1833/J-BR BR
Eingelangt am: 19.07.2001
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3 GO - BR
der Bundesräte Gstöttner
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes - Anfragenserie, Anfrage II
Allgemeiner Teil
Die Österreichische Bundesregierung verfolgt unter dem Diktat der Kostenkeule und einem
unter parteipolitischen Gesichtspunkten angestrebten Umbau im Rahmen der
Bundesstaatsreform und Verwaltungsreform eine Politik der Ausdünnung bzw.
Gefährdung der öffentlichen Leistungen vor Ort sowohl in den Städten insbesondere
aber im ländlichen Raum zu Lasten der dort lebenden und arbeitenden Menschen.
Durch diese Politik der Regierungsparteien wird der ländliche Raum "ausgehöhlt" und Kosten
auf die Gemeinden und die Länder abgewälzt, ohne sich um deren zukünftige Finanzierung
Gedanken zu machen. Unter einem werden bedeutsame Leistungen für die BürgerInnen ohne
Rücksicht auf Qualität und Auswirkungen auf die Preisgestaltung privatisiert. Gleichzeitig
werden damit aber jene Einrichtungen zerstört, die einen wesentlichen Teil der
Lebensqualität der Menschen bilden. Betroffen sind davon 56 % der österreichischen
Bevölkerung, die in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohner leben.
Mit der gegenständlichen "Dringlichen Anfragenserie" im Bundesrat soll auch auf den
Umstand aufmerksam gemacht werden, dass die einzelnen Mitglieder der Bundesregierung
nur die Auswirkungen der einzelnen ihnen zurechenbaren Maßnahmen im Auge haben, die
Bundesregierung in ihrer Gesamtheit aber die Gesamtauswirkungen aller Maßnahmen völlig
negiert. Die Gesamtauswirkungen führen aber zu:
einem Investitionsstopp von Seiten der öffentlichen Hand in den ländlichen Regionen;
dadurch zu einem Investitionsstopp von privaten Investoren;
einer Ausdünnung des ländlichen Raumes durch die Zerschlagung der Infrastruktur
(öffentlicher Verkehr, Postzustellung, Anschluss an moderne Medien, Schließung von
Schulen);
in weiterer Folge zu einer Landflucht durch junge Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, Familien mit Kindern, die entweder in einer
Kinderbetreuungseinrichtung untergebracht werden sollen oder die bestmögliche
Ausbildungsmöglichkeiten bedürfen;
dadurch zu einer Überalterung der Bevölkerungsstrukturen im ländlichen Raum,
wodurch auch der Investitionsanreiz wieder massiv herabgesenkt wird.
Alles in Allem löst die Bundesregierung für den ländlichen Raum eine Konjunktur - und
Lebensqualitäts - Spirale nach unten aus, deren Ende noch nicht absehbar ist.
In den letzten Monaten gab es für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Gemeinden und
Städte eine Hiobsbotschaft nach der anderen:
- Die Schließung zahlreicher Nebenbahnen und die Einstellung oder Kürzung von
Postbuskursen stehen im Raum,
- vielen Gemeinden droht der Verlust ihres Bezirksgerichts und dadurch der Verlust
von niedergelassenen Rechtsanwälten sowie die Schließung von Finanzämtern,
- die Reduzierung auf 3 bis 4 Finanzlandesdirektionen in ganz Österreich
- Zusammenlegungen vor allem im Pflichtschulbereich (gerade die Schließung von
kleinen Volksschulen macht eine Gemeinde für die Betroffenen besonders unattraktiv),
- massive Zusammenlegungen und Kürzungen bei den Gendarmerie - und
Polizeiposten,
- die Schließung von Postämtern und Kürzungen bei der Postzustellung und
- der verzögerte Ausbau moderner elektronischer Medien (ADSL, UMTS)
bedeuten einen Generalangriff der schwarz - blauen Bundesregierung auf die Lebens - und
Arbeitssituation der Menschen und sind ein gravierender Verlust für die Infrastruktur
und damit die Lebensqualität in den Regionen.
Es ist zu befürchten, dass mit der Zerstörung der regionalen Infrastruktur ein Abbau der
Wirtschaftsstandortqualität und eine Entsiedlung der ländlichen Gebiete einhergeht.
Tendenziell wird das eine weitere Verschlechterung der Infrastruktur, geringeren Anreiz tür
Betriebsansiedlungen und damit fehlende Arbeits - und Ausbildungsmöglichkeiten und
damit geringere Zukunftschancen für die Menschen und Regionen zur Folge haben.
Ergebnisse von parlamentarischen Anfragen:
Anfragenserien von sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Abgeordneten brachten den
Zynismus der blau - schwarzen Bundesregierung und die Abschiebung der Verantwortlichkeit
an die Länder und Gemeinden deutlich zu Tage:
So erklärte Forstinger auf die Frage, ob sie garantieren könne, dass der Nahverkehr im
ländlichen Raum in gleicher Qualität wie bisher erhalten bleibt:
"Die Erhaltung des Nahverkehrs im ländlichen Raum in gleicher Qualität wird vom Ergebnis
der Ausschreibung abhängen."
Zur Rolle des Bundes:
"Der Bund schichtet jährlich 20 % der Bundesmittel ab; die Leistungsanpassungen können
durch andere Besteller (???) aufgefangen werden."
Zur Frage, wann die Post - Autobus - AG tatsächlich privatisiert werden wird:
"Die Beantwortung fällt in den Kompetenzbereich des Bundesministers für Finanzen."
Es ist erschreckend, dass in solch bedeutsamen Materien die zuständigen Mitglieder der
Bundesregierung scheinbar nicht einmal in Kontakt sind und diesbezüglich Gespräche
führen.
Zur Einstellung von Nebenbahnen:
"Hiezu sind folgende Szenarien möglich:
(in Folge werden verschiedene Szenarien gezeichnet, wobei jeweils der ÖBB die
Entscheidung überlassen bleibt; die zuständige Bundesministerin hat kein Konzept und will
keine Verantwortung tragen)".
Zur Schließung von Postämtern:
"Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um unternehmensinterne Entscheidungen. Ich kann
daher zu diesen Fragen keine Auskunft geben."
Zur Erlassung der Post - Universaldienstverordnung:
"Ein konkretes Datum für die Erlassung dieser Verordnung kann derzeit noch nicht bekannt
gegeben werden."
