16.49

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich will in Bildungsfragen und in der Bildung echte Chancengerechtigkeit, und zwar un­abhängig von sozialer Herkunft, unabhängig vom Geburtsort und unabhängig von der Muttersprache; denn jedes Kind muss gleich viel wert sein. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Jedes Kind verdient die gleichen Chancen. Darauf, dass das in Österreich leider nicht so ist, weisen uns zahlreiche Studien hin. Die OECD-Studie wurde vielfach zitiert und ich möchte auch noch einmal hervorheben, dass Österreich in dieser Studie das Schlusslicht bildet, gerade bei Kindern, die aus einem bildungsfernen Haushalt stam­men. Lediglich 10 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, schaffen einen Universitätsabschluss; kommt ein Migrationshintergrund dazu, halbiert sich diese Zahl.

Ich finde es schade, dass der Herr Bildungsminister nicht da ist, denn ich hätte ihm gerne die Frage gestellt, ob ihm das bewusst ist und ob er sich jemals gefragt hat, wa­rum das der Fall ist. (Ruf bei der SPÖ: Wo ist der Minister?)

Sie reden hier immer wieder von Problemen in Brennpunktschulen, Sie reden immer wieder über die Herausforderungen der Lehrerinnen und Lehrer in Brennpunktschulen, insbesondere in Wien und in Ballungszentren. Ich frage mich, was Sie für diese Lehrer tun. Ich habe mit einigen Lehrerinnen und Lehrern gesprochen, denn ich stamme ja aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk, und jeder weiß, dass der 15. Wiener Gemeinde­bezirk einen sehr hohen Ausländeranteil beziehungsweise einen sehr hohen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund hat.

Diese Lehrerinnen und Lehrer lassen Sie alleine. Diese Lehrer brauchen mehr: Sie brauchen Schulpsychologen, sie brauchen Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, und es braucht einfach viel mehr Sprachtrainerinnen und Sprachtrainer. (Beifall bei JETZT.) Erleichtern Sie die Arbeit dieser Lehrerinnen und Lehrer! Geben Sie ihnen eine Chan­ce, unterrichten zu können!

Was aber machen Sie für die Brennpunktschulen? – Das Einzige, was Sie machen, ist, Deutschförderklassen einzuführen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist einmal wichtig!) Meine Damen und Herren, Deutschförderklassen führen nicht dazu, dass Kinder integriert werden. Sie führen dazu, dass sich in Schulen innerhalb einer Klassengemeinschaft eine Parallelgesellschaft bildet; eine Parallelgesellschaft, die Sie in unserer Gesell­schaft in Österreich nicht haben wollen. (Abg. Leichtfried: Genau so ist es! – Abg. Deimek: Integration ist eine Bringschuld!) Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen bekommen von Anfang an den Stempel des Förderklasslers aufgedrückt. Ja glauben Sie wirklich, dass ein Kind, das aus einer Deutschförderklasse kommt, so leicht An­schluss findet? (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried. – Abg. Deimek: Glau­ben Sie nicht, dass Integration eine Bringschuld ist?)

Diese Kinder werden nicht so einfach Teil der Gesellschaft, und diese Kinder werden auch nicht so einfach in einer Deutschförderklasse die Sprache lernen, denn Kinder lernen voneinander. Sie stehlen diesen Kindern die Chance, voneinander lernen zu können. Sie sagen immer, Deutschförderklassen würden den Startnachteil ausglei­chen, aber das tun sie nicht – sie verstärken den Nachteil. Ich möchte Ihnen erklären, warum sie den Nachteil verstärken, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder mit Wertschätzung aufwachsen müssen und dass Kinder, auch wenn sie die Sprache nicht sprechen, trotzdem Wertschätzung brauchen. In einer gesonderten Förderklasse bekommen sie diese nicht.

Ja, auch ich bin im Alter von 10 Jahren nach Österreich gekommen, und ja, ich habe damals auch kein Wort Deutsch gesprochen. Ich will Ihnen erzählen, wie ich mich damals gefühlt habe, denn vielleicht kann der Bericht über diese Lebensrealität bei Ih­nen etwas bewirken. Als meine Eltern damals mit mir bei der ersten Volksschulklasse angeklopft haben, hat mich die Volksschule gar nicht aufgenommen, weil gesagt wurde, das Kind spricht ja kein Deutsch. Die nächste Volksschule hat mich aufgenom­men, aber es war klar, dass das Kind die Klasse wiederholen wird und es daher weder einen Deutschförderunterricht noch irgendwelche Zuwendungen braucht, und auch sonst hat sich die Lehrerin nicht für mich interessiert.

Was glauben Sie, was das mit einem ehrgeizigen Kind macht? – Selbstverständlich habe ich mich weniger wert als andere gefühlt, selbstverständlich hatte ich nicht das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein, selbstverständlich wurde ich als die abgestem­pelt, die nicht Deutsch spricht. Die mangelnde Wertschätzung, die ich dort erfahren ha­be, hat aber bei mir kein Unwohlsein hervorgerufen, und das aus einem einzigen Grund: weil ich Glück hatte. Ich habe die Schule gewechselt und ging dann im 15. Wie­ner Gemeindebezirk zur Schule. Diese Schule und diese Lehrerinnen und Lehrer ha­ben gewusst, wie man mit Kindern umgeht, die kein Deutsch sprechen.

Ich habe von Anfang an Deutschförderunterricht bekommen (Abg. Deimek: Jetzt ist es auf einmal schlecht, wenn wir ihn einführen!), von Anfang an war ich Teil der Klas­sengemeinschaft, von Anfang an war ich Teil der Gesellschaft. Diese Wertschätzung, die ich dort erfahren habe, und diese Chance, die ich dort bekommen habe, die möchte ich für alle Kinder. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Diese Aufmerksamkeit will ich für alle Kinder, egal welcher Herkunft, egal welche Mut­tersprache sie sprechen. Verlieren Sie nicht die Generation der Kinder, die heute kein Deutsch sprechen! Zeigen Sie diesen Kindern, dass sie ein Teil der Gesellschaft sind! Zeigen Sie ihnen, dass es egal ist, welche Sprache sie sprechen! Geben Sie ihnen die­se Chance! (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Ich würde heute nicht vor Ihnen stehen und würde heute nicht zu Ihnen sprechen, wenn ich diese Chancen nicht bekommen hätte. Ich will, dass morgen wieder eine Alma oder eine Selma oder eine Nurten hier vorne steht und zu Ihnen spricht. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

16.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.