RN/19

14.00

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, willkommen bei uns im Bundesrat! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, willkommen hier bei uns im Hohen Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zusehende zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, die Österreicherinnen und Österreicher lieben ihre Rabattpickerln. Ähnlich wie Kollegin Herr von der SPÖ im Nationalrat hat mich aber diese Aussage, die wir von einem Branchenvertreter des Lebensmittelhandels Anfang November in einer ORF-Sendung gehört haben, schon auch ein bissl gewundert. Ich habe ja eher die Vermutung: Noch mehr als die Rabattpickerln lieben es die Österreicherinnen und Österreicher, faire Preise zu haben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von SPÖ und FPÖ.)

Wir alle kennen ja diese Flugblätter, auf denen es vor verschiedensten Rabattaktionen nur so wimmelt: zwei plus zwei gratis, irgendwo 50 Prozent, irgendwo, weiß ich nicht, minus 25 Prozent, aber nur mit der App – da kommt man dann aber erst drauf, wenn man vor der Kassa steht und die App gerade nicht mit dabei hat oder sie vielleicht einfach gar nicht hat, weil man den Konzernen nicht seine Daten zur Verfügung stellen will. Dieser Rabattdschungel, dieser Angebotsdschungel ist mittlerweile wahnsinnig unüberschaubar, und es ist eigentlich auch unzumutbar, dass man auf diese Aktionen angewiesen ist, um einigermaßen günstig einkaufen zu können. 

Gerade wenn man Untersuchungen zum Thema Mental Load kennt, die Menschen heutzutage betrifft – das betrifft eigentlich sogar zu einem größeren Teil Frauen –: Mental Load ist, wenn man quasi wirklich Hunderte Sachen im Kopf hat, für die man sich verantwortlich fühlt, für die man verantwortlich ist. Bei Frauen – oder wahrscheinlich bei allen Menschen – können das Themen sein, die im Job auftauchen, die wichtig sind, die erledigt werden müssen, aber auch Angelegenheiten in der Familie: Wann haben die Kinder ihre nächsten Impftermine, Arzttermine? Haben sie genug für die Schularbeit gelernt? Wann ist überhaupt die nächste Schularbeit? Haben sie genug gelernt, und wenn sie nicht genug gelernt haben, kommen sie zu mir oder muss ich nachfragen? All diese Dinge haben wir im Kopf, und dann ist es eigentlich einfach unzumutbar, dass man auch noch im Geschäft Preise vergleichen und Schlussrechnungen anstellen muss, um zu schauen, welcher – weiß ich nicht – Aufstrich jetzt günstiger ist. Das kann wirklich ziemlich belastend sein. 

Wenn ich einkaufen gehe, dann habe ich bestenfalls eine Einkaufsliste mit, aber ich möchte einfach nur schnell durch das Geschäft durchgehen, die Sachen nehmen, ganz kurz schauen und vergleichen können, und das war es schon wieder. Wenn man sich zum Beispiel auch merken muss, wie viel zum Beispiel der Lieblingssaft vor zwei Wochen gekostet hat, nur um herausfinden zu können, ob die minus 10 Prozent, die es heute auf den Saft gibt, wirklich ein Angebot sind oder nicht – also wer sich das merken kann: Hut ab!, bewundernswert, sage ich nur.

Prinzipiell bin ich ja der Meinung, dass die Konsumentinnen und Konsumenten sich darauf verlassen können sollten, dass die Hersteller ehrlich und offen sind. Wenn Rohstoffpreise steigen, dann wäre es auch fair, wenn man das einfach sagt und sagt, okay, das Produkt wird teurer, dann kann man sich darauf einstellen. Wenn das aber still und heimlich geschieht und zum Beispiel in der gleichen Chipspackung – die Packung ist gleich groß – statt 200 Gramm nur mehr 180 Gramm drinnen sind und der Preis gleich bleibt, dann ist das eigentlich ziemlich fies, und wenn man dann eben wirklich ein bisschen aufs Geld schauen muss und versuchen möchte, das günstigste Angebot zu bekommen, dann ist es wirklich unzumutbar, dass man darauf schauen muss.

Um die Mogelpackungen geht es heute gar nicht, aber es geht heute bei diesem Gesetz auch um zwei wichtige Punkte. Ich bin da nicht ganz der Meinung von Kollegen Pröller von der FPÖ, der gesagt hat, das sei halt quasi nur eine kleine Regelung, das reiche ja, und dass es da eigentlich nur – ich glaube, der Kollege im Nationalrat hat das gesagt – um „betreutes Lesen“ oder assistiertes Lesen gehe und um mehr nicht.