Böhmdorfer zur Schließung von Bezirksgerichten:
"90 % der Bevölkerung kommen nie oder seltener als alle 5 Jahre mit einem Gericht in
Kontakt; die Frage der räumlichen Erreichbarkeit ist daher von nicht so hoher Relevanz."
Haupt zur Schließung von Außenstellen der Sozialversicherung:
"Konkrete Maßnahmen werden noch zu diskutieren sein, weshalb über die Standorte der
allenfalls einzusparenden Außenstellen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Aussagen
getroffen werden können."
Bartenstein zur Schließung von IESG - Außenstellen:
"Die Schließung der Außenstellen von Leoben, Wr. Neustadt und Bregenz stellen kein
Problem dar, da die ArbeitnehmerInnen die Kommunikation nahezu ausschließlich über die
Arbeiterkammern führen."
Strasser zur Schließung von Polizeiwachzimmern:
"Konkrete Aussagen über mögliche Zusammenlegungen einzelner Standorte können im
derzeitigen Stadium noch nicht getroffen werden. Auch der Personaleinsatz wird erst vom
Ergebnis der Untersuchungen bestimmt. Ob es zu Planstellenreduzierungen kommt, hängt erst
von diesem Ergebnis ab."
Strasser zur Schließung von Gendarmerieposten:
"Es ist keine Schließung eines Gendarmeriepostens vorgesehen."
(Dann folgt über drei Seiten eine Aufzählung jener Gendarmerieposten, die mit anderen
Gendarmerieposten zusammengelegt werden sollen.)
"Die Reduzierung von Planstellen stellt dabei kein Beurteilungskriterium dar."
Grasser zur Schließung von Finanzämtern:
"Diese sollen lediglich zusammengefasst werden... Die konkreten Standortausprägungen
werden gerade erarbeitet und liegen in regionaler Detailiertheit noch nicht vor."
Spezieller Teil
1a. Gendarmerieposten
Die Sicherheit der Bevölkerung, die Bekämpfung der Kriminalität und eine effiziente Polizei
und Gendarmerie sind der SPÖ ein besonderes Anliegen. Die Pläne des Innenministers, 119
Gendarmerieposten in ganz Österreich zu schließen, werden erhebliche Auswirkungen auf
den ländlichen Raum sowie auf die Sicherheitsstruktur in Ihrer Gemeinde haben und geben
daher zur berechtigten Sorge Anlass.
Die fortschreitende Zerschlagung der äußerst erfolgreich arbeitenden Bundesgendarmerie
fügt sich nahtlos in die Reihe aller anderen Regierungsmaßnahmen zur Ausdünnung des
ländlichen Raumes, wie beispielsweise die Schließung von Bezirksgerichten, Postämtern,
Schulen oder die Einstellung von Nebenbahnen.
Der in der Gemeinde integrierte Gendarm ist ein besonderes Kennzeichen unseres Landes.
Der Gendarmerieposten ist "die Anlaufstelle", an die sich die Bürgerinnen und Bürger 24
Stunden am Tag wenden können. Notrufsäulen und "Besuchstage" können dieses Service
nicht ersetzen und das Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit nicht erfüllen.
Durch die von der Regierung geplanten Maßnahmen wird die Gendarmerie von der
Bevölkerung entfremdet, weil sich die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr an den ihnen
vertrauten Inspektor von nebenan wenden können. Der zur Verhinderung und Aufklärung von
Kriminalfällen so wichtige persönliche Kontakt wird eingeschränkt, wodurch wichtige
Informationen verloren gehen und lebensrettende Hilfe möglicherweise nicht geleistet werden
kann.
Der Innenminister plant nicht nur die Schließung von Gendarmerieposten, sondern wird auch
das Personal der Gendarmerie um 340 Beamtinnen bzw. Beamten reduzieren. Durch diesen
Personalabbau können wichtige Aufgaben und Hilfestellungen durch die Exekutive nicht
mehr wahrgenommen werden.
Darüber hinaus besteht das Risiko, dass der Innenminister die Zerschlagung der Gendarmerie
weiter vorantreibt und dass in einer zweiten Welle weitere Postenschließungen bevorstehen.
In jedem Fall kommt es bei den Beamtinnen und Beamten der verbliebenen Posten durch die
Mitbetreuung der Gemeinden ohne Gendarmeriedienststellen zu einem erheblichen
Mehraufwand, was zu einem Sicherheitsvakuum in allen Gemeinden führen wird.
1b. Polizeiwachzimmer
Am 29. Juni d.J. hat in Wien ein Roundtable - Gespräch zum Thema Sicherheit stattgefunden,
an dem sich die Bezirksvorsteher aller Wiener Gemeindebezirke sowie Vertreter der Klubs
aller im Gemeinderat vertretenen politischen Parteien beteiligten. Als Ergebnis wurden von
Bürgermeister Dr. Michael Häupl im Einvernehmen mit den Bezirksvertretungen und den
Gemeinderatsklubs Briefe an den Bundesminister für Inneres sowie an den Bundesminister
für Finanzen formuliert, in welchem folgende Forderungen Wiens an die beiden betroffenen
Minister gerichtet wurden:
• keine Strukturveränderungen bei der Polizei zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung
und des Bürgerservices vorzunehmen;
• keine Reduktion der Anzahl der Wachzimmer zuzulassen;
. keine weitere Personalreduktion bei der Sicherheitswache und beim Kriminaldienst zu
dulden;
• den Personalaufnahmestopp bei der Wiener Polizei unverzüglich aufruheben und
• angesichts des sich bereits abzeichnenden Abganges einer großen Anzahl Wiener
Kriminalbeamten zum Bundeskriminalamt sofort einen Kriminalbeamtenkurs
einzuberufen, um den Stand der Wiener Kriminalbeamten aufzufüllen.
Ebenso wurde der Bundesminister für Inneres aufgefordert, die Stadt Wien und insbesondere
die Wiener Gemeindebezirke unverzüglich in den Diskussionsprozess über die Polizeireform
einzubinden.
Auch in anderen Städten und Ländern wurden einstimmige Resolutionen beschlossen, um den
hohen Standard der Polizei und der Sicherheit durch die Auflösung von Sondereinheiten und
die Reduktion von Planstellen nicht zu gefährden (siehe z.B. Beschluss des Salzburger
Landtages vom 9. Mai 2001).
