1600/J-BR BR

DRINGLICHE ANFRAGE


 

der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel, Dr. d‘Aron, Weilharter, Mühlwerth
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend rot - schwarzer Postenschacher
Der Rücktritt der EU - Kommission wegen ihrer Verwicklungen in Korruption und
Mißwirtschaft und die dadurch notwendig gewordene (Neu)Besetzung hat in Österreich
zwischen den Regierungsparteien zu einem "peinlichen Grabenkampf über die
proporzgerechte Verteilung von Spitzenposten" (EU - Kommissar, EU - Botschafter)
geführt. Salopp formuliert, geht es dabei, den diversen Dementis von Regierungsseite
zum Trotz, um einen klassischen rot - schwarzen Postenschacher.
Diese koalitionäre Packelei bestätigt Kommissar Fischler ungeniert, wenn er festhält, daß
auch nach dem Rücktritt der gesamten EU - Kommission " Bundeskanzler Klima (ihm) in
mehreren Gesprächen versichert hat, er könne sich vorstellen, daß er (Fischler) der
Kommission eine weitere Periode angehöre" (Format 12/99), "allerdings muß zuvor das
Thema der österreichischen EU - Botschaft gelöst werden" (KLZ, 19.3.1999). So droht
auch, kaum verwunderlich, der derzeitige Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen
Parlament, Swoboda, unverhohlen mit der "Aufstellung eines Gegenkandidaten zu
Fischler, sollte sich die SPÖ in der Botschafterfrage nicht durchsetzen" (SN, 9.2.1999).
Damit scheint klar, warum die Besetzung der noch offenen Botschafterposten, das
sogenannte "Botschafterpaket" im Ministerrat am Widerstand vom Bundeskanzler
Klima gescheitert ist.
Dieser sich abzeichnende Kuhhandel, dieses neuerliche personalpolitische Hickkack, ist
allerdings nur eines von vielen, mit denen die Koalitionsregierung mit ihrem Export des
Proporzwesens nach Brüssel unangenehm aufgefallen ist. Beispielsweise haben erst vor
einiger Zeit die in Wien akkreditierten Botschafter der EU - Mitgliedstaaten ein nicht
besonders schmeichelhaftes Resumee der österreichischen Ratspräsidentschaft gezogen,
wenn sie u.a. eine "Verlagerung ungelöster interner österreichischer Probleme
einschließlich Proporz - Denkens auf EU - Ebene" (Profil, 3/99) kritisierten. Erinnerlich blieb
ebenfalls das unwürdige Schauspiel bei der Besetzung des Leiters der Vertretung der
Europäischen Kommission in Österreich: Sowohl Georg Possanner, als auch Robert
Wiesner wurden "Opfer eines eigentümlichen österreichischen Lobbyings"
(WirtschaftsWoche 4/1996). Wieder einmal eine typisch österreichische Posse mit
internationaler Blamage. In dieses Bild, der besonderen Expertise rot - schwarzer Politiker
in Proporzfragen, fügt sich beispielsweise die österreichische Vorgangsweise bei der
Nominierung von sechs zur Disposition stehende Direktorenposten nahtlos ein: Unsere
Regierung hatte, im Gegensatz zur Praxis anderer EU - Mitgliedstaaten, genau sechs
Kandidaten präsentiert - drei rot, drei schwarz -. Kaum verwunderlich erscheint es daher,
daß etwa der finnische EU - Kommissar Lukanen oder der belgische
Wettbewerbskommissar van Miert diese bereits zu Beginn der österreichischen EU-
Mitgliedschaft praktizierte Vorgangsweise massiv bemängelten.
Selbst der österreichische Kommissar, Franz Fischler, der nunmehr selbst Teil dieser rot -
schwarzen Packelei ist, schrieb 1995 aus Brüssel der österreichischen Regierung ins
Stammbuch, daß man mit diesem proporzmäßigen Vorgehen in der EU nicht
durch kommen wird. Jedenfalls hat dieses rot – schwarz - karierte Proporzdenken und diese
Personalpolitik nicht nur in Brüssel Kopfschütteln, Unmut und Unverständlichkeit
ausgelöst, sondern vielmehr der heimischen Bevölkerung neuerlich die nach wie vor
andauernde Praxis der Proporzbesetzungen verdeutlicht. Dies obwohl Bundeskanzler
Klima Änderungen angekündigt hat.
Denn der Nachlaß des Kontrollbank - Vorstandsdirektors Gerhard Praschak legte die
Realverfassung Österreichs, die von Proporz und Postenschacher gekennzeichnet ist, auf
dramatische Weise offen, und führte der Öffentlichkeit vor Augen, wie sehr die
herrschenden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den großen Bereich der staatsnahen
Wirtschaft dominieren und als ihr Eigentum betrachten. Dem dadurch ausgelösten
Handlungsbedarf bei den beiden Regierungsparteien versuchte Bundeskanzler Viktor
Klima mit einem "sensationellen" 5 - Punkte - Programm zu begegnen. Dieses
Scheinprogramm gegen den Postenschacher enthielt Punkte wie die verpflichtende
Ausschreibung von Führungsfunktionen in staatsnahen Unternehmen, die ohnedies
bereits gesetzlich geregelt sind, und andere, wie die Forderung nach Festlegung
marktgerechter Bezüge, die eigentlich in jedem anderen als einem realsozialistischen
System selbstverständlich sein sollten. Als Folge dessen wurde vom Parlament ein
Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen
Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz) beschlossen, das seit 1. März 1998 in
Kraft ist. Jedoch wird auf allen Ebenen sowohl in der öffentlichen Verwaltung, als auch
in öffentlichen Unternehmen weiterhin nach parteipolitischen Präferenzen besetzt bzw.
versucht zu besetzen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte an den Herrn
Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:


