1721/J-BR BR
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3
der Bundesräte Prof Konecny
und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Belastungspaket für die Länder
Nach einer schon längeren Zeit schwelenden Diskussion hat Finanzminister Grasser einen
neuen Höhepunkt gesetzt. Am Freitag, dem 7. Juni 2000 hat Finanzminister Grasser den
Bundesländern angedroht, die vom Bund zuzuteilenden Geldmittel noch weiter zu kürzen,
wenn es bis Jahresende nicht zu einer Einigung zu einem neuen Finanzausgleich kommt.
Damit verbunden war die Forderung, die Überschüsse der Landesbudgets in Höhe von 0,5 %
des BIP oder rund 15 Mrd. Schilling stabil zu halten und einen Solidarbeitrag ab 2001 für den
Bund zu leisten. Was er damit meint, hat er jüngst mit der Forderung angedeutet, die
Wohnbaufördermittel um 15 Mrd. Schilling zu reduzieren.
Dies erweckt den Eindruck, dass der Bund sein ehrgeiziges Budgetziel nicht in der Lage ist zu
realisieren und die Verantwortung auf die Länder abschieben will. Im Interesse der Länder
haben die unterzeichneten Abgeordneten daher eine Dringliche Anfrage an den
Bundesminister Grasser gerichtet, um auf diesem Weg Klarheit zu bekommen, was die
Länder erwartet. Die Notwendigkeit dieser Anfrage wird deutlich, wenn man die Reaktionen
der Länder auf Grassers Vorstoß betrachtet:
Sausgruber: Als "noch nie da gewesenen Eingriff in die Finanzkraft der Länder" weist
LH Sausgruber den "Sparvorschlag" von Finanzminister Grasser zurück. Der will von
den Ländern 15 Milliarden - und diese notfalls auch errwingen.
LH Herbert Sausgruber kündigte deswegen massiven Widerstand" an. Einen solchen
Umgang mit den Ländern habe es selbst unter einer zentralistisch orientierten SPÖ -
Finanzpolitik nie gegeben. Grasser solle doch solche Drohgebärden unterlassen und
endlich echte Verhandlungen über einen Finanzausgleich beginnen. (VN 8.7.2000)
Sobotka: Erzürnt ist auch Sobotka über Grasser: "Es wird nicht verhandelt, sondern
gedroht. Wenn man die Länder mit perversen Forderungen ruinieren will, soll man es
klar sagen." Für 2001 habe Niederösterreich ein prognostiziertes Defizit von 2,5
Milliarden. Grasser könne ruhig "auch die Landeslehrer haben, wenn er glaubt, dass er
es billiger machen kann". Damit sei er auf dem Weg zu einem Zentralstaat a la
Frankreich. Sobotkas Botschaft an die Koalition: "Zieht der Bund das durch, werden
wir es zu kommunizieren wissen. "(APA 596, 7.7.2000)
Pühringer: Der Bund könne sicherlich sein Budget nicht sanieren - was er notwendig
habe - indem er den Ländern in die Taschen greife - "das ist unfair", kritisierte der
oberösterreichische Landeshauptmann und Finanzrefrrent der Landesregierung, Josef
Pühringer (V), in einer ersten Reaktion auf die Aussagen von Finanzminister Karl
Heinz Grasser.
Der Finanzausgleich sei immer einvernehmlich mit den anderen Gebietskörperschaften
ausgehandelt worden. Die Länder und Gemeinden könnten einen guten Beitrag zu den
Maastricht - Kriterien leisten, wenn sie nicht parallel dazu vom Bund "abgecasht"
werden, stellte Pühringer fest. Er lehne es ab, dass der Finanzminister laufend
Forderungen und Drohungen in den Raum stelle. Das sei unwürdig und entspreche
nicht dem Stil der Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften. Die Länder würden sich
sicher nicht in finanzielle Schwierigkeiten treiben lassen. (APA 304, 11.7.2000)
"...grummelt, ob der unfairen Sparpläne Grassers" (Format, 17.7.2000)
Schaden: Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden sagte, er werde empfehlen, das
Landestheater zu schließen, nachdem der Bund beabsichtigt, seine Subventionen zu
streichen. Die geplante Halbierung der Wohnbauförderung durch den Bund würde die
Wohnbautätigkeit in Salzburg nahezu zum Erliegen bringen. Die Ankündigung habe
bereits die Wohnungspreise steigen lassen. (Standard, 8.7.2000)
Ederer: "Der Herr Finanzminister glaubt offenbar an Wunder. Aber: Einem Nackerten
kannst nicht ins Taschl greifen" erklärte Ederer die finanzielle Lage Wiens
zusammenfassend.
Tatsache sei, so Ederer, dass vom 15 - Mrd - S - Solidaranteil der Länder auf Grund des
Bevölkerungsschlüssels auf Wien eine Belastung von rund 3,5 Mrd. S zukomme, so
Ederer. "Wie das gehen soll, kann mir niemand verraten." (APA 12.7.2000)
Stix: "Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Konsolidierung unserer
Haushalte werden die Länder, Städte und Gemeinden ihre Beiträge zu einem
realistischen und gangbaren Weg leisten", bekräftigte Stix. Nicht akzeptiert werden
könne, dass der Hauptanteil an dieser angepeilten Konsolidierung von den
Gebietskörperschaften getragen werden soll. (APA, 11.7.2000)
Ressel: Ressel wies daraufhin, dass es ein gesamtstaatliches Maastricht - Ziel gebe und
die nunmehrigen Versuche, die Länder zur Kasse zu bitten, nur eine Verschiebungen
von einer Ebene zur anderen bedeuten würde. "Das bringt nichts, außer Verstimmung",
kommentierte der steirische SP - Politiker. Im übrigen stießen die Äußerungen Grassers
auf "Unverständnis".
