1913/J-BR BR
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3 GO-BR
Die Reihe von unglücklichen Ereignissen bzw. aufklärungsbedürftigen Aktionen, die sich in
den letzten Monaten häuften und die österreichische Außenpolitik beinahe ausschließlich
prägten, hat die sozialdemokratische Bundesratsfraktion zu einer Reihe von Dringlichen
Anfragen veranlaßt. Im Zentrum jeder Einzelnen stand die Sorge um das österreichische
Ansehen und die Beschädigung der internationalen Reputation Österreichs durch eine
"unsachgemäße", den internationalen Gepflogenheiten und Usancen entgegengesetzte
Außenpolitik.
Die österreichische Außenpolitik war in der 2. Republik zutiefst vom Aufbau und dem
Mitwirken an internationalen Friedensprozessen geprägt. Dies spiegelte sich nicht nur in der
Kreisky'schen Nahost-Politik, in der Brückenfunktion zwischen den Vertretern des Ost- und
Westblocks in den Jahren des Kalten Krieges, sondern auch an der Teilnahme an humanitären
Aktionen im Rahmen der Vereinten Nationen wieder, was zu Österreichs hoher Reputation in
Menschenrechtsfragen und in friedenserhaltenden Einsätzen führte. Österreich diente
geradezu als Beispiel für aktive Mitwirkung zur Umsetzung der Politik der Vereinten
Nationen.
Die österreichische Neutralität hat dabei nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern auch den zur
Verfügung stehenden Handlungsspielraum entscheidend positiv geprägt.
Diese österreichische Tradition ist in den letzten Monaten, aber insbesondere in den letzten
Wochen verlassen worden. Teils aus Inkompetenz, teils aus Selbstdarstellungszwecken wurde
der österreichischen internationalen Reputation tiefster Schaden zugefügt.
Der aktuelle Fall der aufklärungsbedürftigen Vorfälle und Vorgangsweisen im Bereich der
österreichischen Außenpolitik reiht sich in die unglückliche Politik der letzten Wochen und
Monate ein, geht aber gleichzeitig darüber weiter hinaus und läßt grundsätzliche Fragen über
die sorgsame Wahrnehmung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Österreicherinnen durch
die Mitglieder der derzeitigen Bundesregierung aufkommen.
Die Vorgänge rund um die Repatriierung eines österreichischen CIVPOL-Polizisten
begründen die weitere Gefährdung und Beeinträchtigung der Reputation Österreichs als
sicheren und verlässlichen Partner bei internationalen Friedenseinsätzen. Sie begründen aber
auch die berechtigte Sorge um die Wahrung der bestmöglichen Absicherung und
Hilfestellung für österreichische Angehörige von UNO-Friedenseinsätzen.
Die nunmehr in der Vorwoche publik gewordenen Vorfalle rund um diese Repatriierung reiht
sich in die Abfolge jener Politik ein, die dem österreichischen Ansehen gerade bei den
Vereinten Nationen eine irreversible Beeinträchtigung zugefugt haben. Wie auch in anderen
Fällen, in denen die demokratische Öffentlichkeit und das Parlament berechtigte
Aufklärungsforderungen an die Regierung stellte, übte und übt sich die Bundesregierung in
Verschweigen und Vernebeln. Nicht die Aufklärung des Falles wird mit aller Energie
vorangetrieben, sondern im Zentrum des Agierens steht das Bemühen, Kontrolle bestmöglich
zu verhindern und die Fragen der demokratischen Opposition zu diffamieren. Aufgrund des
Sachverhaltes wird dann die politische Verantwortung festzuhalten sein.
Festgehalten werden muss auch in der Causa Kosovo: Bisher liegt der österreichischen
Öffentlichkeit keine umfassenden Informationen zum Sachverhalt vor. Diese Aufklärung
herbeizuführen, ist Sinn dieser Dringlichen Anfrage. Um jedes Missverständnis zu vermeiden,
soll hier betont werden: Mit dieser Anfrage wollen die Anfragestellenden weder eine
Vorverurteilung gegenüber einem österreichischen CIVPOL-Polizisten vornehmen, noch auch
nur der Möglichkeit einer etwaigen Gefährdung seines Gesundheitszustandes oder seiner
Unterwerfung "unter Ermittlungen, die seine grundlegenden Menschenrechte" verletzen
könnten, das Wort reden.
