16.57

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vize­kanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen! Man kann es nicht oft genug wiederholen: Es stimmt, Katar tritt Menschenrechte und die Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen mit Füßen. Tausende von ihnen sind gestorben, während sie die Stadien für die Fußballwelt­meisterschaft aufgebaut haben, und deshalb geht das uns alle an. Alle, die vor den Fern­sehgeräten sitzen werden, müssen sich dessen bewusst sein, und das ist der Grund, wieso wir hier heute im österreichischen Parlament auch diese Debatte führen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

China – auch das wurde schon gesagt – unterdrückt Minderheiten, wie überhaupt alle, die sich nicht exakt den Verhaltensvorgaben der autokratischen Führung des Landes fügen, und die Welt darf auch das nicht ignorieren, wenn nächstes Jahr dort ein fröhli­ches Spektakel des Sports stattfinden wird.

Die Debatte über Sport und Politik und Menschenrechte erscheint sehr aktuell, ist aber schon sehr alt. Im Kern geht es immer um die Frage, was Sport mit Menschenrechten zu tun hat. Vielleicht werden Sie sich erinnern oder haben einmal darüber gelesen, dass bereits bei den Olympischen Sommerspielen 1936, in der Zeit der Hitler-Diktatur, die Sportler und Sportlerinnen und die Funktionäre in den USA darüber gestritten haben, ob sie überhaupt nach Berlin fahren sollen. Am Ende sind sie gefahren. Sie halfen so auf der einen Seite den Nationalsozialisten, ihren Ruf in der Welt aufzupolieren, aber auf der anderen Seite war es auch nicht uninteressant, zu beobachten, wie das rassistische Na­zi-Regime reagierte, als im eigenen Stadion ein nicht weißer US-Leichtathlet vier Gold­medaillen, und damit mehr als jeder andere, gewonnen hat.

Damit ist klar, Sport, Menschenrechte und Politik sind untrennbar miteinander verwoben.

Die hohe gesellschaftliche Bedeutung des Sports und auch die Vorbildfunktion des Sports müssen wir deshalb auch nützen, um Menschenrechte zu thematisieren. Und ja, wenn wir uns heute fragen: Dürfen Sportler, Sportlerinnen in Staaten, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, überhaupt um Medaillen kämpfen?, dann können wir mora­lisch und ethisch eigentlich nur antworten: Nein! Sie, die FunktionärInnen, die PolitikerIn­nen aus demokratischen Staaten, sollten nicht gemeinsam mit Autokraten auf Ehrentri­bünen sitzen. Sie sollten nicht in internationalen Verbänden, in Staaten auftreten, die ihre Taschen mit schmutzigem Geld füllen. Aber natürlich geht es auch darum, das Gan­ze im Vorhinein zu diskutieren, und genau darauf zielt der Antrag ab.

Prinzipiell glaube ich aber – und das ist die zweite Seite der Medaille –, dass Sport politi­sche, religiöse und kulturelle Grenzen überwinden kann und in der Praxis diese Frage, Boykott ja oder nein, gar nicht so einfach zu beantworten ist. Wie das Beispiel Katar nämlich gezeigt hat, kann internationaler Druck dazu führen, dass sich etwas ändert. Dort waren es die Mindestlöhne beispielsweise, es war ein Austausch der Sportler, Sportlerinnen mit den Gastarbeitern selbst, und es wird auch bei China nicht anders sein, als dass dieser internationale Druck aufgebaut und unsererseits auch hochgehalten wird.

Das heißt, die Diskussion um das Spannungsfeld zwischen Sport, Politik und Menschen­rechten hat einen Wert, hat einen Mehrwert. Kein Mensch würde heute über die Lage der Arbeiter reden, wenn wir nicht hinschauen würden, wenn es nicht eine internationale Komponente dabei gäbe. Und ja, es ist eine kleine Hoffnung, aber ich gehe davon aus, dass auch der chinesische Staat im Scheinwerferlicht der internationalen Öffentlichkeit in nächster Zeit nicht mehr so ganz ungeniert auf den Rechten der Menschen wird he­rumtrampeln können.

Das ist nicht viel, aber immerhin. Das Wichtigste an der aktuellen Debatte ist tatsächlich wahrscheinlich die Debatte selbst. Sie trägt nämlich dazu bei, dass wir ein bisschen ge­nauer hinschauen und dass wir sichtbar machen, dass Menschenrechte auch im Sport unteilbar sind. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Rednerin ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.