1. Ist es zutreffend, daß Franz Fischler von Ihnen die Zusage erhalten hat, von
Österreich neuerlich für das Amt eines EU - Kommissars vorgeschlagen bzw. nominiert
zu werden?
• Wenn ja, wann genau und in welcher Form erfolgte diese Zusage Ihrerseits?
• Wenn nein, wie erklären Sie sich die diesbezüglichen öffentlichen Aussagen von
Franz Fischler?
2. Trifft es zu, daß der EU - Sonderbeauftragte, Botschafter Wolfgang Petritsch, von
Ihnen als österreichischer Kandidat für einen EU - Kommissionsposten ins Auge gefaßt
wird?
• Wenn nein, aus welchen konkreten Gründen nicht?
3. Ist es zutreffend, daß Sie die Wiedernominierung von Franz Fischler durch Österreich
von der Bestellung eines SPÖ - nahen Diplomaten zum Leiter der Ständigen
Vertretung bei der Europäischen Union abhängig gemacht haben?
• Wenn ja, aus welchen Gründen?
• Wenn nein, wie erklären Sie sich die diesbezüglichen Äußerungen von Franz
Fischler?
4. Welche konkrete Sinnhaftigkeit steht ihrer Auffassung nach hinter dieser
Junktimierung?
5. Welcher konkrete Nutzen für die Republik Österreich steht Ihrer Meinung nach
hinter einer derartigen Junktimierung?
6. Sind Sie ebenfalls wie der derzeitige Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen
Parlament, Swoboda, der Auffassung, daß Außenminister Schüssel bei der Besetzung
von wichtigen (europäischen) Funktionen "parteipolitisch vorgeht und ausgezeichnet
qualifizierte Sozialdemokraten von Positionen ausschließt"?
• Wenn ja, was beabsichtigen Sie dagegen zu tun?
• Wenn nein, wie ist dies zu begründen?
7. Sind Sie ebenso wie der derzeitige Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen
Parlament, Swoboda, der Auffassung, daß, "sollte sich die SPÖ in der
Botschafterfrage nicht durchsetzen", diese einen Gegenkandidat zu Fischler für den
Posten des EU - Kommissars nominieren sollte?
• Wenn nein, warum nicht?
• Wenn ja, wer sollte dies sein?
8. Kommt durch derartige Aussagen nicht klar zum Ausdruck, daß es der Regierung
nicht um die Nominierung der bestgeeigneten Kandidaten geht, sondern es sich um
einen klassischen rot - schwarzen Postenschacher handelt?
• Wenn nein, inwiefern nicht?
9. Welche konkreten Voraussetzungen muß Ihrer Meinung nach eine Persönlichkeit
besitzen, um als qualifizierter Kandidat für den Posten eines EU - Kommissars
nominiert werden zu können?
10. Hat der designierte Kommissionspräsident Prodi mit Ihnen bzw. haben Sie mit ihm
über die Zusammensetzung der künftigen Kommission einen Meinungsaustausch
geführt?
• Wenn nein, wann soll ein derartiges Gespräch stattfinden?
. Wenn ja, was war das Ergebnis der Beratungen?
11. Hat es innerhalb der Bundesregierung bzw. zwischen ihnen und dem Herrn
Vizekanzler eine Besprechung/Beratung gegeben, in der abgeklärt wurde, welcher
Aufgabenbereich für den von Österreich nominierten Kommissar den
europapolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung bestmöglich dienlich wäre?
• Wenn ja, welches Ergebnis ergab diese Aussprache?
• Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?
12. Wann beabsichtigt Österreich seinen Kandidaten für den Posten eines EU-
Kommissars zu nominieren?
13. Sind Sie der Meinung, daß die österreichische Bevölkerung Verständnis für den
praktizierten und geplanten rot - schwarzen Postenschacher aufbringt bzw. derartige
Vorgangsweisen goutiert?
• Wenn ja, aus welchen Gründen?
• Wenn nein, warum verhindern Sie dies nicht?
14. In wievielen und welchen konkreten Fällen wurde das Stellenbesetzungsgesetz,
BGBl. I Nr. 26/1 998, das seit 1. März 1998 in Kraft ist, angewendet?
15. In wievielen und welchen konkreten Fällen wurde das Stellenbesetzungsgesetz,
BGBl. I Nr. 26/1 998, das seit 1. März 1998 in Kraft ist, gegebenenfalls nicht
angewendet und was waren die Gründe dafür?
16. In welchen Verantwortungsbereich fielen die einzelnen Besetzungen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61
der GO - BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem
Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

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