RN/91
16.47
Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Neutralität Österreichs ist in der Verfassung verankert und hat sich in den 70 Jahren ihres Bestehens auch in schwierigen Zeiten bewährt und Österreichs Sicherheit garantiert.
Das aktuelle Regierungsübereinkommen zwischen der ÖVP, der SPÖ und den NEOS hält unmissverständlich fest, dass sich Österreich klar zur Neutralität im Einklang mit der Verfassung bekennt. Österreich versteht sein Engagement im Rahmen der Neutralität als aktiven Beitrag zur Schaffung von Sicherheit und Frieden basierend auf den unverrückbaren Grundlagen der Charta der Vereinten Nationen.
Neutralität ist kein Rückzugsreflex, sie ist ein aktiver Verfassungsauftrag an die Republik. Sie ist kein Symbol vergangener Jahrzehnte, sondern ein moderner Schutzschirm unseres Landes für Freiheit, Souveränität und Glaubwürdigkeit nach außen. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
Wer Neutralität ernst nimmt, darf sie weder taktisch instrumentalisieren noch nostalgisch konservieren. Bevor ich weiter über die Neutralität spreche, möchte ich eines hier unmissverständlich klarstellen, nämlich zur Glaubwürdigkeit in dieser Debatte: Kollege Spanring von den Freiheitlichen hat der SPÖ vorgeworfen, sie habe an der Neutralität gesägt. Kollege Spanring, das ist nicht der Fall, das Gegenteil ist der Fall. Kollege Himmer hat das bereits angesprochen und ich spreche es noch einmal an:
1955: Der FPÖ-Vorläufer FdU war als einzige Partei gegen das österreichische Neutralitätsgesetz. (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Was für eine Partei war das?!)
In den Neunzigerjahren forderte Jörg Haider wiederholt offen den Nato-Beitritt Österreichs. (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Entschuldige, was für eine Partei war das?!)
1997: Im offiziellen FPÖ-Parteiprogramm wurde die Neutralität für obsolet erklärt – wörtlich: keinen Wert mehr.
1998: Die FPÖ brachte im Nationalrat einen Dringlichen Antrag betreffend sofortigen Nato-Beitritt ein.
2000er-Jahre: FPÖ-Verteidigungsminister Scheibner bezeichnet den Nichtbeitritt zur Nato als sicherheitspolitischen Fehler.
Sehr geehrte Damen und Herren, was die FPÖ hier betreibt, ist nichts anderes als ein politisches Theater, sie handelt nicht aus Staatsverantwortung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Neutralität muss als aktive Neutralitätspolitik aktiv gelebt werden – verantwortungsvoll, europäisch eingebettet, militärisch wehrhaft und diplomatisch gestaltet. Österreich war immer dann stark, wenn es Brücken gebaut hat. Unsere Neutralität ist keine Passivität, wir verstehen sie als Auftrag, aktiv für den Frieden und für Vermittlung aufzutreten. Daher engagiert sich Österreich seit Jahrzehnten aktiv im Rahmen von friedenserhaltenden Einsätzen der Vereinten Nationen und der OSZE.
Wir stehen als Sozialdemokratie in Regierungsverantwortung für eine Neutralität, die auf drei Grundprinzipien aufbaut: Verteidigungsfähigkeit, völkerrechtliche Glaubwürdigkeit und internationale Gestaltung.
Neutralität heißt nicht, nichts zu tun, Neutralität heißt, Verantwortung zu übernehmen. Mit dem Aufbauplan österreichisches Bundesheer 2032 plus kommt die Bundesregierung unter anderem dieser Verantwortung endlich auch nach. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Erstens: Neutralität braucht Wehrhaftigkeit. Ein Staat, der sich nicht schützen kann, ist kein souveräner neutraler Staat, er ist ein verletzlicher Staat. Wir haben die Pflicht, das Bundesheer und unsere Miliz so auszustatten, dass Österreich in der Lage ist, sein Staatsgebiet, seine Bevölkerung und seine Demokratie eigenständig zu verteidigen – nicht, um militärische Macht zu projizieren, sondern, um militärische Souveränität endlich wieder zu garantieren. Wehrpflicht und Miliz sind dabei kein Relikt vergangener Zeiten, sie sind der Ausdruck demokratischer Verantwortung, weil sie Landesverteidigung in der Mitte der Gesellschaft verankern.
Zweitens: Neutralität garantiert zwar keinen absoluten Schutz, aber sie senkt nachweislich die Wahrscheinlichkeit, in fremde militärische Zielplanungen hineingezogen zu werden. Ein Verzicht auf die Neutralität und ein Beitritt zur Nato würden das Risiko, in einen militärischen Konflikt verwickelt zu werden, vergrößern und nicht verkleinern. Ein Staat, der keinem Militärbündnis angehört, wird nicht automatisch Teil fremder strategischer Infrastruktur oder Operationslogiken.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Unterschied ist entscheidend: Wer einem Bündnis beitritt, übernimmt damit auch dessen Militärlogik, dessen Verpflichtungen inklusive potenzieller Beistandsszenarien. Neutralität hingegen bedeutet: Österreich entscheidet souverän, fallweise und im nationalen Interesse. Europäische Kooperation: ja, aber ohne militärischen Automatismus – kein automatischer Beistandszwang, kein Automatismus bei Sky Shield. Österreich bestimmt selbst, was seiner Sicherheit dient. Sky Shield ist für uns kein Automatismus und keine Eintrittskarte in fremde Beistandslogiken. Die Beteiligung an Sky Shield kann nur unter strikter Beachtung der verfassungs- und neutralitätsrechtlichen Bestimmungen erfolgen. Die Schweiz und Österreich haben die Teilnahmevereinbarung zu Sky Shield daher mit neutralitätsrechtlichen Vorbehalten unterzeichnet.
Drittens: Aktive Neutralität heißt Handeln, nicht Zusehen. Humanitäre Hilfe, diplomatische Vermittlung, UN-Einsätze: Das ist internationale Verantwortung und keine Zuschauerrolle. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Österreich darf nicht Zaungast Europas sein, sondern muss aktiver, glaubwürdiger Gestalter sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, Neutralität ist kein innenpolitisches Spielzeug für Angstdebatten, wie sie die FPÖ leider betreibt. Wer sie für politische Stimmungsmacherei missbraucht, der missversteht die Neutralität.
Zum Entschließungsantrag, den Kollege Pröller von der Freiheitlichen Partei eingebracht hat, der ja die Regierung auffordert, sich klar zur Neutralität zu bekennen: Kollegen der Freiheitlichen Partei, diese Bundesregierung tut das. (Ruf bei der FPÖ: Tut sie nicht!)
Neutralität ist eine Verpflichtung, zum Schutz unseres Landes, zur Wahrung unserer Souveränität und zur aktiven Verantwortung in Europa und der Welt. Als Sozialdemokratie in Regierungsverantwortung stehen wir für eine aktive, für eine glaubwürdige Neutralität. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
16.58
Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.