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Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klubobmann Wöginger, Sie haben jetzt gesagt, es ist „ein starkes Stück“, wenn man die Bibel zitiert. – Ich sage Ihnen, was ein starkes Stück ist: Das ist, wenn ein Bundeskanzler die katholische Kirche drangsaliert, weil sie anderer Meinung als er ist. Das ist ein starkes Stück, Herr Wöginger! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist aber typisch für die Zeit dieser ÖVP-Krise. Diese ÖVP-Krise ist für die ÖVP schlimm, sie ist aber vor allem für das Land, für Österreich, für die Menschen in Öster­reich schlimm. Das beginnt seit Neuestem mit diesem irrlichternden Herrn Hanger und reicht bis zu Herrn Engelberg, der sich hier herausstellt und sagt, er würde sich wün­schen, dass dieses Parlament zum Forum der inhaltlichen Auseinandersetzung wird. Ich würde mir das auch wünschen. Warum vertagt ihr dann jeden Antrag, geschätzte Kol­leginnen und Kollegen, im nicht öffentlichen Ausschuss? (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.) Dann nehmt euch zusammen! Habt den Mut, dass alles hier diskutiert wird! Wir täten das gern, und euch würde es auch gut anstehen.

Das sind ja nur die kleinen Spitzen, die man jetzt so miterlebt, aber eine insgesamt so billige und peinliche Performance, wie die ÖVP sie jetzt abliefert, geschätzte Damen und Herren, haben wir wirklich noch nicht erlebt, und an der Spitze steht der Bundeskanzler. Herr Kurz stellt sich hierher und sagt: Ich achte das Parlament, ich achte die parlamen­tarische Demokratie!, und ist sich gleichzeitig nicht zu billig, von 50 Fragen einer parla­mentarischen Anfrage vielleicht eine zu beantworten. Ist das die Achtung vor dem Par­lament, Herr Kurz, von der Sie sprechen? Ist das die Achtung vor dem Rechtsstaat? (Beifall bei der SPÖ.) – Nein, das ist es nicht, sondern das ist Ihr Umgehen damit und vor allem das Umgehen Ihres Systems, Ihrer Clique, Ihrer „Familie“, wenn man es so nennen mag. Sie nennen sich ja selber so. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Nein, das ist eine andere Familie, Gust, eine ganz andere Familie, als du meinst. (Abg. Wö­ginger: ... eine Doskozil-Familie ...!)

Das ist eine Opfer-Täter-Umkehr. Sie versuchen, sich als Opfer dieser Umstände hinzu­stellen, Herr Kurz, dabei sind Sie der Täter: der Täter, der sich gegen den Rechtsstaat richtet, der sich gegen die parlamentarische Demokratie richtet, der sich gegen Moral und Anstand richtet. Das sind Sie, und das ist das Problem, das dieses Land hat, Herr Kurz. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Jetzt kann die ÖVP behaupten, ich behaupte das hier einfach so pauschal, aber man muss sich einmal die Fakten anschauen, und die Fakten sind, was in Österreich in dieser Krise passiert: Statt dass man sich um die Arbeitslosigkeit kümmert, um die Betriebe kümmert, um die Pandemiebekämpfung kümmert, um die Zukunft kümmert, um die Fi­nanzierung der Zukunft kümmert (Ruf bei der ÖVP: Das macht die ÖVP!), wird seitens der Staatsanwaltschaft gegen den Bundeskanzler und den Finanzminister ermittelt.

Der Finanzminister bricht vorsätzlich die Verfassung, bis er vom Bundespräsidenten bei­nahe exekutiert wird. Die ÖVP attackiert die Justiz, statt zu arbeiten, attackiert die Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, versucht, die katholische Kirche einzu­schüchtern und ihr zu drohen (Zwischenruf des Abg. Hörl), missachtet den Untersu­chungsausschuss. Die Frau Landwirtschaftsministerin bezeichnet den Untersuchungs­ausschuss als „Löwinger-Bühne“. Der Nationalratspräsident, auch unterstützt von der Landwirtschaftsministerin, meint, dass es nicht mehr notwendig ist, die Wahrheit zu sagen, und versucht damit eigentlich, Untersuchungsausschüsse obsolet zu machen. Das ist das, was die Fakten bei uns im Land sind, und das haben Sie zu verantworten, das haben Sie von der Österreichischen Volkspartei zu verantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Was da jetzt passiert und was Ihnen so unangenehm ist – und das ist gut so –, ist, dass der Rechtsstaat, die parlamentarische Demokratie sich wehren, weil sie meinen, die In­teressen einer sehr machtbetrunkenen Clique sind weniger wichtig als die Einhaltung von Gesetzen, die Einhaltung von Rechten. Der Rechtsstaat, gegen den Sie angehen, schlägt jetzt zurück, Herr Kurz. Das spüren Sie, und es ist gut, dass Sie das spüren, weil das funktionierende parlamentarische Demokratien auszeichnet. (Beifall bei der SPÖ.)

Was spürt man? – Es wird ermittelt – und das sind wieder Fakten –: Es wird gegen einen Herrn Bonelli ermittelt, Ihren Kabinettschef – Falschaussage –, es wird gegen Thomas Schmid, den Chef der Öbag, ermittelt – Falschaussage –, gegen Melanie Laure – un­wahre Aussage im Zeugenstand –, gegen Bettina Glatz-Kremsner – Falschaussage ‑, gegen Christian Pilnacek – Amtsgeheimnisverletzung (Zwischenruf bei der ÖVP) –, ge­gen Johann Fuchs – Falschaussage –, gegen Hartwig Löger – mögliche rechtswidrige Spendenannahme –, gegen Wolfgang Brandstetter – Amtsgeheimnisverletzung –, ge­gen Josef Pröll, gegen Finanzminister Blümel – Beihilfe zur Bestechung, inklusive Haus­durchsuchung –, und jetzt wird gegen Sie ermittelt, Herr Bundeskanzler. Das ist nicht die Opposition, das sind nicht irgendwelche bösen Mächte, sondern das ist unser Rechts­staat, der da ermittelt.

Was da geschehen ist, was Sie zu verantworten haben, Herr Kurz, ist einmalig in der österreichischen Geschichte. Ich sage Ihnen eines: Die österreichische Sozialdemokra­tie wird nicht zulassen, dass die Verfassung weiter gebrochen wird, wird nicht zulassen, dass weiter Rechte verletzt werden, der Rechtsstaat desavouiert wird und die parlamen­tarische Demokratie gefährdet wird. Da haben Sie in uns einen entschiedenen Gegner, Herr Kurz. (Beifall bei der SPÖ.)

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