2. Bezirksgerichte
Auf Grund der Anfragenserie von Bundesrat Prof Albrecht K. Konecny vom 9. Jänner d.J.
zum Thema Föderalismus an alle Mitglieder der Bundesregierung wurde erstmals das neue
Gerichtsorganisationskonzept von Bundesminister Böhmdorfer einer breiteren Öffentlichkeit
bekannt. Dieses ging vom Grundsatz "kleine Einheiten zu größeren Einheiten
zusammenzulegen" aus. Darüber hinaus sollte die neue Gerichtsorganisation zu einer
Spezialisierung der Gerichte führen. In diesem Konzept war vorgesehen, 213 Landes - und
Bezirksgerichte zu 64 Eingangsgerichten zusammenzulegen.
Als dieses neue Konzept in der genannten Dimension bekannt wurde, gab es umgebend eine
breite Ablehnung durch die politische Landschaft Österreichs. Auch hier ist besonders negativ
aufgefallen, dass die betroffenen Länder und Gemeinden in die Erstellung des Konzeptes
nicht eingebunden waren. Erst auf Grund der breiten Ablehnung wurden vom Bundesminister
für Justiz einschlägige Gespräche geführt bzw. angekündigt.
In der letzten Anfragebeantwortung strebt der Bundesminister für Justiz scheinbar eine
Lösung an, wo weitgehend am Sitz jeder Bezirkshauptmannschaft auch der Sitz eines
Eingangsgerichtes sein soll.
Um es klarzustellen: Die SPÖ war und ist grundsätzlich über eine sinnvolle Reform
betreffend ,,Kleinstbezirksgerichte" (mit oft nur einem Bruchteil eines Richterdienstpostens)
gesprächsbereit. Die vom Bundesminister für Justiz aber bisher angestrebten Modelle einer
"Reform" der Gerichtsorganisation sind aber sowohl von der Dimension als auch von der
Vorgangsweise her absolut unakzeptabel und würden zu einer krassen und
unverantwortlichen Benachteiligung des ländlichen Raumes erheblich beitragen.
3. Finanzämter, budgetäre Auswirkungen sowie Auswirkungen auf die
Investitionstätigkeiten der Gemeinden
Wurde im März 2001 noch angekündigt, dass eine Entscheidung über die künftige Funktion
der einzelnen Standorte von Finanzämtern bis Juni fallen werde, wurde diese Entscheidung
nunmehr in den Herbst verschoben. Zu Unterstützern des gefährdeten Finanzamtes Hartberg,
die 12.000 Unterschriften Bundesminister Grasser vorlegten, meinte Grasser: "Ich sehe
durchaus die Sorge um ihr Finanzamt. Die Unterschriften werden aber meine Entscheidung
nicht beeinflussen. Ehrlich gesagt, es ist mir wurscht. Was wäre, wenn mir alle 80
Finanzämter 15.000 Unterschriften brächten?"
Das vom Bundesminister für Finanzen angestrebte regionale Zweigstellenmodell in Form von
Finanzamtsverbänden ist auch ohne umfangreiche Schließungen von Standorten ein Schlag
ins Gesicht des ländlichen Raumes, da dies zur Folge hat, dass alle qualifizierten Aufgaben
von den Zentralstellen vorgenommen werden und die Zweigstellen lediglich als Anlaufstelle
fungieren. Alle MitarbeiterInnen der Finanzämter, die - wie in der Anfragebeantwortung
Grassers ausgeführt - eine Karriere anstreben, müssen daher zwangsweise eine Funktion in
den Zentralstellen wahrnehmen.
Den Gemeinden und ihren BürgerInnen erwuchs bisher ein immenser Schaden aus der Politik
der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP. Durch die Neuregelung der Getränkesteuer und der
Werbeabgabe im Sparpaketjahr 2000 entgehen den Gemeinden jährlich mehr als drei
Milliarden Schilling, die dringend für Investitionen gebraucht werden.
An den Investitionen hängen wieder Arbeitsplätze und notwendige Infrastruktur, die
gebraucht wird, um vor allem den ländlichen Raum als attraktiven Standort für Unternehmen
zu erhalten. Keine oder zu geringe Investitionen bedeuten Verlust an Standortqualität und
letztlich Abwanderung und Verödung ganzer Regionen. Darauf hat die SPÖ schon mehrfach
hingewiesen und immer wieder gefordert, in dieser Hinsicht ausreichende Gemeindefinanzen
sicherzustellen.
Die blau - schwarze Koalition ließ zum Schaden der GemeindebürgerInnen auch die Chance
ungenützt verstreichen, im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen bessere finanzielle
Rahmenbedingungen für die Gemeinden zu schaffen. Stattdessen wurden auch die
Gemeinden dazu vergattert, für den Fetisch Nulldefizit die Geldhähne noch weiter zuzudrehen
und noch weniger in ihre Infrastruktur zu investieren.
Das ist eine fatale Fehlentwicklung angesichts der auch in Österreich sich immer dramatischer
verschlechternden Konjunktur. Ernst zu nehmende Probleme treten deshalb bereits in der
Baubranche aus, in der fehlende Investitionen am unmittelbarsten auf den Arbeitsmarkt
durchschlagen. Dafür trägt alleine die völlig verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung
die Verantwortung.
Die 2359 österreichischen Gemeinden sind wichtige Auftraggeber für kleinere und mittlere
Unternehmen. Durch die von der Koalition von FPÖ und ÖVP eingeleitete fatale
Fehlentwicklung müssen die Gemeinden weiter auf die Investitionsbremse steigen. Unter den
sozialdemokratischen Regierungen haben die Gemeinden ihre Investitionen ständig erhöht,
von 1990 bis 1995 sogar um 50 Prozent. Seither stagnieren die Investitionen bei 36 Milliarden
Schilling.
Und nun sollen die Gemeinden neuerlich durch eine Steuerreform zur Kasse gebeten werden.
Denn die von Finanzminister Grasser und FP - Klubobmann Westenthaler versprochene
Steuersenkung kann nur bedeuten, dass auch die Gemeinden für die neuen Steuerzuckerln
wieder zur Kasse gebeten werden. Der Bund hat nämlich nichts zu verteilen - er fährt ja
immer noch ein jährliches Defizit von 25 bis 30 Milliarden Schilling ein. Neuerliche
Einnahmenausfälle durch eine Steuerreform 2003 sind den Gemeinden aber nicht zumutbar!
Die SPÖ verlangt daher von der Bundesregierung: Finger weg von den Gemeinden und ihren
BürgerInnen! Wir treten ein für ausreichende Finanzmittel, die unsere schönen Gemeinden
auch weiterhin gedeihen lassen. Denn sie sollen auch in Zukunft wertvoller Lebens - und
Wirtschaftsraum, vor allem in ländlichen Gebieten sein. Das muss die Bundesregierung
sicherstellen und wird dafür auch jede Unterstützung der SPÖ erhalten.
