11.09

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ja, eine Anmerkung zu meinem Vorredner, zu Herrn Kollegen Hofer, der gemeint hat, dass die Einführung oder die Erhöhung von Mindestlöhnen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen nicht vereinbar sei: Das Gegenteil ist der Fall, Herr Kollege Hofer. Dazu gab es in Deutschland vor der Einführung von Mindestlöhnen eine lange Debatte, und es gibt zahlreiche Unter­suchungen dazu, die zeigen, dass das sehr wohl vereinbar ist und dass in der Tat auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Ihre Befürchtungen gehen also mit großer Wahrscheinlichkeit ins Leere.

Kommen wir aber zu der Materie, die hier bislang hauptsächlich behandelt worden ist, zum Steuerreformgesetz 2020! Versuchen wir, das einmal ein bisschen nüchterner zu betrachten, und blenden wir sozusagen das Wahlkampfgetöse dabei ein wenig aus! Mit dieser Steuerreform 2020 hat man sich unter anderem das Ziel gesetzt, gezielt für Entlastungen im unteren Einkommensbereich zu sorgen – im unteren Einkommens­bereich; warum ich das betone, wird sich herausstellen.

Jetzt ist zunächst einmal ein alter Vorschlag von mir aufgegriffen worden, die Ent­lastung der unteren Einkommen nicht über die Tarife zu machen – das geht nicht –, sondern über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Herausgekommen ist dabei schon eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, aber mit einem Rück­erstattungsmodell. – Das soll auch gut sein, das findet meine Zustimmung. Bei den Selbstständigen und den Bauern allerdings ist ein anderer Weg gegangen worden. Da ist es zu einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge gekommen, die verteilungs­politisch ganz andere Konsequenzen hat, auf die ich aber noch zu sprechen komme. Gleichzeitig ist im Budgetausschuss dann noch die Pensionsentlastung 2020 dazuge­kommen, also die überproportionale Anhebung über den Pensionsanpassungsfaktor hinaus für niedrige Pensionen – das höchste Ausmaß bei 1 100 Euro, dann ver­schleifend bis 2 500 Euro auf den Pensionsanpassungsfaktor.

Jetzt interessiert mich die Frage: Wie wirken sich diese Maßnahmen verteilungs­politisch auf die ArbeitnehmerInnen, auf die Pensionisten und auf die Selbstständigen und Landwirte aus? Ich habe den Budgetdienst ersucht, dazu Berechnungen vorzulegen. Das hat der Budgetdienst auch in hoher Qualität getan, wie er das immer tut, und da stellt sich heraus, dass die Gruppe der Pensionisten jene Gruppe ist, die am stärksten entlastet wird, allerdings nicht von ganz unten bis ganz oben, sondern mit Einschleifregelungen. Das heißt, die Entlastung reduziert sich bis 2 500 Euro, geht dann schön langsam auf ein sehr niedriges Niveau zurück und endet bei einem absoluten Betrag von 94 Euro.

Wie ist es bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? – Bei den Arbeit­neh­merIn­nen ist es so, dass bei Einkommen zwischen 700 und 1 500 Euro der höchste Entlas­tungseffekt eintritt, nämlich 300 Euro, und das reduziert sich dann bis 2 200 Euro auf null. Man sieht also, bei beiden Gruppen gibt es im unteren und im mittleren Ein­kommensbereich Entlastungen, im oberen Bereich jedoch nicht, weil die Entlastungen eingeschliffen werden.

Wenn wir jetzt einen Blick auf die Selbstständigen und die Bauern werfen, dann sehen wir, dass die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge auf 0,85 Prozent dazu führt (Abg. Haubner: Nicht „auf“, sondern um!), dass nicht nur die unteren und mittleren Einkommen entlastet werden, nein, es werden auch die hohen Einkommen entlastet, bis zur Höchstbeitragsgrundlage, linear. Der Budgetdienst – das kann man leider nicht sehen, weil die Grafik zu klein ist (Unterlagen in die Höhe haltend, auf denen ein Kurvendiagramm zu sehen ist) – zeigt das sehr, sehr deutlich auf.

