RN/72

14.19

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin – willkommen! Werte Besucherinnen und Besucher, willkommen hier bei uns im Hohen Haus! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt kurz überlegt, ob ich das noch einmal ansprechen soll, aber ich mache es, weil es ja heute und auch gestern schon mehrmals Thema gewesen ist: die Frage, wie man Personen anspricht, ob man sie in der weiblichen Form, in der männlichen Form anspricht. Ich möchte da, weil es für die Zuhörerinnen und Zuhörer vielleicht interessant ist, noch einmal auf den vorigen Tagesordnungspunkt zurückkommen. 

Es war eine rein weibliche Besucherinnengruppe hier bei uns im Haus, und die Rednerin von der FPÖ hat diese rein weibliche Gruppe, lauter junge Frauen, mit „Hallo, Besucher!“ angesprochen. Wir haben von da hinten versucht, zu signalisieren, das sind nur Frauen. Die Damen haben sich dann – ich weiß nicht aus welchem Grund, vielleicht war es nur zufällig – umgedreht und sind rausgegangen, und wir haben gesagt: Ah, die fühlen sich nicht angesprochen, die gehen raus. (Ruf bei der FPÖ: Mein Gott!) Die Antwort der Kollegin war dann: „ ... egal! [...] ich bin gut erzogen“. (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Also das ist ja wohl tief! Also das ist ja wohl letzte Schublade! Letzte Schublade!) – Nein, nein, nein! (Bundesrätin Jäckel [FPÖ/Vbg.]: ...! Das weiß ich noch ganz genau!)– Nein, nein, nein, ihr macht das ganz genau so. Ihr macht das ganz genau so! Ich wollte einfach nur darauf hinweisen. Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt nicht absichtlich war, dass diese Reaktion nicht beabsichtigt war – daher der Hinweis. (Bundesrätin Jäckel [FPÖ/Vbg.]: Aber Ihre Absicht ist es ja schon!) – Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Aber jetzt! Genau! Ihre Absicht ist es jetzt schon! ...! Das könnt ihr!)

Solche unangenehmen Situationen lassen sich vielleicht vermeiden, indem ihr nicht so – weiß ich nicht – ideologisch prinzipiell einmal jeden und immer mit der männlichen Form ansprecht, sondern ganz kurz einmal hinschaut: Wer sind denn die Personen, die ich anspreche? (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Wir wollen ja nicht als „-in“ angeredet werden, Frau Kollegin!) Dann kann ich auch darauf eingehen und – zumindest wenn da eine rein weibliche Gruppe ist – nicht „Hallo, Besucher!“ sagen. – Einfach nur ein Hinweis. (Beifall bei Mitgliedern des Bundesrates von der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].)

Sehr geehrter Herr Präsident (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Wieso sagst du nicht Präsidentin zu ihm?), ich möchte mich für Ihre Präsidentschaft bedanken und auch dafür – weil Sie es heute in der Früh erwähnt haben –, dass Sie den Bundesrat nicht abgeschafft haben. Ich freue mich, dass Sie Ihre Amtszeit mit vielen wertvollen Begegnungen verbinden konnten. Gleichzeitig ist es ebenso für die Zuseherinnen und Zuseher vielleicht interessant, zu erwähnen, dass der Bundesrat ein unverzichtbarer Teil unserer Verfassungsordnung ist, eine Brücke zwischen Bund und Ländern und ein Garant für unsere föderale Demokratie, damit nicht der Eindruck entsteht, dass es jetzt hauptsächlich um Reisetermine geht.

Ich möchte aber auch noch zusätzlich etwas aufgreifen, was Sie in Ihrer Rede angesprochen haben, nämlich dass Diskurs offen geführt werden soll und alle Gesichtspunkte beachtet werden müssen. Prinzipiell stimme ich da absolut zu. Ich diskutiere gerne, ich bin diskussionsfreudig. Ich habe es aber auch schon in meiner Rede bei der Enquete angesprochen: Prinzipiell sollten wir uns auf eine gewisse Basis des Diskurses einigen, dass diese Basis etwas Gemeinsames sein soll. Ich habe angesprochen: Wissenschaftlicher Konsens ist eine gute Basis.