4. Infrastruktur (Nebenbahnen, Postbus, Postämter)
Diese Bundesregierung gefährdet die ausreichende Versorgung der Bevölkerung im
ländlichen Raum mit öffentlichen Verkehrsdienstleistungen und betreibt dabei eine
systematische Aushöhlung des öffentlichen Verkehrs. So wurde mit dem Inkrafttreten des
neuen Fahrplanes Anfang Juni der Betrieb auf sieben Nebenbahnen eingestellt (Weitersfeld -
Drosendorf, Göpfritz - Raabs, Ernstbrunn - Mistelbach, Poysdorf - Dobermannsdorf, Freiland -
Türnitz, Gmünd - Großgerungs und Gmünd - Litschau). Der Betrieb auf der Strecke
Siebenbrunn - Leopoldsdorf wird bis Jahresende fortgesetzt werden. Darüber hinaus wird eine
Nebenbahn in der Steiermark stillgelegt und der Betrieb der Ausserfernbahn in Tirol wurde
von der Deutschen Bahn für zwei Jahre übernommen.
Die FP/VP - Koalition hat darüber hinaus zu Beginn des Jahres die Poststrukturgesetznovelle
beschlossen. Damit wurden die Postbusse in eine österreichische Postbus - AG ausgegliedert
und der ÖIAG zur Privatisierung übertragen. Damit steht ein weiteres österreichisches
Schlüsselunternehmen zum Ausverkauf an das Ausland. Dabei wird ein neuer,
gewinnorientierter Eigentümer einem dem Kaufpreis angepasste Eigenkapitalrendite
einfordern, was zu steigenden Tarifen für die KonsumentInnen sowie zu finanziellen
Belastungen der Gebietskörperschaften führen wird. Darüber hinaus wird die Einstellung von
Kursen angedroht werden, wenn Länder und Gemeinden nicht bereit sind, höhere
Abgeltungen für nicht gewinnträchtige Kurse - insbesondere im ländlichen Raum - zu
bezahlen. Dies wird die öffentlichen Kassen massiv unter Druck setzen und andererseits mit
Sicherheit in finanzschwachen Gebieten zur Einstellung des öffentlichen Verkehrs führen.
Verschärft wird die Situation dadurch, dass auch vom derzeitigen Vorstand der Postbus - AG
ein Sanierungskurs eingeleitet wird. Dabei sollen die Mitarbeiter der Postbus - AG auf den
billigeren Personenbeförderungs - Kollektivvertrag umgestellt werden. Im Zuge der
Einsparungen sind auch nicht gewinnträchtige Kurse von der Einstellung bedroht.
Durch die derzeitige Bundesregierung ist die bisher hochwertige Qualität der Postdienste im
ländlichen Raum massiv bedroht. Dessen Qualität ist aber entscheidend für den
Wirtschaftsstandort und die Lebensqualität in den Regionen. Die Post -
Universaldienstverordnung, die seit längerem überfällig ist, soll diese Qualität auch unter den
neuen Rahmenbedingungen sicherstellen. Gleichzeitig wird von der Post AG die Schließung
von Postämtern im ländlichen Raum vorangetrieben. Dadurch, dass Bundesministerin
Forstinger die Post - Universaldienstverordnung bisher nicht erlassen hatte, können von Seiten
der Post AG ungehindert die Postämter geschlossen werden.
Als Reaktion darauf wurden in vielen Landtagen einstimmige Beschlüsse für die
flächendeckende und qualitative Versorgung der ländlichen Regionen mit Postdiensten sowie
den Erhalt der bisherigen Standorte von Postämtern und Postservicestellen gefasst.
5. Schulen
Die FP/VP - Regierung kürzt die finanziellen Mittel in unverantwortlicherweise bei einer der
wichtigsten und wesentlichsten Zukunftsfragen der jungen Menschen, in der Bildung,
Ausbildung und Weiterbildung. So wird es bereits ab dem nächsten Schuljahr 2.118
PflichtschullehrerInnen sowie 1.300 LehrerInnen an allgemein bildenden und berufsbildenden
höheren Schulen weniger geben. Bis 2004 werden rund 5.000 Lehrerinnen - Dienstposten im
Pflichtschulwesen - abgebaut. Insgesamt wird es daher bis zu 10.000 Lehrerinnen weniger
geben. JunglehrerInnen werden keine Anstellung mehr finden, junge, aber auch ältere
VertragslehrerInnen werden ihre Verträge nicht mehr verlängert bekommen. Die Angebote
von Sport, Musik - und Informatikunterricht werden reduziert. Die KlassenschülerInnen -
Zahlen werden sich erhöhen, die Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache
oder Kindern mit spezifischem Förderbedarf sowie Schikurse und Schullandwochen sind
gefährdet. Ländliche Kleinschulen müssen geschlossen werden.
In einer schriftlichen Budgetanfragebeantwortung vom 27.3.2001 teilte Bildungsministerin
Gehrer auf die Frage, ob es detaillierte Pläne über die von der Schließung betroffenen
Kleinschulen - vor allem in den ländlichen Regionen -, die auf Grund der Sparmaßnahmen
notwendig wären, gäbe, Folgendes mit: "Dem Bund kommt im Bereich der
Pflichtschulerhaltung nur die Grundsatzgesetzgebung zu. Die Ausführungsgesetzgebung ist
Ländersache, für Planungen über Gründung oder Auflassung von Pflichtschulen besteht daher
von Seiten des Bundes keine Zuständigkeit." Mit dieser rein formal begründeten
Beantwortung schiebt die Bildungsministerin die Verantwortung auf die einzelnen
Bundesländer ab. Dies lässt den Schluss zu, dass es doch zu Schließungen von Pflichtschulen
laut Medienberichten z.B. in Kärnten bis zu 38 Schulen - kommt.
Die Erhaltung der schulischen Infrastruktur ist allerdings zur Weiterentwicklung des
ländlichen Raums von großer Bedeutung. Durch die Bildungsabbau - Politik der FP/VP -
Koalition ist dieser Weg extrem gefährdet und die Chancengerechtigkeit - Bildung für alle
jungen Menschen in gleichem Maße sicherzustellen - bleibt auf der Strecke.