Am 25. Februar d.J. nimmt ein österreichischer CIVPOL-Polizist gemeinsam mit Kollegen
einen Lokalaugenschein mit einem des Raubes verdächtigen Kosovaren vor. Während dieser
Amtshandlung soll es zu Übergriffen gegenüber dem Festgenommenen gekommen sein.
Diese Vorwürfe richten sich auch gegen den österreichischen CIVPOL-Polizisten; Schläge in
den Bauch werden kolportiert, aber auch das "Ausheben des eigenen Grabes".
Am 27. Februar laufen die Repatriierungsvorbereitungen - soweit bis jetzt bekannt ist - an.
Das Bundesministerium für Inneres ersucht das Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten um Amtshilfe bei einer Repatriierung eines CIVPOL-Polizisten. Es werden
"disziplinäre Gründe" angeführt.
Gegen eine mögliche Repatriierung werden von hohen Beamten Bedenken erhoben.
Laut Zeitungsberichten soll an diesem Tag aber auch ein Ersuchen des Bundesministeriums
für Inneres betreffend der Repatriierung des österreichischen CIVPOL-Polizisten aus
"gesundheitlichen Gründen" bei der UNO eingelangt sein, genauso wie der Antrag der UNO
die Immunität des österreichischen CIVPOL-Polizisten aufzuheben.
Ohne eine Antwort der UNO abzuwarten und ohne diese darüber zu informieren, soll am
28. Februar der österreichische CIVPOL-Polizist von seinem Vorgesetzten, Arnold
Holzmann, aus dem Militärspital abgeholt und zum Flughafen in Skopje gebracht worden
sein. Dort bestieg er den AUA-Flug OS780 und landet am l. März um 18.40 Uhr in Wien.
Nach einer kurzen ärztlichen Untersuchung wird der - laut Ferrero-Waldner —
suizidgefährdete Polizist, dessen Leben angeblich akut gefährdet gewesen ist, einfach 14 Tage
in den Krankenstand geschickt.
Gleichzeitig werden Vorwürfe erhoben, dass die Untersuchung gegenüber dem
österreichischen Beamten in menschenrechtsverletzender Weise durchgeführt wurde.
Entspricht das der Wahrheit, stellt sich die Frage, warum diesbezüglich nichts unternommen
wird, da jeder das Recht hat, dass bei allen Verfahren die Menschenrechte und die
Menschenwürde beachtet werden.
Der bisher aus den Medien bekannte Sachverhalt muss auf Grund der divergierenden
Aussagen als äußerst widersprüchlich aufgefasst werden. Insbesondere ist bemerkenswert,
wie sich die Heimholung des CIVPOL-Polizisten innerhalb weniger Tage aus einer Aktion
aus "disziplinären Gründen" entwickelte, wie von einer Aktion zur Sicherstellung, "dass sich
Freiwillige noch melden" (Zeit im Bild 2, 7.3.2002), zuletzt sich diese Aktion als eine rein
humanitäre zum Schutz eines österreichischen Statsbürgers erfolgte Hilfsaktion verwandelte
und am Ende nur mehr eine "Intrige" als Kern der Causa präsentiert wurde.
Der bisher aus den Medien bekannte Sachverhalt ist daher grob widersprüchlich, einige
Argumentationen schließen sich gegensätzlich aus und sind in sich unlogisch.
Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für Inneres
nachstehende
Anfrage:
1. Welchen Beitrag hat das Bundesministerium für Inneres zu dem Brief an Kofi Annan in
dieser Angelegenheit geleistet?
3. Haben Sie einen Antrag an die Vereinten Nationen auf Repatriierung des betroffenen
Exekutivbeamten gestellt?
Wenn ja, wann und aus welchem Grund, und wann aus welchem Grund?
4. Ist es richtig, dass Ihr Ressort unter der Zahl 6224/5987-11/23/02 zunächst um Amtshilfe
bei einer Repatriierung aus "disziplinären Gründen" ersucht hat und erst danach eine
Repatriierung wegen "Selbstmordgefahr" befürwortet hat?
