14.27

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Lopatka, wunderbar, dass Sie jetzt mehrmals erwähnt haben, dass es sich hierbei um keine Schuldenunion handelt. Ob das jetzt Ministerin Edtstadler ist, der Herr Bundeskanzler, Kollege Lopatka, Sie alle stellen sich her und beteuern gebetsmühlenartig: Das ist keine Schuldenunion, und die ÖVP kämpft dafür, dass es keine Schuldenunion wird, das werden wir niemals zulassen!

Was ist denn das, wenn die Kommission 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnimmt und sagt, dieses Geld ist zwischen 2028 und 2058 zurückzuzahlen, und zwar anteilig von den Ländern? Und wenn ein Land das nicht zurückzahlen kann – und das steht sehr wohl drinnen –, dann müssen andere einspringen, die Haftung übernehmen. Was ist denn das? – Das ist eine Schuldenunion! (Beifall bei der FPÖ.)

Da können Sie hundertmal sagen, es ist keine! Aber das entspricht ja genau Ihrer Vor­gehensweise: in Österreich so reden und sich in Brüssel und in Berlin ganz anders verhalten. Ich komme später mit genauen Punkten noch darauf zu sprechen, es ist mir aber ein Bedürfnis, jetzt auf das einzugehen, was unter dem letzten Tagesordnungs­punkt hinsichtlich der Gemeinden diskutiert wurde.

Die Gemeinden sind ja durch den Ausfall der Ertragsanteile in ganz schwere finanzielle Nöte gekommen, ihnen gehen 3 bis 4 Milliarden Euro ab. Sie sprechen von gelebter Solidarität, Herr Kollege Lopatka. Es ist ja schön und gut, wenn wir 191 Milliarden Euro über dieses EU-Schuldenunionspaket nach Italien schicken. Davon sind die Hälfte verlorene Zuschüsse, dieses Geld ist weg, das sind Geschenke – das ist Ihre gelebte Solidarität. Wo ist denn Ihre gelebte Solidarität mit unseren österreichischen Gemeinden und deren Bürgermeistern und Bürgern? Die sind ein bisschen näher. (Beifall bei der FPÖ.)

Da endet Ihre gelebte Solidarität! Die sind Ihnen nicht einmal 2 Milliarden Euro wert. 191 Milliarden Euro werden nach Italien geschickt, die österreichischen Gemeinden sind Ihnen nicht einmal 2 Milliarden Euro wert. So viel zu Ihrer Solidarität. (Abg. Jakob Schwarz: Die 180 Milliarden schickt nicht die Regierung!) – Ja, schickt die EU nach Italien, ist schon klar, aber schauen Sie sich die Relationen an: 190 Milliarden zu 2 Milliarden.

Das Bombengeschäft dieser 750 Milliarden Euro schaut folgendermaßen aus: Wir bekommen 3,7 Milliarden und haben 12 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Diese Zahlen sind nicht von mir, die sind von Ihren Beamten aus dem Bundesministerium für Finanzen. Dabei gibt es keine genauen Tilgungspläne, aber es geht ja nur um 750 000 Millionen Euro, da brauchen wir keine genauen Tilgungspläne.

Den genauen Tilgungsplan braucht der Häuslbauer, der einen Kredit von 20 000 Euro aufnehmen will. Der braucht einen, aber bei 750 000 Millionen Euro – das sind ja unvor­stellbare Zahlen! – brauchen wir das alles nicht. Jetzt frage ich Sie: Was ist denn das für ein tolles Geschäft, wenn wir 3,7 Milliarden Euro bekommen, aber 12 Milliarden Euro zurückzahlen müssen – und das auch nur für den Fall, dass keine Haftungen schlagend werden, denn dann wird das noch viel, viel mehr?!