6. Soziales
a) Schließung von IESG Außenstellen
Per Gesetzesbeschluss vom 4. Juli 2001 wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ die
Privatisierung des Insolvenz - Ausfallgeldfonds beschlossen. Im Zuge dieser Privatisierung ist
unter anderem vorgesehen, Standorte zu schließen. Durch die Zusammenlegungen - und die
Einschränkung der flächendeckenden dezentralen Versorgung - müssen die betroffenen
ArbeitnehmerInnen eine weite Anreise in Kauf nehmen, wenn es ihnen nicht sogar unmöglich
wird, bei den in Einzelfällen notwendigen Vernehmungen vorzusprechen. Die beabsichtigte
Zentralisierung wird sich daher vornehmlich auch zu Lasten der KundInnen und
ArbeitnehmerInnen auswirken.
b) Schließung von Außenstellen der Sozialversicherung
Nach den Ankündigungen von Vertretern der Bundesregierung sollen 250 der insgesamt rund
400 Außenstellen der Sozialversicherung aufgelassen werden. Eine Einschränkung der
flächendeckenden dezentralen Versorgung wäre vor allem für jene Menschen eine spürbare
Verschlechterung, die am meisten auf diese Versorgung angewiesen sind: ältere, kranke und
behinderte Menschen, die über eine geringe Mobilität verfügen.
c) Drohende Abschaffung der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen
(BSB)
Die Bundessozialämter haben sich zu kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen
entwickelt, die aktive Beratung und Förderung für behinderten Menschen anbieten. Nahezu
alle arbeitsmarktpolitischen Fortschritte der letzten Jahre im Bereich der beruflichen
Integration behinderter Menschen, wie die Einführung der Arbeitsassistenz, gingen auf
Initiativen der BSB zurück und wurden zu einem großen Teil auch von diesen finanziert.
Nun sollen die BSB nach den Plänen der FPÖVP ausgegliedert werden, das kommt einer
Abschaffung gleich. Es ist zugleich symptomatisch und entlarvend, dass sich die FP/VP -
Koalition dieser wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe entledigen will.
Die BSB zählen vor allem kranke behinderte BürgerInnen, die arbeitslos, armutsbedroht oder
sonst in schwierigen Lebenslagen sind zu ihren KundInnen. Sie sind der unmittelbare Beitrag
des Bundes zur Verhinderung bzw. Beseitigung von Armut und zur Integration behinderter
Menschen in unserer Gesellschaft.
7. Frauenpolitik, Kinderbetreuungseinrichtungen
Durch den Wegfall der Getränkesteuer und dem Umstand, dass der Entfall durch keine
adäquaten Einnahmen kompensiert werden konnte, sind die Gemeinden einer enormen
finanziellen Belastung ausgesetzt. Diese Belastung hat zur Folge, dass die Leistungen, welche
die Gemeinden erbrachten, gekürzt werden.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen
von den Gemeinden sehr rasch und sehr "effektiv" gespart wird. Nun ist zu befürchten, dass
die ohnehin sehr unzufriedenstellende Situation im Bereich der
Kinderbetreuungseinrichtungen sich noch zusätzlich verschlechtert und damit die Möglichkeit
der Berufstätigkeit für Frauen zusätzlich eingeschränkt wird. Hier muss auch insbesondere auf
den Wegfall der Wiedereinsteigerinnenkurse und der Wiedereinsteigerinnenförderungen
verwiesen werden.
Für junge Mütter ergibt sich damit im ländlichen Bereich eine zusehends sich
verschlechternde Vermittelbarkeit. Die Verdrängung der Frauen aus dem Arbeitsmarkt gerade
im ländlichen Raum wird damit von der Regierungspolitik systematisch vorangetrieben und
gefördert. Für den sozialen Bereich bedeutet diese Verweigerung der Möglichkeit der
Frauenerwerbstätigkeit auf der einen Seite eine Absicherung männlich - patriarchaler
Strukturen und konservativer Gesellschaftsbilder, auf der anderen Seite Verarmung und/oder
Abwanderung.
Stellungnahmen zu den Reformvorschlägen der Bundesregierung
1. Burgenland
Bemerkenswerter "Schulterschluss" von ÖVP und SPÖ Burgenland über SPÖ Kärnten
und ÖVP/SPÖ Salzburg bis zu den Rechtsanwälten: Alle lehnen das neue Konzept des
Justizministeriums zur Gerichtsstruktur - Zusammenfassung der derzeit 192 Bezirks - und 21
Landesgerichte zu 64 "Eingangs - oder Regionalgerichten" - ab. Die ÖVP Burgenland
argumentiert: Würden die Bezirksgerichte geschlossen, würde zusätzlich Infrastruktur vom
ländlichen Raum abgezogen und in die Ballungszentren verlagert. SPÖ Kärnten: "Der Justiz -
Zentralismus bringt eine krasse Verschlechterung für die Bevölkerung." Für die
Beibehaltung der Bezirksgerichte ist auch die SPÖ Salzburg: die ÖVP Salzburg ist dagegen,
dass "immer an der untersten Ebene gespart wird". Niederösterreichs LH Erwin Pröll sieht in
dem Plan "Pro und Contra". ÖVP - Justizsprecherin Maria Fekter geht auf Distanz: Sie will
den Vorschlag von FPÖ - Justizminister Dieter Böhmdorfer "nicht im Detail kommentieren",
sorgt sich aber "um die Infrastruktur im ländlichen Raum".
Auch im Burgenland wurden scharfe Töne angeschlagen. "Man habe die besondere
Lage des Burgenlandes mit seiner 400 Kilometer langen Außengrenze nicht
berücksichtigt", meinte LH Hans Niessl.
SP - Klubobmann Darabos: "An der Grenze werden ganze Regionen sicherheitspolitisch
ausgeräumt."
Paul Kiss: "Unter Innenminister Strasser werde es zu keiner Schließung von
Gendarmerieposten kommen."
Strasser: "Im Burgenland werde es zu keiner Schließung von Gendarmerieposten kommen."
(dies allerdings vor den burgenländischen Landtagswahlen)
2. Kärnten
"Es reicht": Sonderlandtag gegen die Zentralisierer
Kahlschlag quer durch den öffentlichen Bereich versetzt VP und SP in Alarm. VP hofft,
dass alle Landtagsparteien an einem Strang ziehen.
