12.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Am Anfang war die Kurzarbeit super, am Anfang war sie notwendig. Sie hat am Beginn der Coronakrise wirklich viele Jobs gerettet. Es sind sich aber alle Experten einig: Je länger die Kurzarbeit anhält, umso größer ist der Anteil der Jobs, die eigentlich nicht mehr mit staatlichem Geld gefördert werden sollten, weil beispielsweise diese Be­triebe strukturell schon kaputt waren und wir Menschen in staatlich geförderten Kurzar­beitsjobs halten, die woanders dringend gebraucht würden.

Wir haben in den letzten Monaten auch sehr viel über die Effekte der Kurzarbeit erfahren. Wir haben zum Beispiel erfahren, dass in der Phase drei nur 1,6 Prozent der Betriebe die Weiterbildungsangebote genutzt haben, die mit der Kurzarbeit verbunden sind. Men­schen sind in Kurzarbeit, sind vielleicht nur zu 30 Prozent beschäftigt und könnten sich daneben weiterqualifizieren. 1,6 Prozent der Betriebe, also fast keiner, nimmt es in An­spruch.

Und die Kurzarbeit ist betrugsanfällig. Sie kann ganz schwer kontrolliert werden. Die Finanzpolizei sagt: Mit den Mitteln, die wir haben, erwischen wir „nur die Dummen“. – Sie können dieses Zitat im „Standard“ nachlesen. Die Kurzarbeit ist ein offenes Tor für jeden, der betrügen will. Wenn Sie einmal schauen, welche Betriebe in Kurzarbeit sind, dann erkennen Sie, dass es bis jetzt natürlich logisch war, dass die Hotellerie und die Gastronomie in Kurzarbeit waren – ja, no na. Wenn Sie aber privat einen Handwerker brauchen und keinen kriegen und dann Handwerksbetriebe in Kurzarbeit finden, frage ich mich, was da läuft. Es waren sogar Steuerberater zu der Zeit in Kurzarbeit, in der die ganzen Betriebe um Kurzarbeit angesucht haben. Das war und ist leider immer noch ein offenes Tor für den Betrug.

Wir haben jetzt auch Betriebe, die in Kurzarbeit sind, die mit Corona gar nichts zu tun haben. Wenn wir in der Zeitung lesen, dass die Firma Magna in Graz in großem Stil in Kurzarbeit geht, weil sie Probleme mit der Lieferkette hat, ist das kein Coronaproblem. Die kann schon in Kurzarbeit gehen, aber warum zu den super begünstigten Konditionen der Coronakurzarbeit?

Wir werfen Steuergeld hinaus und fangen betriebliche Risiken auf, die mit Corona gar nichts zu tun haben. Kollege Hammer hat vorhin gesagt: Ja, wir brauchen einen schritt­weisen Ausstieg aus der Kurzarbeit.

Ich bringe dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit sowie der Bundesmi­nister für Finanzen, wird aufgefordert, ein Modell für einen schrittweisen Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit vorzulegen.“

*****

Ich bin gespannt, ob Sie zustimmen, wenn wir das beantragen, was Sie sagen. – Na­türlich nicht.

Noch zur Frage des degressiven Arbeitslosengeldes: Wie da die Angst bei Kollegen Hammer spürbar ist! Der Minister hat als IHS-Chef ein degressives Arbeitslosengeld ge­fordert. Der Wirtschaftsbund fordert ein degressives Arbeitslosengeld. Das degressive Arbeitslosengeld ist internationaler Standard. In der Europäischen Union gibt es ein ein­ziges Land, das zeitlich unbegrenzt Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vor­sieht: Das ist Österreich. Jetzt haben Sie nicht die Courage, zu den eigenen Vorschlägen zu stehen? Ich meine, das ist Politik mit Angst vor der Wahrheit. Dass Sie bei der ÖVP mit der Wahrheit ein Problem haben, wissen wir, das hat der Nationalratspräsident ja auch medial kundgetan. Dass Sie dann aber nicht einmal zu den eigenen Vorschlägen stehen, ist schon sehr peinlich. (Beifall bei den NEOS.)

