Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 228

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Sie wissen, daß es mit allen Staaten Gespräche gegeben hat. Einige Staaten waren überhaupt nicht bereit, diese Gespräche zu führen. Sie wissen auch, daß Teilbereiche nicht gekündigt werden können und daß man daher generell die Verträge kündigen muß. (Abg. Dr. Kier: Das hat Schüssel im März aber auch schon gewußt!) Sie müssen aber auch zugestehen – Sie haben das auch ausgeführt –, daß es, da diese Verträge sehr wohl auch pensionsrechtliche oder versicherungsrechtliche Teile beinhalten, im Interesse beider Seiten ist, sowohl im Interesse der Vertragsstaaten, wie zum Beispiel der Türkei, Tunesiens oder der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, als auch im Interesse Österreichs, daß es möglichst schnell wieder zu einer Vereinbarung kommt. Ich darf Sie auch daran erinnern, daß im Sozialausschuß auch der Sozialminister und alle Parteienvertreter garantiert haben, daß es zu keinem vertragslosen Zustand, sondern möglichst schnell zu neuen bilateralen Sozialabkommen kommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

23.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

23.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der vorgeschrittenen Zeit möchte ich etwas ausführlicher auf diesen Punkt eingehen.

Ich weiß schon, das Thema belastet Sie sehr. Aber es belastet auch andere Personen sehr, nämlich diejenigen, die durch diese Kündigung der Sozialabkommen tatsächlich belastet werden. Darum bitte ich Sie, doch noch darüber nachzudenken, was Sie hier und heute beschließen werden. Ich halte das, was Sie beschließen, schlicht und einfach – um Ihnen das kurz und bündig zu sagen – für blamabel. Es ist eine nationale und internationale Blamage, wenn Österreich als drittreichstes Land in der EU etwa Tunesien – um eines der Länder herauszugreifen – erklärt: Wir können uns Familienbeihilfen, die wir für tunesische Staatsangehörige bezahlen, nicht mehr leisten. Wir können das nicht mehr, wir sind nicht mehr so reich. Wir können uns eine Million – das kostet nämlich die Familienbeihilfe für Tunesien – nicht mehr leisten, das ist zuviel.

Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus mit Ihren Doppel- und Dreifachbezügen! Sammeln wir doch hier! Denn wenn wir schon so arm sind, daß wir diesen Ländern die Familienbeihilfe nicht mehr geben können, dann schaffen wir es vielleicht wenigstens über die Kollekte.

Ich halte das, was Sie hier beschließen, wirklich für blamabel. Denn erstens ist klar, daß das, was laut Budget angeblich daraus lukriert werden soll, nämlich 600 Millionen Schilling pro Jahr, zumindest im Jahr 1996 und wahrscheinlich auch im Jahr 1997, nicht lukriert werden kann. Und Sie wissen so wie ich, daß im Jahr 1998 der Familienlastenausgleichsfonds vermutlich schon wieder positiv bilanzieren wird, das heißt, daß der Grund dafür, daß wir diese Verträge kündigen, dann schon wieder wegfällt.

Sie wissen genausogut wie ich, daß die Handlungen, die wir gegenüber diesen Ländern setzen, ein unfreundlicher Akt sind. Wir setzen einen im internationalen Vergleich tatsächlich unfreundlichen Akt. Das hat es, außer in Kriegs- oder Konfliktzeiten, von keinem Land gegeben, daß man einen Vertrag wie diesen einseitig aufkündigt. Erkundigen Sie sich, meine Damen und Herren! So etwas hat es nicht gegeben. Es gibt keinen vergleichbaren Vorgang von seiten eines entwickelten Landes, es sei denn, man wollte einen unfreundlichen Akt setzen. – Das wollen Sie offensichtlich tun, und darum kündigen Sie auf.

Ich glaube, Sie übersehen dabei eines, und es ist wichtig, daß das auch gesagt wird: Die Vorgangsweise allein belegt, wie miserabel die Situation für Österreich ist, wie miserabel diese mutwillige Aufkündigung ist. Vor vierzehn Tagen ist dem Hohen Haus noch eine Regierungsvorlage übermittelt worden, die die Option einer alternierenden Vertragsaufkündigung beinhaltet hat. Wenn wir schon nicht jetzt gleich kündigen, dann wenigstens in zwei Jahren oder umgekehrt. Sollte es nicht das eine sein, dann wenigstens das andere. Diese Vorlage ist von der Regierung zu Recht zurückgezogen worden, nachdem von unserer Seite, aber auch von allen anderen Parteien große Bedenken angemeldet worden sind. Dann kommt diese Vorlage mit der sofortigen Vertragsaufkündigung ins Haus. Meine Damen und Herren, vor allem von der Sozial


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