Die Meldung, dass die Finanzämter in Wolfsberg und St. Veit zu Servicestellen degradiert
und die Finanzlandesdirektion eventuell überhaupt ausradiert wird, brachte jetzt auch auf
politischer Ebene das Fass endgültig zum Überlaufen. "Jetzt reicht es!" fasste VP -
Klubobmann Klaus Wutte in einem Satz den Unmut zusammen, der sich nach fortwährenden
Meldungen über Schließungen von Schulen, Postämtern, Regionalkrankenhäusern,
Bezirksgerichten und Gendarmerieposten aufgestaut hat. "Wir werden mit allen Mitteln gegen
diesen Anschlag auf den ländlichen Raum vorgehen. Es geht nicht an, dass gewachsene
Strukturen aus einer Laune heraus über den Haufen geworfen werden und der Bund seine
budgetären Probleme auf dem Rücken der Länder und Regionen zu lösen versucht."
Wurmitzer: "Die Arroganz Strassers ist unerträglich. Die Kärntner ÖVP zeigt dem
Innenminister nun die rote Karte. Strasser hat mit der Kärntner ÖVP nie wirklich über die
Schließung verhandelt, sondern nur mit dem Landeshauptmann. Das ist ein Skandal."
"Strasser hat bislang in dieser Sache eindeutig parteischädigend agiert. Sollten die
Verhandlungen keine Besserung der Situation ergeben, werde ich das Parteischiedsgericht
anrufen und den Ausschluss Strassers beantragen."
Im Namen der SP - Bürgermeister und Vizebürgermeister der 13 Gemeinden des Bezirk es
Völkermarkt fordert der Bezirksparteivorsitzende SP - Landtagsabgeordneter Manfred
Volautschnig Landeshauptmann Jörg Haider auf, umgehend Maßnahmen zu setzen, um den
drohenden Abbau der ländlichen Infrastruktur im Bezirk zu stoppen. Die Völkermarkter SPÖ
wolle nicht tatenlos zusehen, wie die Gemeinden durch falsch verstandene Sparpolitik
ausgehungert und Volks - und Hauptschulen, Gendarmerieposten sowie Bezirksgerichte
geschlossen werden.
3. Niederösterreich
Ewald Sacher, SP - Klubobmann im Landtag, warf Strasser hingegen den "Bruch aller
Zusagen" vor. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden seien nach seinem Wissenstand
"nicht befasst" worden. "Niederösterreich ist das Bundesland, in dem die meisten Posten
geschlossen werden."
Für FP - Landesobmann Ernest Windholz ist die Schließung von Gendarmerieposten in
Zeiten steigender Kriminalität ein "völlig falsches Signal". Von seiner Partei gebe es dafür
"keinerlei Zustimmung".
Gegen den "sicherheitspolitischen Kahlschlag" der Schließung von Gendarmerieposten
protestierte die SPÖ - Baden mit einer Unterschriftenaktion, die in drei Wochen von 5140
Personen unterstützt wurde. "Ein Ergebnis, auf das wir stolz sein können und das
dokumentiert, dass es sich bei den Bedenken nicht um Forderungen von Funktionären
handelt, sondern um ein echtes Anliegen der Bevölkerung", meinte Emil Schabl, zweiter
Präsident des NÖ Landtages. Man mutmaßt, dass die SP - Kampagne dazu geführt hat, dass
der Gendarmerieposten Trumau von der "Schwarzen Liste" wieder entfernt wurde. Im Bezirk
Baden sollte nur Pfaffstätten betroffen sein. Man hofft auch, dass bei den Planposten ein
Umdenken einsetzt. Bereits jetzt gibt es in manchen Bezirken eine Personalunterdeckung
bis zu 15 Prozent.
"Die erfolgreiche Unterschriftenaktion ist für uns aber nur ein Zwischenschritt. Angeblich
sind zehn Postämter im Bezirk von der Schließung bedroht. Wir werden auch hier aktiv
bleiben", so SP - Bezirksvorsitzender Otto Pendl. Von der Schließung bedroht seien laut SP -
Baden weiters die Bezirksgerichte in Pottenstein und Ebreichsdorf sowie das Finanzamt in
Baden.
Pulkau hat es erwischt. Der Gendarmerieposten im niederösterreichischen Grenzbezirk
Hollabrunn muss zusperren. VP - Bürgermeister Manfred Marihart ist enttäuscht. "Seit
Jahren verlieren wir Ämter und Behörden." Bezirksgerichte, Bauernkammern und
Postämter verschwinden. Jetzt auch der Gendarmerieposten. "Wir sind bald nur mehr eine
Schlafregion", sagt Karl Platz, VP - Ortschef im benachbarten Zellerndorf. Die meisten
Menschen pendeln nach Wien und hinterlassen Geisterdörfer.
Alexander Klik, VP - Bürgermeister der niederösterreichischen 8000 - Einwohner - Stadt
Horn, befürchtet einen nachhaltigen Qualitätsverlust: "Bei uns stehen das Gericht und das
Finanzamt in Diskussion. Wenn man die wirklich schließt, gehen wichtige Arbeitsplätze
verloren, was bedeuten würde, dass viele Jugendliche in andere Regionen abwandern
müssen."
4. Oberösterreich
Als "Schlag ins Gesicht" und "herbe Enttäuschung" empfindet der Baumgartenberger
Bürgermeister Erwin Kastner die Schließung des Gendarmeriepostens in seiner Gemeinde.
"Damit geht ein Stück Sicherheit und Lebensqualität für den ländlichen Raum verloren.
Scheibchenweise werden die ländlichen Regionen ausgehungert: Gendarmerieposten,
Postämter, Bezirksgericht."
Dass von den 15 in Oberösterreich von der Schließung betroffenen Gendarmerieposten
alleine 7 im Mühlviertel liegen, ist "ein Wahnsinn". Eine Region, die ohnedies nicht gerade
bevorzugt sei, werde noch weiter benachteiligt. "Und dazu liegt diese Region an der EU -
Außengrenze, da ist es schon ein wenig frivol, vom Schreibtisch aus Zahlen zu revidieren,
ohne die Gegebenheiten zu kennen", so Bürgermeister Kurt Gassner (Schwertberg).
Pühringer steht auch voll hinter dem ländlichen Raum. "Der muss dem Bund in Zukunft
auch etwas wert sein", so der Landeshauptmann.
Bürgermeister Franz Dopf machte schlechte Erfahrungen mit Innenminister Strasser: "Er
versprach, vor der endgültigen Entscheidung noch mit dem Bezirk und den Gemeinden
Rücksprache zu halten. Er hat jedoch nicht mehr mit uns gesprochen. Das ist befremdend."
