RN/57
12.46
Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der ORF legt uns mit dem Jahresbericht 2024 und mit dem Transparenzbericht 2024 zwei Dokumente vor, die nicht nur Zahlen, Daten und Kennzahlen liefern, sondern einen tiefen Einblick in den Zustand, die Entwicklung und die Herausforderungen unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben.
Diese Berichte sind wichtig und vor allem sind sie ein Spiegel seiner Arbeit; diese muss viele Erwartungen in den Bereichen Information, Kultur, Bildung, Digitalisierung, unter anderem Barrierefreiheit, regionale Vielfalt und vor allem auch finanzielle Verantwortung erfüllen. Vorweg an dieser Stelle ein herzliches und vor allem respektvolles Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF für ihre wertvolle und qualitätsvolle Arbeit! (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von den Grünen.)
Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute auch klar sagen: Der ORF erfüllt diesen Auftrag in vielen Bereichen gut, in einigen sogar sehr gut, aber es gibt eben Punkte, die wir sachlich und auch kritisch benennen müssen, weil wir nur so Verbesserungen und auch Weiterentwicklung möglich machen.
Ein Schwerpunkt des Jahres 2024 war der digitale Ausbau. Mit ORF ON hat der ORF eine zentrale Plattform geschaffen, die künftig das Rückgrat des öffentlich-rechtlichen Angebots sein soll. Die TVthek war ein guter Start, aber mit ORF ON ist ein wichtiger und notwendiger Sprung nach vorne gelungen; das ist mehr als lobenswert. ORF ON ist moderner, nutzungsfreundlicher und zielorientierter. Gerade jüngere Menschen konsumieren Inhalte anders, und der ORF trägt dem Rechnung.
Digitalisierung ist, wie wir alle wissen und wie es heute schon bei mehreren Tagesordnungspunkten Thema war, aber kein Projekt mit Enddatum. Es ist ein laufender Prozess, der Investitionen braucht, und wir müssen darauf achten, dass die Investitionen nicht an anderer Stelle Löcher reißen. Die Herausforderungen bestehen darin, digitale Standards zu heben, ohne die klassischen Programme, die für viele Menschen weiterhin zentral wichtig sind, zu vernachlässigen.
2024 gab es eine wichtige Weiterentwicklung beim Thema Barrierefreiheit: 55 Prozent des Programms mit mindestens einem barrierefreien Merkmal ausgestrahlt; mit ORF Kids sind es sogar 60 Prozent. Da ist viel passiert, das ist ein großer Fortschritt. Barrierefreiheit, ich glaube, da sind wir uns alle einig, ist kein Nice-to-have; es ist ein Teil unseres demokratischen Grundverständnisses. Doch auch da braucht es Zwischenschritte. Wir brauchen Planungssicherheit, klare Etappen und ein konkretes Zielbild: 90 Prozent bis 2030 sollten realistisch, ambitioniert, aber doch erreichbar sein.
Der ORF bleibt bei seinem Kern: Kultur, Dokumentation, österreichische und europäische Produktionen. Mit einem Anteil europäischer Werke von über 80 Prozent – bei ORF 2 sogar fast 100 Prozent – zeigt der ORF, dass er nicht in eine internationale Austauschbarkeit abgleitet. Das ist absolut wichtig für die Kreativwirtschaft und für unsere Kultur und gut für eine informierte Öffentlichkeit. Wir sollten uns aber auch bewusst machen: Diese Programmqualität kostet Geld und braucht Rahmenbedingungen, die unabhängig von tagespolitischen Zwischenrufen sein müssen. (Beifall bei der SPÖ.)
Während Fernsehen und Online-Angebote eine starke Entwicklung zeigen, sehen wir beim Radio – insbesondere bei Ö3 – einen doch spürbaren Rückgang der Marktanteile. Dennoch ist es immer noch klarer Reichweitensieger mit 2,4 Millionen Nutzer:innen täglich. – Auch an dieser Stelle herzliche Gratulation dafür. Das ist ein absolut schönes Zeichen der User, aber dieses anteilige Verlieren soll auch ein Signal sein.
