1646/J-BR BR
A n f r a g e
der Bundesräte Haunschmidt und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Hausarbeit kürzt bäuerlichen Vollerwerb
Die derzeit durchgeführte Agrarstrukturerhebung soll
EU - weit die Grundlage für politische Entscheidungen und
Förderansuchen an Brüssel liefern.
Beim Ausfüllen der Erhebungsbögen bemerkten Bäuerinnen,
daß die Agrarstatistiker von einerseits frauenfeindlichen,
anderseits aber auch vollerwerbs - und förderungsfeindlichen
Annahmen ausgehen. Sie mußten feststellen, daß Vollbeschäfti -
gung in der Landwirtschaft mit 2000 Arbeitsstunden jährlich
oder mit 38,5 Stunden wöchentlich als 100 % - Wert definiert
wird. So weit, so gut. Aber:
Mehr als diese festgelegten 100 % können angeblich nicht ge -
arbeitet und folglich auch nicht angegeben werden, obwohl in
mehreren Untersuchungen eine wesentlich höhere tatsächliche
Arbeitszeit auf Bauernhöfen festgestellt wurde.
Zweitens müssen die Bäuerinnen im Erhebungsbogen die Hausarbeit
von der Arbeitszeit abziehen, wenn keine weiteren weiblichen
Erwachsenen in der Bauernfamilie leben. Abgesehen von der damit
dokumentierten eigenartigen Partnerschaftsauffassung der Agrar -
statistiker hat dies zur Folge, daß den Bäuerinnen damit nicht
nur ein Teil der tatsächlichen Arbeitszeit, sondern auch ein
Teil ihrer Berufstätigkeit aberkannt wird: Mit Hof - und Haus -
arbeit doppelbelastete Bäuerinnen werden in der Agrarstatistik
zu Teilzeitbäuerinnen reduziert!
Niemand käme auf die wahrlich dumme Idee, einer Vollzeitver -
käuferin ihre in der "Freizeit" zu erledigende Hausarbeit im
Stadthaushalt von der Arbeitszeit abzuziehen. Noch weniger
erscheint diese Vorgangsweise in einem bäuerlichen Haushalt
berechtigt, in dem viele zusätzliche, mit dem Hofbetrieb
untrennbar verknüpfte Hausarbeiten anfallen.
Diese möglicherweise der Agrarstruktur in großräumigen EU - Staaten
angepaßte Agrarstrukturerhebung ist für die Erhebung der tatsäch -
lichen Leistungen der österreichischen Bäuerinnen absolut inadäquat
und für die Bemessung von EU - Förderungen an Österreich sogar
ausgesprochen schädlich.
Daher richten die unterzeichneten Bundesräte
an den Herrn Bundeskanzler
A n f r a g e :
1. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die Agrarstruktur -
erhebung in der in Österreich durchgeführten Form ?
2. Wer hat wann festgelegt, daß das obere Limit einer
statistischen Vollerwerbsbäuerin bei 2000 Arbeitsstunden
jährlich liegt ?
3. Wer hat wann festgelegt, daß die Hausarbeitszeit von
der Hofarbeitszeit der statistischen Bäuerin abzuziehen
ist ?
4. Warum haben Sie die jeder Realität bezüglich Arbeitszeit
von Bäuerinnen hohnsprechenden Erhebungsmethoden nicht
rechtzeitig korrigiert bzw. eine realistische Korrektur
veranlaßt ?
5. Wieviele doppelbelastete (Haus - und Hofarbeit) Vollerwerbs -
bäuerinnen werden damit zu Teilzeitbäuerinnen degradiert ?
6. Es gibt sowohl in Österreich als auch in der EU Bestrebungen,
die agrarischen Förderungen an die Arbeitsleistung zu knüpfen.
Eine falsche Arbeitszeiterhebung ließe die agrarischen
Förderungen drastisch schrumpfen; tatsächliche, aber nicht
statistisch erfaßte Mehrleistung wurde bestraft.
Welche Sofortmaßnahmen werden Sie ergreifen, um derart
bedrohliche Folgen von Österreichs bäuerlichen Betrieben
abzuwenden ?
7. Welche Folgen hat diese falsche Arbeitszeiterhebung für
die betroffenen Bäuerinnen in Hinblick auf
a) Steuerpflicht,
b) Sozialversicherungspflicht,
c) Anspruch auf Sozial - und Transferleistungen,
d) Höhe von bisherigen EU - Förderungen,
e) Teilnahme an weiteren EU - Förderungen,
f) agrarische Förderungen des Bundes, der Länder oder
der Kammern (z.B. Betriebshilfe u.a.) ?
8. Welche Auswirkungen hat diese falsche Arbeitszeiterhebung
a) auf Österreichs Beschäftigungsstatistik,
b) damit auf die Beschäftigungspolitik,
c) auf Österreichs Arbeitszeitstatistik,
d) damit auf die Arbeitszeitpolitik,
e) auf die Einkommensstatistik,
f) damit auf die Einkommenspolitik,
g) auf die präventive Gesundheitspolitik ?
HTML-Dokument erstellt: Jul 8 14:39