5. Salzburg
Die FP - Regierungsmitglieder haben einen unseligen Zug zum Zentralismus. "Da scheint man
leider Verwaltungsreform mit Zentralismus zu verwechseln", so Salzburgs Landeshauptmann
Franz Schausberger.
Salzburg habe sich gegen die Zusperrpläne bei der Gendarmerie ausgesprochen, so Franz
Schausberger.
Eindeutig gegen die geplante Schließung "ihres" Gendarmeriepostens hat sich die Pucher
Bevölkerung ausgesprochen. 2500 Bewohner der Tennengauer Gemeinde haben in einer
Protestaktion für den Verbleib des Postens unterschrieben. "Das sind über 90 Prozent der
Wahlberechtigten", betont Bürgermeister Helmut Klose (ÖVP) erfreut. Die gesammelten
Unterschriftenlisten wurden bereits direkt in das Büro von Innenminister Ernst Strasser
geschickt. Was Klose ärgert: "Bis heute haben wir keine Antwort erhalten."
Salzburgs Landtagspräsident Helmut Schreiner (ÖVP) wehrt sich gegen massive
Zentralisierung durch Wiener Behörden und die Bundesregierung. Er pocht auf legitime
Bedürfnisse der Bundesländer und fordert Umkehr.
Landeshauptmann - Stellvertreterin Gabi Burgstaller (SP): "11 Orte sind alleine im
Pinzgau durch Schließung der Postämter gefährdet. Das sei ganz klar ein Plan auf Kosten der
Menschen in vielen Landgemeinden und bedeute auch weniger Arbeitsplätze. Wir müssen uns
laut und deutlich und rechtzeitig gegen die Kahlschlagpläne zur Wehr setzen."
Auch ÖVP - Landesgeschäftsführerin Gerlinde Rogatsch betont, man werde sich gegen eine
Zerschlagung der Strukturen auf dem Land zur Wehr setzen.
6. Steiermark
Der Sparkurs im Bund und Land führt zu einer Entleerung der ländlichen Räume".
befürchtete SP - Landtagsklubobmann Siegfried Schrittwieser bei einer Pressekonferenz in
Hartberg: "Finanzämter, Bezirksgerichte und Gendarmerieposten werden zugesperrt. Wenn
man Behördenposten aus den Bezirken entfernt, dann wird in weiterer Folge auch die
restliche Infrastruktur darunter leiden und die Region für die Menschen unattraktiv."
Unter dem Sparkurs der öffentlichen Hand leide bereits die Bauwirtschaft, so Schrittwieser:
"Das Land Steiermark hat heuer noch keinen einzigen neuen Bauauftrag vergeben." Die
neuen Richtlinien für die Bedarfszuweisungen trieben die kleinen Gemeinden zusätzlich in
eine "Schuldenfalle": "Wenn nur 40 bis 60 Prozent bei Projekten vom Land mitfinanziert
werden, dann müssen Orte mit geringen Steuereinnahmen entweder Schulden machen oder
darauf verzichten." Und dies wirke sich wieder auf die Auftragslage der Firmen aus. "60
Prozent aller öffentlichen Aufträge im Land kommen von den Gemeinden."
"Es kann nicht sein, dass die einzelnen Ministerien ständig mit dem Schlüsselbund rasseln, da
wie dort einsparen wollen, dadurch aber strukturschwache Regionen gefährden"‘ ärgert sich
VP - Parteiobmann Schöggl.
"Man höre stets, die Sozialämter in den Ländern würden wegrationalisiert, die
Bezirksgerichte verkleinert, die Finanzämter geschrumpft, im Bildungsbereich gespart", listet
Schöggl auf.
Landeshauptfrau Waltraud Klasnic stellte dezidiert klar: "Eine Sperre von 26 Gerichten
werde es nicht spielen". Ohne Einvernehmen mit Bürgermeistern und Bevölkerung werde sie
politisch nicht agieren.
FP - Klubchef Franz Lafer: "So darf man mit der Exekutive nicht umgehen."
Franz Lafer: "Die VP hat Verrat an der Exekutive betrieben.
7. Tirol
Der Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner hat sich erneut gegen die Absicht der
Bundesregierung ausgesprochen, wichtige Einrichtungen in den Regionen wie etwa
Finanzämter, Bezirksgerichte und Postämter zu schließen. "Wer Verwaltungsreform mit
Zentralisierung verwechselt, nimmt fahrlässig in Kauf, dass der ländliche Raum an
Attraktivität verliert", betont Weingartner. "Sollte diese teilweise planlose Entwicklung
fortgesetzt werden, dann käme der ländliche Raum völlig unter die Räder - mit deutlich
spürbaren Folgen für die einzelnen Bürger", sagte Weingartner.
Bürgermeister Andreas Köll (ÖVP) ist nicht bereit, das Papier ausgefüllt an das
Justizministerium zu retournieren: "Ich leiste einer möglichen Schließung unseres Gerichtes,
das für sieben Kommunen da ist, keinen Vorschub", argumentiert Köll. Geharnischt ist
hingegen die Kritik, die der politische Chef der Tauernkommune in Wien anbringt: "Den
Landregionen werden sukzessive die Lebensadern abgetrennt". Das Auflassen von Gerichten.
Bus - und Bahnverbindungen, Schülertransport - Einrichtungen, Gendarmerieposten,
Postämtern, Bezirksforstinspektionen, Nahversorgern, Regionalstellen von
Energieversorgungs - Unternehmen, und, und, und erachtet Köll schlichtweg als
"verheerenden Anschlag auf den ländlichen Raum".
8. Vorarlberg
Als Frontalangriff des Finanzministers auf den Föderalismus bezeichnet
Landeshauptmann Herbert Sausgruber die Pläne, die Finanzlandesdirektionen abzuschaffen.
Diese Maßnahme würde Wirtschaft und Bürger massiv belasten.
Bei der Präsidiumssitzung am Montag unterstrich die ÖVP - Spitze den Sausgruber - Kurs,
gegen eine Erhöhung der Grundsteuer einzutreten. ,,Zentralisierungsvorstellungen im
Bereich Finanzverwaltung, Gerichtsbarkeit und AMS werden geschlossen abgelehnt",
heißt es.
"Die Bezirksgerichte und das Landesgericht müssen in Vorarlberg erhalten bleiben", so
Landtagsabgeordneter Siegi Neyer (FP).
"Wir lassen uns nicht abräumen, weder finanziell noch in den Strukturen", so
Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber.