Jetzt ist das Ziel natürlich verfehlt worden. Von einer Entlastung im unteren Einkom­mensbereich, meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ, kann keine Rede sein. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) – Na ja, schauen Sie sich das an, Herr Kollege Haubner! Wie ist es denn? (Auf die einzelnen Kurven im Diagramm weisend:) Schauen Sie, das sind die Freiberufler, das sind die Selbstständigen, das sind die Bauern; da steigt die Entlastung bis zu einem Einkommen von 6 500 Euro kontinuierlich an, dort ist die Entlastung am höchsten. Und bei den unselbstständigen ArbeitnehmerInnen endet die Entlastung bei 2 200 Euro, bei den Pensionisten im Wesentlichen bei 2 500 Euro. (Abg. Haubner: ... Herr Rossmann, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! ... für alle da!) Das werden Sie mir nicht ausreden, das sind Ergebnisse, die der Budgetdienst vorgelegt hat.

Von Ihnen, von der ÖVP, bin ich aber gar nichts anderes gewohnt. Was war denn das, was Sie in Ihrer Regierung, in der Vorgängerregierung, vorgelegt haben? – Klientel­politik. Und das, was Sie hier betreiben, ist auch Klientelpolitik. Na, wen haben Sie denn bedient? – Die Hoteliers durch die Senkung der Umsatzsteuer, im Zusammen­hang mit der Grunderwerbsteuer die Immobilienbranche. Von dort sind ja die Spender des Herrn Kurz gekommen, dort haben Sie entlastet. Zur Senkung der Körper­schaftsteuer sind Sie nicht mehr gekommen. (Ruf bei der ÖVP: Kommt schon ...!)

Nun zur FPÖ: Die schiebt ja immer den kleinen Mann vor, sie gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, tut das aber nicht. Sie schiebt den kleinen Mann vor, um die hohen Einkommen zu entlasten; das zeigt sich sehr, sehr deutlich bei diesem Steuer­reformgesetz 2020. (Beifall bei JETZT. – Zwischenruf des Abg. Haubner.) Das ist auch der Grund dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass ich große Teile dieses Steuerreformgesetzes 2020 ablehnen werde und in getrennter Abstimmung nur manchen Teilen zustimmen werde.

Jetzt zur Frage: Ist denn das alles finanziert? Gibt es eine Gegenfinanzierung? – Nein, die gibt es natürlich nicht. ÖVP und FPÖ behaupten zwar, das sei alles im Budgetpfad der Vorgängerregierung enthalten gewesen, aber Geld hat bekanntlich kein Mascherl, insofern ist das Schnee von gestern. Es betrifft ja im Übrigen auch eine Regierung, die das Vertrauen dieses Hauses nicht mehr hat. Dass es sich dabei um Wahlzuckerl handelt, das ist schon klar – ein Schelm, wer irgendwie anderes dabei denkt. Konjunk­turpolitisch wäre es allerdings an sich richtig, die niedrigen Einkommen zu entlasten, aber eben nur die niedrigen.

Es ist dann von Ihnen, Herr Kollege Wöginger – er ist gerade nicht da –, mit dem Finger auf die SPÖ gezeigt worden, die heute noch einige Anträge betreffend kalte Progression und Ökologisierung des Pendlerpauschales einbringen wird. Ja, betreffend kalte Progression ist das heuchlerisch von der SPÖ, sie hat in der letzten Legis­laturperiode eine Lösung abgelehnt – wir kennen das –, und der Schnellschuss zur Ökologisierung des Pendlerpauschales ist eben ein Schnellschuss; ich glaube, es hätte mehr Aufmerksamkeit und mehr Debatte gebraucht, um da zu einer sinnvollen Lösung zu kommen. (Beifall bei JETZT.)

