19.21
Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, hier im Bundesrat sein zu dürfen – bei dieser so friedlichen und vorweihnachtlichen Stimmung. (Allgemeine Heiterkeit.) Da wird man richtig inspiriert, was hier fraktionsübergreifend an Liebe verstreut wird. Das ist auch schön und gut so.
Ein wichtiges Thema heute: dass Kinder in der Schule Entfaltung erfahren sollen, dass Kinder die beste Bildung erhalten sollen, um so ein selbstständiges Leben führen zu können. Eine Grundbedingung für so eine geglückte Bildung ist ein gewaltfreies Klassenzimmer, dass Kinder, aber auch Lehrpersonen frei von Angst und von Gewalt Bildung erleben dürfen und angstfrei in die Schule gehen können, denn mit Angst lernt es sich nicht gut, Angst ist ein Hindernis für einen guten Bildungsweg.
In diesem Zusammenhang muss man auch die Probleme, die wir haben, benennen, auch die Probleme, die in den letzten Jahren aufgetreten sind, nämlich dass wir mehr kulturelle Konflikte und auch mehr Gewalt als noch vor zehn Jahren in den österreichischen Klassenzimmern haben. Das sehen wir an der Anzahl der Suspendierungen, die sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht hat. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, allerdings sind es deutlich zu viele, und deshalb ist es notwendig, konsequent dagegen zu agieren. Und genau deshalb gibt es dieses Gesetzespaket. Ich bin froh, dass diese Regierungsvorlage von vier von fünf Parteien im Nationalrat beschlossen worden ist, und bitte auch heute hier im Bundesrat um Zustimmung, weil dieses Paket Schulen sicherer macht und damit Bildung in Österreich verbessert.
Es beinhaltet vier Bereiche, in denen es deutliche Verbesserungen gibt.
Das ist erstens die Suspendierungsbegleitung, auf die auch schon eingegangen worden ist, nämlich dass Kinder, die Gewalt an anderen verüben, eine Gefahr für sich selber oder andere darstellen, nicht einfach von der Schule suspendiert werden, ohne zu wissen, was sie dann machen. Das ist nämlich auch ein gewisser Freibrief: ab ins Einkaufszentrum zum Abhängen, ab in den Park, um Freunde zu treffen. Das wird auch mit Stolz auf Social Media gepostet. Das ist kein zeitgemäßer Umgang mit Kindern, die für sich selber oder andere eine Gefahr darstellen.
Diese Suspendierungsbegleitung ist natürlich nicht nur eine Form der Reflexion und Sanktion, sondern – viel wichtiger – beinhaltet auch eine pädagogische und psychosoziale Betreuung, damit die Kinder wieder in die Regelklassen zurückfinden, resozialisiert werden und damit eine gute Bildung für sich und auch die Klassengemeinschaft erfahren können. Das ist ein Paradigmenwechsel, wie wir mit Suspendierungen in unserem Land umgehen.
Das ist zweitens ein Perspektivengespräch, nämlich dass Jugendliche, die die Schule abbrechen oder von der Schule verwiesen werden, nicht ohne Perspektive aus der Schule verwiesen werden, sondern dass man mit ihnen auch bei Schulverweis Optionen erläutert, nämlich andere Perspektiven aufzeigt. Das ist deshalb so wichtig, weil Menschen, die keine Perspektive mehr haben, oft eine Gefahr auch für andere darstellen.
Wir haben den tragischen Fall aus Graz in der Dreierschützengasse auch hier im Bundesrat diskutiert, wo der Attentäter keine Perspektive mehr hatte, die Schule abgebrochen hat. Genau diese Maßnahme, dass an allen Schulen, an denen es Schulausschlüsse oder -abbrüche gibt, Perspektivengespräche verpflichtend stattfinden müssen, ist auch ein Resultat dieses Ereignisses.
Drittens beinhaltet dieses Paket das Kopftuchverbot. Ich finde, das ist hier auch sehr ehrlich und auch richtig diskutiert worden. Es ist natürlich eine Abwägung von Grundrechten, ich bin aber ein bisschen anderer Meinung als Sie. Für mich ist es eine Abwägung des Grundrechts auf Religionsfreiheit und der Grundwerte der Kinderrechte.
In Bezug auf die Kinderrechte ist es für mich sehr klar, dass unter 14-Jährige in der freien Entwicklung geschützt werden müssen und wir als Gesellschaft eine Verantwortung gegenüber unmündigen Minderjährigen haben, dass sie sich frei entwickeln können – insbesondere junge Mädchen –, frei von patriarchalen Strukturen, frei von Bevormundung, frei von Gruppenzwang in unserer liberalen, demokratischen Gesellschaft entfalten können. Das Kopftuch für unter 14-Jährige ist genau das Gegenteil davon, deshalb wird dieses Verbot zu mehr Freiheit und Entfaltung von jungen Mädchen führen.
