2025/J-BR BR


Eingelangt am: 21.10.2002

Anfrage

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte (Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse
Giesinger)


an den Bundesminister für Justiz
betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtages zum Opferschutz

Der Vorarlberger Landtag hat mit Entschließung vom 9. Oktober 2002 die Landesregierung
ersucht, bei der Bundesregierung dafür einzutreten, dass

1. der vom Bundesministerium für Justiz bereits begonnene Ausbau, die organisatorische
Anbindung und die Umsetzung von Prozessbegleitung weiter forciert wird

2. die von den der Enquete-Kommission angehörenden Strafrechtsexperten vertretenen Auf-
fassungen und Anregungen betreffend Verhältnismäßigkeit bei Gewalt- und Strafdelikten
sowie Sexualstrafrecht und Pornographiegesetz entsprechend legistisch umgesetzt werden

3. die Sexualerziehung als Primärprävention nicht nur auf den Bereich Schule oder Kindergarten
beschränkt bleibt, sondern auch in entsprechenden Eltern-Bildungsprogrammen ihren Nieder-
schlag findet

4. das Projekt zur besseren Koordinierung der Opferhilfevereine rasch umgesetzt wird. Dabei
sollen bei der psychosozialen und rechtlichen Betreuung von Opfern auch geeignete, ein-
schlägig tätige Vereine durch das Bundesministerium für Justiz gefördert werden. Die Förde-
rung zB der Beratung vor einer Anzeige bzw nach einem rechtskräftigen Urteil soll nicht
grundsätzlich unmöglich sein.

5. die Täterarbeit als notwendiges Moment der Kinderschutzarbeit und Teil der Prävention
ausgebaut wird

6. in der Exekutive personelle Anpassungen zur Bekämpfung von Kinderpornographie und
Kindesmissbrauch vorgenommen und die Meldestelle für Kinderpornographie des Innen-
ministeriums entsprechend aufgestockt wird

7. zur Erhöhung der Entdeckungs- und Verfolgungswahrscheinlichkeit im Bereich der Kinder-
pornographie Ermittlungsbeamte die Möglichkeit erhalten, im Zuge ihrer Ermittlungstätigkeit
aktiv als potentielle Käufer von Kinderpornographie auftreten zu können.


Der dieser Entschließung zugrunde liegende Antrag war wie folgt begründet:

"Schätzungen von Experten gehen davon aus, dass in Österreich 20 % - also jedes fünfte Kind -
sexuell missbraucht wird, aber nur ein Bruchteil der Fälle zur Anzeige gelangt. Fast täglich
werden neue erschütternde Fälle von Kindesmissbrauch - oder auch aktuell, von
Kinderpornographie - bekannt. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit gegenüber
Kindesmisshandlung und -missbrauch gewachsen und der Schutz der Kinder vor gewalttätigen
Übergriffen wird immer häufiger als gesellschaftliche Verantwortung gesehen. Auch die Politik
hat reagiert und bereits wichtige Impulse, sowohl im Bereich der Straflegistik als auch beim
Opferschutz, gesetzt. So wurde etwa mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2001 eine deutliche
Strafverschärfung bei Vergewaltigung und schwerem sexuellen Missbrauch von Unmündigen
beschlossen. Weiters wurde auf Initiative des Bundesministers für Justiz eine kostenlose
Prozessbegleitung für minderjährige Opfer von Gewaltverbrechen geschaffen und somit ein
wichtiger Schritt zur Verbesserung des Opferschutzes gesetzt. Neben der juristischen Betreuung
steht dabei vor allem die psychosoziale Begleitung im Vordergrund. Diese positive Entwicklung
ist fortzusetzen und im Sinne der Betroffenen weiterhin konsequent auszubauen. In die
Überlegungen weiterer legistischer Maßnahmen ist auch auf die Verhältnismäßigkeit des
Strafenkatalogs Bedacht zu nehmen. Einem in manchen Fällen entstandenen Eindruck der
widerspruchslosen Hinnähme einer Bagatellisierung von Kindesmisshandlungen muss
demonstrativ entgegengewirkt werden.

Zur Umsetzung der im Regierungsübereinkommen der Bundesregierung festgeschriebenen Über-
prüfung des Strafenkatalogs des Strafgesetzbuches (StGB) wurde bereits eine parlamentarische
Enquete-Kommission zum Thema "Verhältnismäßigkeit der Strafdrohungen im gerichtlichen
Strafrecht" eingesetzt. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder spricht sich dabei für eine Über-
arbeitung des Pornographiegesetzes sowie die Beibehaltung der Grundtendenz, Gewalt- und
Sexualdelikte strenger als Vermögensdelikte zu bestrafen, aus.

Durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen ist belegt, dass durch die Arbeit mit
Tätern und Täterinnen die Rückfallquote gesenkt und damit viel Leid verhindert wird.
"Täterarbeit" stellt somit einen weiteren, wichtigen Teil eines umfassenden Opferschutzes dar.
Effektiver Kinderschutz kann nicht beim Aburteilen der Täter und deren Wegsperren
stehenbleiben. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die betroffene Kinder schützen
und es zugleich ermöglichen, dass die Täter Verantwortung für ihre Gewalttaten und ihr Handeln
übernehmen.

Neben entsprechenden straflegistischen Maßnahmen, dem Ausbau des Opferschutzes sowie
adäquater Täterarbeit muss es gelingen, auch die Primärprävention mittels Sexualerziehung
weiter zu forcieren. Wenn Kindern und Jugendlichen von Beginn an jene Beziehung zum eigenen
Körper vermittelt wird, die ihnen Selbstbestimmung in all ihren Facetten ermöglicht, so wird
Sexualerziehung zu einer von mehreren Maßnahmen der Prävention von sexuellem Missbrauch.
In der Meldestelle Kinderpornographie des Innenministeriums mussten vier Beamte im Jahr 2001
insgesamt 2337 Fälle von Kindesmissbrauch bearbeiten. Auch wenn es - wie derzeit - immer
wieder spektakuläre Fahndungserfolge gibt, droht die krasse personelle Unterbesetzung immer
mehr zum Freibrief für Kinderschänder zu werden."


Daher richten die unterzeichneten Bundesräte an den Herrn Bundesminister für Justiz folgende
Anfrage:

1. Liegen im Bundesministerium für Justiz zu den vom Vorarlberger Landtag erhobenen
Forderungen bereits Vorarbeiten vor?


2. In welcher Weise wird das Bundesministerium diesen Forderungen Rechnung tragen?
3. Bis wann ist mit der Erfüllung dieser Forderungen zu rechnen?

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