Warum es zutage tritt, ist erklärbar: die Konkurrenz durch Streamingdienste, jüngere Zielgruppen zeigen ein anderes Nutzungsverhalten und der lineare Radiokonsum verändert sich. Der ORF muss darauf reagieren: mit Formaten, die innovativ sind, mit klarer Profilierung und mit Investitionen in Audio on demand. Ein Zwischenschritt könnten mehr digitale Radiokanäle und mehr Audioinhalte sein – und vor allem mehr Kooperationen mit österreichischen Musiker:innen. Österreich hat hervorragende Interpret:innen, nutzen wir diesen Schatz! (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.)
Der Transparenzbericht, der zweite Teil, zeigt deutlich: Der ORF legt Gehälter, Beraterverträge, Werbeeinnahmen, Produktionsausgaben offen. Das ist richtig und absolut notwendig, denn Transparenz schafft Vertrauen. Lobenswert ist auch die Offenlegung in dieser detaillierten Form. Der ORF beweist, dass er seine Aufgabe verantwortungsvoll erfüllt. Gleichzeitig verlangt der öffentlich-rechtliche Auftrag eine Organisation, die diesem Auftrag auch standhält, mit klaren Verantwortlichkeiten und qualifizierter Führung. Dass nun mehr leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter namentlich im Transparenzbericht aufscheinen, liegt nicht an den gestiegenen Gehältern, sondern an einer unveränderten Offenlegungsgrenze, die reale Entwicklungen im Betrieb nicht abbildet. Nebenbei wurden die Regeln für zusätzliche Tätigkeiten nochmals verschärft, um maximale Unabhängigkeit sicherzustellen.
Dabei möchte ich ausführen: Eine umfassende Reform des ORF ist fest im Regierungsprogramm verankert und erste Schritte wurden bereits umgesetzt. So wird der ORF-Beitrag bis 2029 stabil bei 15,30 Euro bleiben. Außerdem wurde das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektor:innen abgeschafft, um die Unabhängigkeit der Besetzungen zu stärken. Die weiteren Schritte der Gesamtreform sollen im Herbst 2026 in einem breiten, aber vor allem transparenten Prozess erarbeitet werden.
Der ORF soll diesbezüglich schlanker, digitaler, transparenter und noch bürgernäher werden und gleichzeitig soll die regionale Berichterstattung gestärkt werden. Kooperationen mit privaten Medienunternehmen werden ausgebaut, um Synergien zu nutzen. Die Beteiligung des Publikums wird gestärkt, damit die Bürgerinnen und Bürger noch stärker eingebunden sind. Der öffentlich-rechtliche Auftrag wird an neue technische Entwicklungen angepasst, insbesondere Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Strukturen und Prozesse werden modernisiert, um Effizienz und Professionalität weiter zu erhöhen. Selbstverständlich bleibt die Sicherstellung von Objektivität, Sachlichkeit und Unparteilichkeit oberstes Prinzip. Dieser Reformprozess ist klar auf Zukunft, Effizienz und Bürgernähe ausgerichtet und schützt zugleich die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ORF.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Medienwelt verändert sich rasant, der ORF steht mitten in diesem Wandel zwischen Qualität, Auftrag und ökonomischen Herausforderungen. Was wir aus diesen beiden Berichten mitnehmen sollten, ist Folgendes: Der ORF entwickelt sich weiter, erfüllt wesentliche Teile seines gesetzlichen Auftrages in hoher Qualität – und dort, wo es Kritik gibt, gibt es auch konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen.
Unser Auftrag als Hohes Haus ist es, diese Entwicklungen zu begleiten, und zwar kritisch, aber auch konstruktiv, sie nicht zu zerstören, sondern zu stärken, sie nicht zu behindern, sondern zu verbessern, denn Fakten, Transparenz und unabhängiger Journalismus sind immer noch das wirksamste Gegenmittel gegen populistische Erzählungen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.)
12.56
Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.