12.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit

eingebracht im Zuge der Debatte in der 107. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht gemäß § 13 Abs. 1a des Bun­desgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik (Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz – AMPFG) für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit (III-304 d.B.) – TOP 2

Am Beginn der Coronakrise war die Kurzarbeit sicherlich eine wesentliche Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Restriktionsmaßnahmen. Sie kann Arbeitsplätze aber nicht nachhaltig sichern1. Kurzarbeit ist eben nur eine Überbrü­ckungshilfe und macht nur als Brücke von einem Ufer zum anderen Sinn, nicht aber als Steg hinaus in den Ozean. Das Modell ist kurzfristig gut und verhindert Massenarbeitslo­sigkeit, führt aber langfristig zu Verwerfungen am Arbeitsmarkt, da Arbeitskräfte in Bran­chen gehalten werden, die nicht wettbewerbsfähig sind2. Daher müssen Alternativen ent­wickelt werden, die auch langfristig sinnvoll sind. Je länger die Kurzarbeit dauert, umso größer ist der Anteil der gestützten Jobs, die strukturell auch schon ohne Coronakrise problematisch und gefährdet waren. Vermehrt melden sich nun auch österreichische Ökonom_innen, wie der Leiter des WIFO-Instituts Prof. Dr. Christoph Badelt, aber auch der AMS Vorstand Johannes Kopf und der Unternehmer und KTM-Chef Stefan Pierer kritisch zur aktuellen Ausgestaltung der Corona Kurzarbeit1, 5. So spricht Badelt davon, dass das Instrument der Kurzarbeit die Gefahr einer Überförderung in sich berge und somit auch den Strukturwandel behindere. Außerdem betont er, dass es nicht möglich sei, alle Arbeitsplätze in den betroffen Branchen zu erhalten6. Kopf fordert unter anderem eine Verschärfung der Zugangsregeln zur Kurzarbeit beziehungsweise ein langsames Auslaufen des Instruments.

Somit ist die Zeit gekommen, einen Ausstieg aus der Kurzarbeit für die Zeit nach dem Lockdown vorzubereiten. Einige Länder haben mit dem Ausstieg aus der Kurzarbeit be­reits begonnen3, beispielsweise müssen in Frankreich Unternehmen einen Teil des Lohns für die ausgefallenen Stunden selbst tragen. In den Niederlanden wurde das be­stehende Kurzarbeitsmodell in der Corona-Krise durch einen vorübergehenden Lohnzu­schuss ersetzt. Arbeitgeber zahlen den Arbeitnehmern weiterhin 100 Prozent ihres üb­lichen Lohns, die Höhe der Förderung hängt aber nicht von der Arbeitszeitreduktion ab (wie in der klassischen Kurzarbeit), sondern ist zur Umsatzreduktion proportional4. Ne­ben den strukturellen Problemen fördert die Kurzarbeit den Fachkräftemangel, da sie Arbeitnehmer_innen in schwächelnden Unternehmen mit beispielsweise 30 Prozent Ar­beitszeit hält, während diese Arbeitnehmer_innen in anderen Unternehmen gebraucht werden. Dies betont auch KTM-Chef Stefan Pierer5:

"Die Kurzarbeit war ein hervorragendes Modell, um kurzfristig die Arbeitsplätze abzusi­chern. Je länger sie jedoch dauert, desto mehr verfestigen sich bestehende Strukturen. Dadurch ist auch das Rekrutieren schwieriger geworden. Wir beschäftigen heute 4.600 Mit­arbeiter und damit 200 Mitarbeiter mehr als vor der Pandemie. Darüber hinaus suchen wir weitere 300 Fachkräfte, und trotz der derzeit hohen Arbeitslosigkeit ist das Rekrutie­ren noch schwieriger geworden."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit sowie der Bundesmi­nister für Finanzen, wird aufgefordert, ein Modell für einen schrittweisen Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit vorzulegen."

1           https://kurier.at/wirtschaft/corona-kurzarbeit-vier-szenarien-wie-es-ab-april-wei­   tergeht/401189230

2           https://www.diepresse.com/5930100/agenda-austria-kurzarbeit-schrittweise-be­  enden

3           https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=135_135415-6bardplc5q&title=Job-          retention-schemes-during-the-COVID-19-lockdown-and-beyond

4           https://www.agenda-austria.at/publikationen/der-schrittweise-ausstieg-aus-der-  kurzarbeit/

5           https://kurier.at/wirtschaft/ktm-chef-pierer-will-wieder-mehr-leute-am-arbeits­        platz-sehen/401184664

6           https://www.derstandard.at/story/2000124168167/wifo-chef-badelt-je-mehr-sie-  zusperren-desto-staerker-schrumpft

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.