Jetzt komme ich ganz grundsätzlich zur ÖVP, die immer sagt: Wir sind die Partei, die die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher vertritt (Ruf bei der ÖVP: Richtig!), der Menschen in Österreich gegen eine zu starke, dominante EU. – Das ist das, was die ÖVP in Österreich sagt. Das passt aber nicht mit dem zusammen, was Sie dann in Brüssel, Berlin oder sonst wo tun. Sie sagen in Österreich: Natürlich sind wir gegen eine EU der Zuschüsse und der Umverteilungen!, Sie machen aber genau das jetzt, indem wir es heute beschließen. Wir könnten das verhindern, wenn die ÖVP sagen würde: Nein, wir machen das alles nicht! Dann ist die Einstimmigkeit nicht gegeben, dann kippt das in der ganzen EU. Das ist von Ihnen natürlich überhaupt nicht zu erwarten, weil Sie voll in line mit Brüssel, mit Berlin und mit den EU-Zentralisten sind. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Sie genehmigen ein planwirtschaftliches Umverteilungsmodell über 750 Milliarden Euro auf Pump. Bitte schön, das ist genau das, wovon Sie in Österreich sagen, dass Sie es nicht wollen. Sie sagen: Wir sind gegen eine Schuldenunion! Ich habe schon erläutert: Das, was wir jetzt hier beschließen, ist nichts anderes als eine Schuldenunion. Sie sagen, Sie sind gegen EU-Steuern. – Kollege Lopatka bezeichnet das dann ganz gschamig als Eigenmittel. Was sind Eigenmittel? – Das sind Steuern! Das beschließen wir heute auch! Wir öffnen die Tür für neue EU-Steuern. Da wissen wir jetzt noch nicht ganz genau, welche Steuern, aber wir öffnen die Tür für neue EU-Steuern und haben dann neben der Geldpolitik, die durch die EZB betrieben wird, auch die Steuer- und Fiskalpolitik – ein ganz wichtiger Bereich, der jetzt noch mit Masse in nationalstaatlicher Hoheit war – nach Brüssel delegiert.

Da zitiere ich Parlamentspräsident Wolfgang – nicht Sobotka – Schäuble, der schon im August 2020 gegenüber der „Neuen Westfälischen Zeitung“ Folgendes gesagt hat: „Der Widerstand gegen Veränderungen wird in der Krise“ – gemeint ist die Coronakrise, die ja alles zudeckt – „geringer“. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die „‚wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben‘, jetzt hinbekommen“. Und genau das passiert jetzt, das wird abgearbeitet. Wir sind jetzt bei den Tagesordnungspunkten 7 und 9: Irgendwann am Nachmittag reden wir über einen wahnsinnig wichtigen Punkt. Da geht es um irrsinnige Dimensionen. Das ist ja auch Absicht: Das ist nicht der erste Tages­ordnungspunkt, sondern wir dürfen halt irgendwann am Nachmittag darüber reden.

Sie wollen mehr Subsidiarität, also mehr Kompetenzen für Nationalstaaten, Sie machen aber das Gegenteil: Sie beschließen heute mehr Kompetenzen, nämlich insbesondere jene, Steuern einzuheben, für die Europäische Union. Sie wollen eine strengere Migra­tionspolitik im Rahmen der Europäischen Union. – Also bitte, da kommt mir jetzt fast schon ein Lächeln aus. Wir sind Europameister in der Disziplin: die meisten Asyl­anträge – wiederum eine Disziplin, in der ich nicht Europameister sein will. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Nagelprobe kommt in dem Bereich mit dem EU-Migrationspakt, der jetzt auch so mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt wird, ausverhandelt wird, der auf die gesamte Migrationspolitik der Europäischen Union massivste Auswir­kungen haben wird. Ich möchte darauf jetzt nicht im Detail eingehen, aber da stehen keine angenehmen, schönen Sachen drin. Wir lehnen den Migrationspakt so als Ganzes rigoros ab. Sie werden vielleicht in Österreich das eine oder andere kritische Wort dazu sagen, aber in Brüssel werden Sie brav zustimmen, da traue ich mich jetzt schon eine Wette abzuschließen.

Also alles in allem müssen Sie sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass man, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob Sie tatsächlich die Partei der Österreicher, für die Österreicherinnen und Österreicher und die Menschen in Österreich sind oder ob Sie, so wie die Grünen, so wie die NEOS – da ist es wenigstens klar –, voll die Partei der Europäischen Union ohne Wenn und Aber sind, zweifeln muss. Ich glaube, Sie sind Zweiteres, und wenn ich recht habe, dann würde ich Sie bitten, das aber auch in Österreich so zu kommunizieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Martin Graf: Das war eine wahnsinnig gute Rede!)

14.34

Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner zu Wort. – Bitte.