6. Welche Antworten haben Sie von Seiten der Vereinten Nationen auf diesen Antrag hin
erhalten?
7. Welche Reaktionen gab es von Seiten der UNO Ihnen gegenüber zu dem vorliegenden
Sachverhalt darüber hinaus?
8. Haben Sie die Angelegenheit in der Regierungssitzung in St. Wolfgang erörtert?
Wenn ja, was war das Ergebnis dieser Erörterungen?
9. Wann wurde Ihnen der gegenständliche Sachverhalt (Verhaftung des österreichischen
UN-Polizisten wegen Foltervorwürfen) bekannt?
11. Welche Weisungen bzw. Anordnungen haben Sie aufgrund dieses Sachverhaltes wann
wem erteilt?
12. Werden österreichische Teilnehmer von Auslandseinsätzen vor dem Antritt ihres
Einsatzes hinsichtlich ihrer psychischen Belastbarkeit in extremen Problemlagen
untersucht?
13. Sorgt das Bundesministerium für Inneres dafür, dass österreichische Teilnehmer an UN-
Aktionen psychologische Betreuung bekommen?
14. Wer hat Ihnen die Informationen über den bedrohlichen Zustand des betroffenen
CIVPOL-Polizisten übermittelt?
16. Welche Vorwürfe wurden im Detail von Seiten der Vereinten Nationen gegen den
österreichischen Polizisten erhoben?
18. Wer hat den österreichischen Polizisten aus dem Gewahrsam im Militärspital geholt und
diesen nach Skopje gebracht?
22. Wurden über die Verbringung des österreichischen Polizisten nach Wien UNO-
Behörden im Kosovo informiert?
Wenn ja: Durch wen ist das geschehen und was war der Inhalt der Information?
Wenn nein: Warum geschah das nicht und wurde hinsichtlich der Unterlassung der
Information eine dienstliche Weisung erteilt?
23. Wie beurteilen Sie den Umstand, dass trotz der von Bundesministerin Ferrero-Waldner
behaupteten akuten Selbstmordgefahr der österreichische CIVPOL-Polizist einfach für
14 Tage ohne Aufsicht und ärztliche Betreuung in den Krankenstand geschickt wurde?
24. Welche Rechtsnormen sieht die UNO für einen derartigen Sachverhalt (Untersuchung
gegen einen CIVPOL-Polizisten und Repatriierung desselben) vor?
25. Warum bestand die Gefahr, dass der österreichische CIVPOL-Polizist in einem
kosovarischen Gefängnis in Haft genommen wird?
26. Gibt es eine Vereinbarung, dass auf diese entsendeten Personen kosovarisches Recht
anzuwenden ist?
Wenn ja, sind die entsendeten Personen darüber informiert worden?
27. Welche Verfahren laufen gegenwärtig in Österreich, im Kosovo und auf Ebene der
Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit?
30. Ist das Gerücht richtig, dass gegen jene, die den österreichischen CIVPOL-Polizisten
bei der Repatriierung unterstützten, ebenfalls ein Verfahren eingeleitet wird bzw.
wurde?
31. Was haben Sie unternommen, um die angeblichen Menschenrechtsverletzungen gegen
den österreichischen CIVPOL-Polizisten bei dessen Vernehmung aufzuklären?
32. Haben sie bei den österreichischen Strafbehörden auf Grund der Vorwürfe, die gegen
den österreichischen CIVPOL-Polizisten erhoben werden, Anzeige erstattet?
35. Wie beurteilen Sie die Aussichten, mit Hilfe von - durch die Vorgangsweise der
österreichischen Behörden verärgerten UN-Behörden - und der Einvernahme
kosovarischer Zeugen im Rechtshilfeverfahren der nichtexistenten kosovarischen
Justizbehörden zu einer Wahrheitsfindung zu gelangen?
36. Haben Sie ein Disziplinarverfahren eingeleitet?
Wenn ja, aufgrund welchen Sachverhaltes?
Unter einem wird verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu
behandeln.
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