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, Sie haben auf Kollegen Wöginger hingehaut und haben gesagt, „wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ – Das gilt natürlich auch für Sie, denn Sie werden heute einen Antrag betreffend Abschaffung der kalten Progression einbringen. (Demonstrativer Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.) Reden Sie hier nicht von verantwortungsbewusstem Handeln gegenüber dem Budget! Haben Sie einen Gegenfinanzierungsvorschlag eingebracht? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, Pen­sions­reform!) – Nein, also im Antrag, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, sehe ich da nichts, gar nichts. Das ist strukturierte Verantwortungslosigkeit. Hauen Sie nicht auf die ande­ren hin, wenn Sie selber um nichts besser sind!

Wo ich Ihnen recht gebe, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, das ist betreffend die Frage der Ökologisierung des Steuersystems. Da gibt es ja im Steuerreformgesetz 2020 einige Miniansätze – Symbolmaßnahmen, würde ich jetzt sagen. Es ist ja schon von einer stärkeren Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe, der motorbezogenen Ver­sicherungsabgabe und einigen anderen Dingen gesprochen worden. Was wir aber angesichts der Klimakrise brauchen, sind nicht Symbolmaßnahmen, sondern das sind Maßnahmen, die dazu führen, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Eine der wichtigsten Maßnahmen in diesem Zusammenhang ist die Einführung einer CO2-Steuer. Darüber gibt es weltweit Einigkeit, wir haben aber hier in diesem Hohen Haus drei große Fraktionen sitzen, die davon nichts wissen wollen: die SPÖ, die FPÖ und die ÖVP. (Abg. Kickl: Ich habe geglaubt, es herrscht weltweit Einigkeit!) Ja, wie wollen Sie, meine Damen und Herren, denn die Pariser Klimaziele erreichen, wenn Sie die wichtigsten Maßnahmen nicht zum Gegenstand Ihres Handelns machen?

Ich habe ein Modell vorgelegt, das zeigt, dass die Einführung von CO2-Steuern aufkommensneutral sein kann, ich habe in diesem Modell aber auch gezeigt, dass sie sozial verträglich sein kann. Ich habe den Budgetdienst des Parlaments ersucht, mein Modell durchzurechnen, und er hat mir bestätigt, dass CO2-Steuern, also Klimaschutz, und soziale Verträglichkeit einander nicht ausschließen.

Ihr Modell, das Modell der NEOS, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, schafft das nicht. Sie senken nämlich im Gegenzug die Einkommensteuer. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber Fridays for Future hat unser Modell trotzdem für besser befunden!) Wer aber keine Einkommensteuer zahlt, zahlt nur die ökologischen Steuern, zahlt nur die CO2-Steuer. Nur wenn Sie über einen gleichen Pro-Kopf-Betrag die Steuerpflichtigen entlasten - - (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Na, lesen Sie die Studie des Budget­dienstes, dann werden Sie gescheiter (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, dann lesen Sie das, was die Experten von Fridays for Future gesagt haben!), werfen Sie vielleicht nur einen Blick hinein!

Nun zu Herrn Kollegen Hofer – er ist ja schon nicht mehr da, aber vielleicht können ihm die anderen das sagen : Natürlich können der Wirtschaftsstandort und der Klima­schutz miteinander vereinbart werden. Das Beispiel Schweden zeigt das. Schweden hat 1992 CO2-Steuern eingeführt – mein Modell orientiert sich am schwedischen Modell –, und was zeigt sich? – Die CO2-Emissionen sind zurückgegangen. In Öster­reich sind sie gestiegen. Die Produktivität, das Wirtschaftswachstum haben sich in Schweden erhöht (Abg. Kassegger: ... Atomkraftwerke haben die Schweden! Atom­kraftwerke!), sogar stärker, Herr Kollege Kassegger, sogar stärker als in Österreich.

Also: Wirtschaftsstandort und Klimaschutz sind miteinander vereinbar, Klimaschutz und soziale Verträglichkeit sind miteinander vereinbar. Ich würde mir wünschen, dass das Gegenstand der Debatten zu einem neuen Regierungsübereinkommen wird und dass es hier in diesem Haus in den nächsten Monaten oder im kommenden Jahr einen diesbezüglichen Beschluss gibt. Die Zeit drängt! Wir sind die letzte Generation, die im Zusammenhang mit dem Klimaschutz noch handeln kann. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Krainer.)

11.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.