Kollege Spanring ist jetzt nicht hier. Ich weiß nicht, ob er es heute oder letztes Mal erwähnt hat. Nein, genau, es war in der letzten Sitzung, da hat er gesagt: Wenn wir uns immer nur am wissenschaftlichen Konsens orientiert hätten, dann würden wir jetzt noch an die Erde als Scheibe glauben. Der Vergleich hinkt insofern ein bisschen, als der Glaube an die flache Erde kein wissenschaftlicher Konsens war. Das war ein populärer Mythos über vermeintliches Wissen im Mittelalter und ist erst durch tatsächlich wissenschaftliche Arbeit widerlegt worden. Wenn es diesen wissenschaftlichen Konsens nicht gäbe, dann würde man noch an die flache Erde glauben.

Präsident Peter Samt: Geschätzte Kollegin, eine Frage: Reden Sie auch noch zum Tagesordnungspunkt? – Danke schön. (Beifall bei Mitgliedern des Bundesrates von der FPÖ. Heiterkeit des Bundesrates Schwindsackl [ÖVP/Stmk.].)

Bundesrätin Simone Jagl (fortsetzend): Danke schön. – Nein, aber weil Sie es heute in Ihrer Rede angesprochen haben, habe ich mich dazu berufen gefühlt, das auch noch einmal anzusprechen.

Nun also zu dem vorliegenden Gesetz: 1974 – wir haben es schon gehört – wurde der Mutter-Kind-Pass eingeführt, und das kann man tatsächlich als einen Meilenstein bezeichnen. Die Idee ist recht einfach: Der Mutter-Kind-Pass sollte einen Rahmen bilden und vorgeben, an dem sich werdende Eltern orientieren können. Sie hatten ab dann tatsächlich einen guten Überblick darüber, welche Untersuchungen gescheit sind, gut sind, wirklich gut für die Gesundheit der Schwangeren und des Kindes sind. Zusätzlich waren alle relevanten Informationen, die man zusammengesammelt hat, in einem Dokument gesammelt. Es war also wirklich besonders wichtig während der Schwangerschaft, aber auch später für die Kinder, für Anamnesen sozusagen. 

Die Idee ist tatsächlich aufgegangen. Sind vor der Einführung, vor 1974, noch 23 Kinder von 1 000 Lebendgeburten verstorben, waren es zehn Jahre danach „nur“ noch acht, sage ich jetzt einmal, und derzeit sind es „nur“ noch drei. Ich setze „nur“ unter Anführungsstrichen, denn jedes Kind, das während oder kurz nach der Geburt verstirbt, ist eines zu viel. Ich hoffe, da sind wir uns einig, und wir dürfen in dem Bereich niemals aufhören, noch besser zu werden.

Im Laufe der Zeit wurde das Untersuchungsprogramm immer wieder weiterentwickelt. Ich habe vier Mutter-Kind-Pässe zu Hause gehabt, wusste das aber alles nicht, war wirklich erstaunt, wie sich das entwickelt hat. 1974 waren nur acht Untersuchungen vorgesehen. 1987 wurde das Programm größer ausgebaut. Da kommen die Ultraschalluntersuchungen dazu, die HNO-, die Augenuntersuchungen – 1987 erst, das ist gefühlt noch nicht so wahnsinnig lange her. 1997 wurde dann der finanzielle Anreiz gesetzt, also der Mutter-Kind-Pass an ein finanzielles Anreizsystem gekoppelt, was auch wichtig war, um eben die Teilnahmequote zu erhöhen. 2013 ist dann die Hebammenberatung dazugekommen.

2024 haben wir beschlossen, den Eltern-Kind-Pass, dieses wichtige Dokument, ins neue Jahrtausend zu heben. Wir haben eben aus dem Mutter-Kind-Pass einen Eltern-Kind-Pass gemacht; die Kollegin von der SPÖ hat es schon wirklich gut erklärt. Damit wird nämlich deutlich gemacht, dass es einerseits um einen Elternteil, nämlich um die Mutter geht, die Sorge um das Kind aber tatsächlich eine Aufgabe beider Elternteile ist und nicht nur der Person, die das Kind geboren hat. 

Wir haben die Grundlage dafür gelegt, dass der Eltern-Kind-Pass elektronisch wird. Jetzt verstehe ich den sentimentalen Blickwinkel darauf. Das ist wirklich etwas Emotionales, dieses gelbe Büchlein in den Händen zu haben, das aufzuheben, vielleicht in die Dokumentenmappe der Kinder zu geben, die diese dann, wenn sie ausziehen, mitnehmen. Das bleibt ja. Es ist wirklich etwas Emotionales. 