Dass die Preise in einer gewissen Schriftgröße ausgezeichnet sein müssen und dass auch der Grundpreis eine vom Produktpreis selbst unterscheidbare Größe hat – dieser Unterschied, dass man wirklich auch erkennt, was der Grundpreis und was der Produktpreis ist –, das sind ganz wichtige Beiträge zur Barrierefreiheit. Ich werde nicht müde, zu betonen, dass Barrierefreiheit mehr ist als Rollstuhlrampen. Es muss mit Barrierefreiheit einfach für möglichst viele Menschen, egal welche Beeinträchtigungen sie haben, die Möglichkeit geben, möglichst ohne fremde Hilfe, ohne Assistenz ihren Alltag zu bestreiten. Und da sind die Schriftgrößen bei Preisauszeichnungen tatsächlich essenziell. Es soll niemand in einem Geschäft mit der Lupe herumgehen müssen – und das sieht man einfach immer häufiger; nicht nur ältere Leute, sondern auch andere – oder auch mit dem Handy die Preise abfotografieren und dann größer zoomen müssen, um die Preise zu sehen. Das mit der Preisgröße ist also schon wirklich sehr sinnvoll.

Jetzt werden sich die Damen und Herren Zuseher:innen zu Hause vielleicht denken: Das ist ja eh schon so, die Preise sind ja eh schon einheitlich. Da möchte ich auch Kollegen Pröller widersprechen. Er hat gesagt, die alte Regelung reicht und die Stellungnahmen sagen das. (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Würde reichen!) – Genau, aber Sie haben auch von geltendem Recht gesprochen. 2009 gab es diese Charta zur Preisauszeichnung, aber das sind unverbindliche Empfehlungen. Das heißt, das war nie und ist kein Recht. Es haben sich tatsächlich viele Lebensmittelhändler daran gehalten, aber nicht alle, und es spricht ja nichts dagegen (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Wir stimmen eh zu!), dass man das so festlegt, dass das dann wirklich alle einhalten.

Gut finden wir auch, dass die Bezugsgrößen – das ist die zweite Sache, die wir heute beschließen – innerhalb einer Lebensmittelgruppe gleich bleiben, denn wenn ich beim – weiß ich nicht – einen Joghurt den Kilopreis und beim anderen Joghurt oder beim Supermarkt auf der anderen Straßenseite den Preis pro Liter angegeben habe, dann kann ich es nicht vergleichen. Um noch einmal zu dem von vorhin zurückzukommen: Wenn man einkaufen geht und dann Schlussrechnungen anstellen muss – das sollte irgendwie einfacher gehen.

Das, was uns da aber ein bisschen fehlt, ist, dass nicht ganz geklärt ist, welche Lebensmittel tatsächlich zu welchen Lebensmittelgruppen gehören. Gehört zum Beispiel das Joghurt allgemein zu den Milchprodukten oder ist das eine eigene Gruppe? Da muss man noch schauen, wer das bestimmt – es wird, glaube ich, eine Arbeitsgruppe geben, die das festlegt –, aber es wäre wirklich wichtig, dass man das einheitlich macht, und vor allem, dass diese Regelungen nicht nur pro Betriebsstätte gelten – das ist leider jetzt so. Wir fänden es wichtig, dass das eben nicht nur auf eine Betriebsstätte beschränkt ist, sondern die Referenzwerte sollten für alle Lebensmittel einer Gruppe gleich sein.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zum Inkrafttreten des Gesetzes sagen. Prinzipiell ist es ja gut, dass das schnell geht. Es soll ab 1.1.2026 wirksam werden. Wir haben dazu aber vor zwei Tagen einen Brief von einem Branchenvertreter bekommen, der sich wirklich ganz dringlich an uns gewandt hat und Folgendes schreibt: 

Wie Sie wissen, wurden die vorgeschlagenen Änderungen des Preisauszeichnungsgesetzes letzten Mittwoch im Nationalrat angenommen und sollen bereits morgen im Bundesrat behandelt werden. Daher sehen wir uns gezwungen, uns mit einem dringenden Appell an Sie zu wenden. Der österreichische Handel wird sämtliche Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Änderungen bei der Preisauszeichnung gesetzeskonform eingehalten werden. Völlig unmöglich ist es jedoch, dass eine Einhaltung der Gesetzesnovelle bereits am Tag nach der Kundmachung – also voraussichtlich in etwa 14 Tagen – lückenlos sichergestellt werden kann. Auf diesen Umstand haben wir bereits in unserer Stellungnahme im Begutachtungsverfahren hingewiesen, was jedoch nicht berücksichtigt wurde. – Zitatende. 

Er spricht weiters von einer idealerweise mindestens dreimonatigen Übergangsfrist.

Also wir sehen, der Handel ist bereit, diese Maßnahmen mitzutragen, das wirklich umzusetzen. Ich appelliere daher, bei der Umsetzung, bei der Kontrolle der Einhaltung dieses Gesetzes in der ersten Zeit daran zu denken, dass es wirklich eine relativ knappe Frist ist, und da vielleicht ein bisschen milder zu sein und die Bestimmungen nicht gleich rigoros zu vollziehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von ÖVP und SPÖ.)

14.10

Präsident Peter Samt: Ich darf in unserer Runde einen altbekannten Besucher begrüßen: Edi Köck, Bundesrat außer Dienst, ist bei uns. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Elisabeth Zehetner. Ich erteile es ihr.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.