt Wirkung. Durch Schleppereibekämpfung, grenzüberschreitende Polizeiarbeit und Schnellverfahren konnten wir die Zahl der Asylanträge in Österreich deutlich senken. Nach über 110 000 Anträgen im Jahr 2022 verzeichnen wir heuer rund 13 000 Anträge, somit knapp 100 000 Asylanträge weniger. Dieser Erfolg zeigt, dass konsequente Maßnahmen Wirkung zeigen. So waren wir auch einer der ersten europäischen Mitgliedstaaten, welche den Familiennachzug wirksam gestoppt haben. Diesen Weg werden wir konsequent fortsetzen. 

Zu den Fragen 4 und 5:

Wir haben null Toleranz gegenüber Menschen, die durch Straftaten ihr Aufenthaltsrecht verwirkt haben. Wir schützen die Menschen in Österreich und nicht ausländische Kriminelle, die kein Recht haben, bei uns zu leben. Österreich ist daher auch das erste europäische Land, welches straffällige Asylwerber nach Syrien abschiebt. Gerade erst diese Woche haben wir ebenso einen Sexualstraftäter nach Afghanistan abgeschoben. Es werden weitere Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan folgen. 

Für eine konsequente Rückkehrpolitik sind auch Vereinbarungen mit den jeweiligen Herkunftsländern maßgeblich. So haben wir beispielsweise Rückkehrvereinbarungen mit für uns sehr wichtigen Ländern wie Marokko oder dem Irak unterzeichnet. Für die exakte Anzahl der angefragten Personen beziehungsweise der konkreten Rücknahmeabkommen darf ich Sie an die zuständigen Bundesministerien, BMI und BMEIA, verweisen. 

Zu den Fragen 6, 7 und 15:

Nach Artikel 23j B-VG wirkt Österreich an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der gemeinsamen Verteidigungspolitik mit. Im Bereich der Gasp und GSVP gilt das Einstimmigkeitsprinzip, und Österreich hat der Einrichtung der EU-Trainingsmission Eumam in der Ukraine zwar zugestimmt, beteiligt sich jedoch an dieser nicht. 

Zur Frage 8:

Diese Frage darf ich mit Ja beantworten. 

Zur Frage 9:

Österreichische Sicherheitspolitik trägt der europäischen Dimension und den sicherheitspolitischen Strategien und Konzepten der EU Rechnung. Die Österreichische Sicherheitsstrategie definiert Österreichs sicherheitspolitische Stellung einerseits durch seine militärische Neutralität und andererseits durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Neutralität und europäische Solidarität schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander. Österreich nimmt auch vor diesem Hintergrund seit 1995 an der Nato-Partnerschaft für den Frieden teil. 

Zur Frage 10:

Die damals gewählte Vorgangsweise entsprach den damaligen sicherheitspolitischen Einschätzungen. 

Zur Frage 11: 

Das Bundesheer ist eine Milizarmee, die auf der allgemeinen Wehrpflicht beruht. Die Miliz ist integrierter Bestandteil aller Gruppen des Bundesheeres, das zur erfolgreichen Bewältigung von Einsätzen zur militärischen Landesverteidigung in seiner Gesamtheit oder mit Teilen mobilgemacht wird. Die unmittelbare Reaktionsfähigkeit von Teilen der Milizkräfte wird auch durch die verstärkte Übungstätigkeit erhöht. 

Von der Bundesministerin für Landesverteidigung wurde eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt, die sich mit Fragen der allgemeinen Wehrpflicht und der Stärkung des Milizsystems beschäftigt. Die Kommission ist gerade dabei, mehrere alternative Wehrdienstmodelle auszuarbeiten. 

Zur Frage 12:

Mit dem Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz und dem dadurch ermöglichten Aufbauplan 2032 plus wurden durch die Bundesregierung bereits Planungs- und Umsetzungsschritte eingeleitet, die dem Aufbau weiterer militärischer Fähigkeiten dienen. 

Zur Frage 13:

Die Bundesregierung bringt Wien regelmäßig und aktiv als Verhandlungsort ein. 

Zur Frage 14:

Wien wird als Verhandlungsort hochrangiger diplomatischer Gespräche nicht infrage gestellt. 

Zur Frage 16: 

Die EU-Mitgliedstaaten verhandeln seit Mai 2022 den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Gespräche dazu laufen. 

Zur Frage 17:

Derartige Pläne sind nicht bekannt. 

Zu den Fragen 18 und 19:

Die European-Sky-Shield-Initiative ist ein Projekt zum Aufbau eines koordinierten Luftverteidigungssystems der europäischen Staaten. Österreich hat gemeinsam mit der Schweiz und 22 weiteren europäischen Staaten eine Absichtserklärung zur Teilnahme an dieser Initiative unterzeichnet. In einer Zusatzerklärung haben wir gemeinsam mit der Schweiz festgehalten, dass wir uns an gemeinsamen Beschaffungs- und Ausbildungsmaßnahmen beteiligen, jedoch nicht an operativen Maßnahmen. Ausdrücklich ausgeschlossen werden Maßnahmen, die als Teilnahme an einem Militärbündnis oder als Zulassen von Stützpunkten auf österreichischem Territorium gewertet werden könnten. 

Sky Shield wurde von führenden Experten des Völker- und Europarechts als verfassungskonform beurteilt. 

Zu den Fragen 21 bis 23: 

Wie Sie wissen, appelliert Österreich regelmäßig für einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine. In Bezug auf die Unterstützung der Ukraine enthält sich Österreich konstruktiv zu allen Beschlüssen über letale Ausrüstung im Rahmen der europäischen Friedensfaszilität und leistet stattdessen einen freiwilligen Ersatzbeitrag in der Höhe seines Anteils für nicht letale Ausrüstung. 

Bei neuen Initiativen und Legislativvorschlägen setzt sich Österreich gemeinsam mit anderen neutralen Mitgliedstaaten dafür ein, dass der besondere Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik berücksichtigt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].) 

16.29

Präsident Peter Samt: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. 

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist. 

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile es ihm. (Staatssekretär Pröll: ... Name sein! – Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ] – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Ich gehöre auch zur Familie! Bei der Familie bin ich noch nicht aufgenommen worden – Pröll!)

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.