Im Gegenzug zu dem von Finanzminister Karl - Heinz Grasser (F) geforderten
Solidaritätsbeitrag hat der steirische Finanzlandesrat Hans - Joachim Ressel (S) die
Beteiligung der Länder an bundesweiten Konzessionen wie etwa die Mobilfunk -
Konzessionen vorgeschlagen. Die Finanzwünsche des Bundes dürften keine
Einbahnstraße sein, so Ressel am Dienstag. (APA, 11.7.2000)
Weingartner: In diesem Zusammenhang müsse aber auch festgestellt werden, dass es
sich dabei um das "Geld der Bürger" handle. Mit diesem würden wichtige Aufgaben
erfüllt - etwa in Bezug auf Krankenhäuser, Sozialleistungen und Schulen. Die Länder
verteidigten somit das "Geld der Bürger" und nicht "eigene Besitzstände". (APA
11.7.2000)
"Mir fehlen konkrete Pläne. Allein die Länder zu belasten, ist doch ein wenig skuril.
Der Finanzminister soll den Mut haben zu sagen, dass er keine Musikschulen mehr
haben will und die Schauspieler an den Landestheatern sich neue Jobs suchen sollen.
(Format, 17.7.2000)
Klasnic runzelt die Stirn angesichts ,, einseitiger Belastungen und des bloßen Abwälzens
von Aufgaben"‚ das "sicherlich nicht sinnvoll ist, wenn ein gemeinsames Ziel erreicht
werden soll". (Format, 17.7.2000)
Die Vehemenz mit der auch ÖVP Landespolitiker auf die verantwortungslose Überwälzung
der Verantwortung für Budgetkonsolidierung auf die Länder hinweisen, zeigt, dass die
Regierung in keinster Weise einen ausgereiften Budgetansatz hat. Deutlich wird auch, dass
die eklatanten Strukturbeschneidungen die Substanz der Länder so weit angreifen, dass
prinzipielle Bereiche in Frage gestellt sind.
Die Regierung gesteht mit dem Diktat an die Länder ihre Hilflosigkeit in der
Budgetkonsolidierung ein und versucht ihr eigenes Versagen mit der Abwälzung der
Problemlösung auf Länderebene zu vertuschen. Für die Länder bedeuten die unmoralischen
Ansinnen der rechtskonservativen Bundesregierung eine gefährliche und von ihrer Seite
finanziell nicht abfangbare Mehrbelastung.
Es gilt auch, die äußerst durchsichtige Strategie des Finanzministers aufzuzeigen, wonach
Gebietskörperschaften, aber auch Bevölkerungs - und Berufsgruppen abstrakt unter Druck
gesetzt werden, ohne dass die Verantwortlichen konkrete Maßnahmen nennen. Mit dieser
Strategie soll eine Entsolidarisierung der Bevölkerung erreicht werden; ein völlig
abzulehnender Ansatz dieser FPÖVP - Bundesregierung.
Schließlich versucht die Bundesregierung eine Verschleierungstaktik, in dem sie so tut, als ob
es die österreichischen BürgerInnen gleich dreimal gibt, und der eine mit dem anderen nichts
zu tun hätte - einmal als BürgerInnen der Gemeinden, einmal als BürgerInnen der Länder und
einmal als BürgerInnen des Bundes. Tatsache ist aber, dass immer derselbe Bürger getroffen
wird, wenn in Gebietskörperschaften massiv der Sparstift angesetzt wird,
Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für Finanzen
nachstehende
Anfrage:
1. Wie hoch soll nach Ihrer Zielsetzung der Beitrag der Länder und Gemeinden zur
Erreichung des Nulldefizits als Ergebnis der nächsten
Finanzausgleichsverhandlungen für die nächste FAG-Periode sein?
2. Welches Ziel streben Sie in diesem Zusammenhang jeweils für die Jahre 2001, 2002
und 2003 an?
3. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie dies erreichen?
4. Ist es richtig, dass Sie die Wohnbaufördermittel im Ausmaß von 15 Mrd. Schilling
nahezu halbieren wollen?
5. Haben Sie dabei die wohnpolitischen und beschäftigungspolitischen Aspekte
berücksichtigt?
6. Können Sie ausschließen, dass durch diese Maßnahmen im Bereich der
Wohnbauförderungen die Miete steigen werden?
7. In den Medien wird berichtet, dass massive Kürzungsmaßnahmen im Bereich der
Landeslehrer geplant sind, welche Maßnahmen haben Sie konkret geplant?
Welche beschäftigungspolitische Effekte haben diese?
8. Welche Maßnahmen haben Sie konkret im Bereich der Investitionen bei
Kulturprojekten geplant - in Medienberichten werden ein bis vier Milliarden
kolportiert? Welche konkreten Projekte werden davon betroffen sein?
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung
dringlich zu behandeln.
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