Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 171

19.40

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gesellschaftliche Realität hinsichtlich der Stellung von Mann und Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten Gott sei Dank tiefgreifend geändert. Die Sozialdemokratie - ich erinnere nur an die Familienrechtsreform von Christian Broda - war federführend. Sie war es, die eine Gleichstellung von Mann und Frau von Anbeginn an, von ihren politischen Anfängen an als Ziel formuliert und auch tatkräftig betrieben hat. Nur, dies sagend füge ich gleich hinzu, daß wir nach wie vor noch immer mit viel zuviel Ungleichheit, ja mit Benachteiligung von Frauen leben.

Meine Damen und Herren! Es hat eine Aufholjagd im Bereich der Bildung stattgefunden, insbesondere auf universitärem Boden, aber noch immer werden nur 4,6 Prozent - ich wiederhole: 4,6 Prozent! - der höchstqualifizierten Berufspositionen von Frauen eingenommen.

Wir haben das Gleichbehandlungsgesetz vor 19 Jahren als einer der ersten Staaten in Europa geschaffen, aber nach wie vor haben wir in Österreich 160 000 Männer und 360 000 Frauen, die unter 15 000 S verdienen, also doppelt so viele Frauen, obwohl der Männeranteil an den Berufstätigen wesentlich höher ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist Sozialismus!)

Und noch immer - ich finde das in höchstem Maße betrüblich - werden Diskussionen über die Teilung von Hausarbeit mit einem Lächeln quittiert und wird darüber hinweggegangen, daß Gewalt in der Familie in erster Linie Frauen trifft. (Abg. Dr. Mertel: Frauen und Kinder!)

Meine Damen und Herren! Das, was wir schaffen müssen, ist mehr Gleichheit in der Gesellschaft. Das ist keine Gleichmacherei, sondern es fängt an mit Chancengleichheit. Aber es wäre zu kurz gegriffen, würden wir davon ausgehen, daß es nur darum geht, den Eintritt ins Berufsleben, den Eintritt in die Bildung sicherzustellen. Es geht auch um das permanente Bieten der Chance, sich auch tatsächlich zu verwirklichen. Was ich damit meine, ist, daß es nicht nur darum geht, das erste Drittel des Lebens zu beobachten, sondern der Prüfstein für die Gleichheit, die wir zu schaffen imstande sind, ist die gesamte Lebensbahn. Frau sein darf nicht bedeuten Verzicht auf Karriere, Verzicht auf Lebensstandard und Verzicht auf gesellschaftliche Anerkennung. Aber genau das ist betrüblicherweise nach wie vor in vielen Zusammenhängen Illusion.

Frauenpensionen betragen in der Regel zwei Drittel der Pension von Männern. (Abg. Mag. Stadler: Es wird alles anders, wenn die Sozialisten an die Regierung kommen!) Und am eindringlichsten wird das für mich klar, wenn wir die Entwicklung auf dem universitären Boden betrachten. 53 Prozent der Erstinskribierenden sind Mädchen (Abg. Parnigoni: Sozialistische Bildungspolitik!), jedoch Absolventen 44 Prozent, Assistenten 20 Prozent, Dozentinnen 8,4 Prozent und Professorinnen 3,61 Prozent. Das ist jene Lebenslaufbahn, wo man nicht nur von Chancengleichheit reden kann, sondern diese auch schaffen muß.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang fürs erste: Wir müssen gesellschaftliche Realitäten schaffen, und dazu sind nicht ausschließlich Gesetz und Verordnung angetan, sondern die Revolution findet im Kopf statt. Man hat dagegen einzuschreiten, partnerschaftlich geteilte Hausarbeit mit einem Lächeln zu quittieren. Die Witze, die über die Aktion "Halbe-halbe" gemacht wurden, finde ich auch als Mann beschämend.

In diesem Sinne war das Frauen-Volksbegehren ein wichtiges Signal, und es ist in diesem Zusammenhang manches gelungen. Ich stehe aber nicht an, zu sagen: Wir haben bei weitem nicht erreicht, was wir uns vor sechs Monaten gewünscht haben.

Dieses Frauen-Volksbegehren hätte an den Ausschuß zurückverwiesen werden sollen. Wir sind mit diesem Vorschlag gescheitert. Aber wir werden die Voraussetzungen schaffen, damit die Diskussion anhand unserer Vorschläge weitergeht. Und wir werden in diesem Zusammenhang zu diskutieren haben, was unser Koalitionspartner uns aus der Hand geschlagen hat. (Ironische Rufe des Erstaunens bei den Freiheitlichen.)


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