Aber natürlich ist es eine Abwägung des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Es ist aber in Österreich so, dass man erst ab 14 religionsmündig ist, dass wir schon jetzt sagen, nämlich im Verfassungsrang, dass unter 14-Jährige keine vollständige eigenständige religiöse Entscheidungsfreiheit haben. Darum halte ich es für gerechtfertigt, auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, ein Kopftuchverbot bis 14 einzuführen.
Ich bin aber anderer Auffassung, nämlich dass es gut ist, dass es kein Zweidrittelgesetz im Sinne einer Verfassungsbestimmung ist. Wir haben in Österreich schon zu viel im Verfassungsrang, ich glaube, Kleidervorschriften sind keine Verfassungsbestimmungen, wenn man unsere Verfassung wirklich ernst nimmt. Und ja, es ist auch gut, wenn der Verfassungsgerichtshof über die verfassungsgemäße Ausführung des Gesetzes entscheiden kann.
Das Ziel von mir und der Regierung war es ja, ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, und ich bin zuversichtlich, dass dies gelungen ist. Wir haben uns auch die damalige Entscheidung, ein Kopftuchverbot einzuführen, sehr genau angesehen und beraten, was wir verbessern können, was der Verfassungsgerichtshof damals entschieden hat, und auch – auch das ist angesprochen worden – beachtet, was in der Begutachtung hereingekommen ist. Alle diese Aspekte wurden einbezogen, um so ein gutes, sinnvolles, hoffentlich – und wahrscheinlich – verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, aber die Letztentscheidung hat in Österreich der Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
Und der vierte Aspekt, den ich herausgreifen möchte, weil er ein Querschnitt über die ersten drei Punkte ist, ist die Verantwortlichkeit von Eltern, nämlich die Verantwortlichkeiten der Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Kindern, auch einen Teil in der Bildungsarbeit zu leisten, sich auch für die Bildung der eigenen Kinder einzusetzen. Ich bin der Auffassung, dass die allermeisten Eltern das auch wollen, wir haben aber auch Fälle, wo Eltern ihren Beitrag nicht erfüllen und sich weigern, mit der Schule ins Gespräch zu kommen.
Beispielsweise ist es bei Suspendierungen immer wieder vorgekommen – so auch meine frühere Erfahrung als Wiener Bildungsstadtrat –, dass manche Eltern das Gespräch mit der Schule verweigert haben, obwohl die Kinder von der Schule suspendiert worden sind. Ich finde, das ist in unserer Gesellschaft inakzeptabel. Es muss, wenn Probleme entstehen, miteinander geredet werden.
Lehrkräfte sind von Eltern zu respektieren, und um Probleme zu lösen, muss miteinander geredet werden, Lehrkräfte gemeinsam mit den Eltern und den betroffenen Schülerinnen und Schülern, weil man bei Problemen nur gemeinsam Lösungen finden kann. Und diese Gesetzesvorlage ist die Garantie dafür. Wenn Eltern nicht kooperieren, kann es in einem Eskalationsmechanismus auch Sanktionen geben, nämlich Verwaltungsstrafen bis 800 Euro bei Verweigerung der Beteiligung an Suspendierungsgesprächen oder auch wenn das Kopftuchverbot von Eltern nicht ernst genommen wird.
Wichtig dabei ist, auch beim Kopftuchverbot, dass es nicht zu einem Beziehungsabbruch von Schülern und Schülerinnen zur Lehrkraft kommt, dass die Behörde und nicht die Lehrkraft das Verfahren einreicht, dass, wenn diese Beziehungsarbeit im Klassenzimmer dann heikel ist, wenn ein Kopftuch getragen wird, nicht die Klassenlehrkraft sanktioniert, sondern als Erstes ein Gespräch mit der Direktion stattfindet und dann durch die Behörde ein Verfahren eingeleitet wird, um so die gute Beziehung, die gute Bildungsarbeit im Klassenzimmer nicht zu gefährden.
Das ganze Paket dient dazu, dass Schule ein sicherer Ort, ein gewaltfreier Ort ist, damit sich alle Kinder, alle Jugendlichen in unserem Land gut und frei entfalten können. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung und wünsche auch frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
19.29
Präsident Peter Samt: Danke, Herr Bundesminister.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Stark. Ich erteile es ihm.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.