Gleichzeitig hat der elektronische Eltern-Kind-Pass einfach wirklich massive Vorteile. (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Beides!) Er ermöglicht eine Vernetzung verschiedenster Gesundheitsuntersuchungen, Gesundheitsleistungen und -einrichtungen. Das ist wirklich wichtig. 

Ich kann dazu eine Geschichte erzählen: Eines meiner Kinder ist mit nur einer Niere auf die Welt gekommen; zufälligerweise damals in einem Spital, in dem routinemäßig eine Nierensono gemacht wurde. Jetzt ist eine Nierensono nicht Teil des Eltern-Kind-Pass-Angebotes – aber trotzdem. Zehn Jahre später ist er massiv krank geworden. Innerhalb eines halben Jahres war er mehrfach in stationärer Behandlung, und man ist nicht draufgekommen, was war; im Endeffekt doch, Gott sei Dank. Es war ein nekrotischer Blinddarm, der nicht entdeckt wurde, weil durch das Fehlen der Niere die Organe verschoben waren. Es war wirklich etwas Massives. 

Dieses Ergebnis der Nierensono bei der Geburt war mir nicht klar, weil das ein Zettel irgendwo war. Mir war als Mutter damals nicht klar, was das war und dass das einen Zusammenhang haben könnte. Wenn das die Ärzte damals gesehen hätten, wären sie vielleicht früher draufgekommen, dass diese gefährliche Erkrankung schon ein halbes Jahr am Laufen war. Diese Vernetzung kann wirklich Leben retten.

Was beschließen wir jetzt heute? – Einerseits eben die Verschiebung des Starts des elektronischen Eltern-Kind-Passes, weil sich einfach gezeigt hat, dass die Umsetzung komplexer ist und länger braucht. Ab 1. Oktober 2026 sollen nun alle neu festgestellten Schwangerschaften dort erfasst werden.

Wir haben auch eine zweite Hebammenberatung drinnen. Das ist gut und wichtig. Wir fänden es gut, wenn sie verpflichtend wäre, weil die Hebammenberatung wichtig ist. Viele Eltern machen einen Geburtsvorbereitungskurs, bei dem sie eben auf das, was neu auf sie zukommt, vorbereitet werden. Viele können sich das nicht leisten. Eine Hebammenberatung kann das wirklich gut abfangen. 

Das wäre auch eine Aufwertung der Leistungen, die Hebammen erbringen. Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, hier wirklich den Hebammen zu danken, dass nämlich – so ein bisschen zwischen den Gesundheitsberufen – vielleicht nicht immer ganz wertgeschätzt wird, was sie als Stütze für die Familien leisten und dass sie während der Schwangerschaft und während der Geburt für Mütter und Eltern da sind.

Das Gesundheitsgespräch, wie schon gehört, ist auch sehr wichtig.

Alles in allem ist die Einführung des elektronischen Eltern-Kind-Passes wirklich eine gute Sache. Man muss schon sagen, diejenigen, die vielleicht jetzt etwas wehmütig dem gelben Heftchen nachtrauern, werden in Zukunft nicht mehr allzu viele sein. Die Mehrheit der kommenden werdenden Mütter sind halt Frauen, die schon mit dem Handy aufgewachsen sind. Die sind das gewohnt. 

Eine Kollegin der FPÖ hat im Nationalrat zur Frage der Sicherheit gemeint, wenn man einen Unfall hat, dann findet man diesen gelben Pass in der Handtasche. 

Es gibt in jedem Handy mittlerweile diese Notfallseite, das ist das Erste, das Ersthelfer oder Sanitäterinnen und Sanitäter aufmachen. Wenn man das da einträgt – und das kann man eintragen (Ruf bei der FPÖ: Man kann alles machen!–, dann ist das ersichtlich und man muss nicht in einer Handtasche kramen, um möglicherweise einen gelben Pass zu finden. 

Also ich verstehe, dass das aus Sentimentalität manchen wichtig ist, aber noch wichtiger sollte uns die bestmögliche Gesundheit von Schwangeren und Kindern sein. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von der SPÖ.)

14.30

Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig. – Ich bitte um Ihre Wortmeldung.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.