9. Wien
Sorgen um die Sicherheit in Wien machen sich die Stadtverantwortlichen. Nach einem
"Gipfel" mit den Bezirksvorstehern und den Klubchefs aller Parteien richtete Bürgermeister
Häupl einen Brief an die Minister Strasser und Gasser. Das Schreiben ist ein Appell, die
Polizei nicht kaputtzusparen.
Dennoch war der runde Tisch der Stadtpolitiker von Alarmstimmung geprägt. Ihnen liegen
neueste Zahlen vor, wonach im Bereich der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion
Wien bereits mehr als 500 Beamte fehlen ("5372 statt der im Stellenplan ausgewiesenen
5888").
"Die rückläufige Zahl der Sicherheitsorgane lässt eine Aufrechterhaltung der für die
Bevölkerung so wichtigen Polizeipräsenz zweifelhaft erscheinen", schreibt Bürgermeister
Häupl an Innenminister Strasser. Es sei daher dringend erforderlich, den Personal stopp
aufzuheben, keine Wachzimmer zu schließen und den Stand der Krirninalbeamten wieder
aufzustocken.
Häupl an die Minister Strasser und Grasser: "Als Landeshauptmann kann ich die
Tendenz zum Kaputtsparen der Wiener Polizei nicht akzeptieren."
10. Diverses
Der Vizepräsident des Bundesrates Jürgen Weiss zerpflückt Böhmdorfers
Fusionierungspläne:
Für Bundesrats - Vizepräsident Jürgen Weiss ist bis jetzt aber nicht nachvollziehbar, wie mit
der bloßen Konzentration von Dienststellen erhebliche Einsparungen erzielt werden sollen.
Der Vorarlberger VP - Politiker beruft sich bei seiner Kritik auf den Rechnungshof. Laut
diesem habe die 1992 in NÖ vorgenommene Zusammenlegung von 14 Bezirksgerichten
ganze 4 Beamtenposten und dreieinhalb Reinigungskräfte eingespart.
Nicht nur mit Bedauern, sondern mit Argwohn sieht man in Rainbach der geplanten
Postenschließung entgegen. Spontan erklärten sich 560 Gemeindebewohner mit ihrer
Unterschrift bereit, den Gendarmerieposten zu unterstützen. Warum die Gendarmerie die
Gemeinde verlassen soll, ist der Bevölkerung nicht klar.
Kritik an Justizminister Dieter Böhmdorfer übte die "überregionale Plattform zur
Erhaltung der Bezirksgerichte" gestern anlässlich der Disskusion über die
Zusammenlegung von Bezirksgerichten im Nationalrat. Der Sprecher der Plattform, der
Bürgermeister von Bad Leonfelden, Alfred Hartl (VP), befürchtet einen "Kahlschlag" und
eine Ausdünnung des ländlichen Raumes.
Die Diskussionen um die Schließung von Gendarmerieposten erreichten Donnerstag einen
neuen Höhepunkt. Während das Innenministerium den positiven Abschluss der
Verhandlungen für mehrere Bundesländer bekannt gab, häuften sich kritische Stimmen.
Einen Tag nach dem Kärntner VP - Vorsitzenden Georg Wurmitzer ging Niederosterreichs
Landeshauptmann Erwin Pröll scharf mit seinem Parteifreund Innenminister Ernst Strasser ins
Gericht. "Ich dulde es nicht länger, dass Niederösterreichs Sicherheit von Wien aus
kommandiert wird", so kommentierte Pröll die geplanten Maßnahmen.
Auch der Fraktionsvorsitzende der VP - Bundesräte Ludwig Bieringer führte zur geplanten
Verwaltungsreform aus: "Die Crux: Die Verwaltungsreform bestreitet niemand, sie muss aber
immer beim anderen stattfinden. Der Bund sagt bei den Ländern, die Länder sagen beim Bund
und den Gemeinden." In diesem Ringspiel bliebe der Föderalismus auf der Strecke.
Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für Justiz nachstehende
Dringliche Anfrage:
1. In der Anfragebeantwortung 2367/AB (NR) vom 29. Juni 2001 verweisen Sie auf
laufende Verhandlungen mit der Landesregierung.
Mit welchen Bundesländern liegen bisher abschließende Ergebnisse vor und wer hat
dabei die Interessen der Länder und Gemeinden wahrgenommen?
2. Wie lauten diese im Detail?
3. Welche Kostenreduktionen sind durch die abgeschlossenen Verhandlungsergebnisse
im Detail zu erwarten?
4. Welche Gespräche sind noch zu führen und wann werden Sie alle Verhandlungen
abgeschlossen haben?
5. Welche ungefähren Kostenreduktionen erwarten Sie sich von den noch ausstehenden
Verhandlungsergebnissen?
6. Sind die betroffenen Bürgermeister in die Verhandlungen eingebunden?
7. Sind Sie bereit, über die Ergebnisse der Verhandlungen dem Bundesrat berichten?
8. Welche externen Beratungsleistungen haben Sie für das neue Gerichtskonzept zu
welchen Kosten in Anspruch genommen?
9. Medienberichten zu Folge soll das Justizministerium Dienstleistungen von McWeb in
Anspruch genommen haben, obwohl der Kommanditist von McWeb, Walter Asperl,
Mitglied der rechtsextremen Wiener Burschenschaft ‚,Olympia" ist und dieser
Verbindung im jüngsten Rechtsextremismusbericht des Innenministeriums "die
unterschwellig ausgehende rechtsextreme Ideologieverbreitung" vorgeworfen wird.
Teilen Sie die Einschätzung des Rechtsextremismusberichtes?
10. Stimmen die Medienberichte, wonach es Aufträge Ihres Ressorts an McWeb gegeben
hat bzw. gibt?
11. Wenn ja, welche Aufträge hat McWeb im Detail erhalten?
12. Welchen Zugang zu personenbezogenen Daten insbesondere der Integrierten
Vollzugsverwaltung haben MitarbeiterInnen von McWeb erhalten?
13. Wenn Frage 10 mit Nein beantwortet wird:
Wie erklären Sie sich die Angaben von McWeb für das Justizministerium designend,
programmierend und analysierend tätig zu sein?
14. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen aller Maßnahmen der Mitglieder der
Bundesregierung und der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit (von der Einstellung
von Nebenbahnen über die Schließung von Gendarmerieposten und Bezirksgerichten
über die Einstellung der Postdienste bis hin zum Investitionsstopp in den Gemeinden
durch die öffentliche Rand und in Folge durch Private) auf die Lebenssituation und
Wirtschaftssituation im ländlichen Raum?
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln.