11.30

Mitglied des Europäischen Parlaments Thomas Waitz (Grüne): Geschätzte Präsi­dentin! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Abgeordnete und insbesondere werte FPÖ! Ihre angebliche Schuldenunion, die Sie hier beklagen, worum handelt es sich dabei? – Es geht darum, dass angesichts der größten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die wir gemeinsam zu stemmen haben, eines his­torischen Ereignisses, alle europäischen Staaten zusammenstehen, um gemeinsam unsere Wirtschaft in der Europäischen Union wiederaufzubauen.

Es handelt sich dabei um ein Instrument der Solidarität. – Ich weiß, Solidarität ist nicht unbedingt ein Begriff, mit dem Sie wahnsinnig viel anfangen können, aber ich möchte eine Erklärung wagen: Solidarität bedeutet, dass, selbst wenn unter Ihren Vorgängern und auch Vorgängerinnen in einem Bundesland Österreichs, in Kärnten, 8 000 Millionen Euro über die Hypo Alpe-Adria versenkt werden (Abg. Kassegger: Das ist doch ein totaler Blödsinn, ...!), Österreich zusammensteht, auch die Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler zusammenstehen, um die Bürger Kärntens nicht im Stich zu lassen – genau nicht im Stich zu lassen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Steger.) Das ist das, was man unter Solidarität versteht! Jetzt geht es um den Zusammenhang mit jenen EU-Mitgliedstaaten, die wirtschaftlich nicht ganz so super dastehen wie wir.

Ist Ihnen bewusst, dass Österreich eine Exportnation ist? (Abg. Kickl: Ach so! Wir kaufen es uns jetzt selber ab! Ach so! Na gut: Wir kaufen es uns jetzt selber ab!) Ist Ihnen bewusst, dass wir 30 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes mit Exporten ver­dienen? Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen zu den Ländern, auf die Sie gerne hinhauen: Italien: 10 Prozent unserer Exporte, Ungarn: 5 Prozent unserer Exporte, Polen: 5 Pro­zent unserer Exporte. Allein in diese Staaten gehen insgesamt 20 Prozent unserer Exporte. Glauben Sie nicht, dass es daher Sinn macht, dort die Wirtschaft mit zu unterstützen und vor dem Kollaps zu bewahren, damit die BürgerInnen in diesen Ländern auch das Geld haben, österreichische Produkte zu kaufen? Es geht dabei um Tausende Arbeitsplätze in Österreich! Die sind Ihnen offensichtlich egal. (Abg. Kickl: Die Schweiz ist kurz vor dem Untergang! Die Schweiz ist kurz vor dem Staatsbankrott!)

Lassen Sie mich aber noch zu einem anderen Thema kommen, das ich im Moment ja eigentlich viel spannender finde – denn üblicherweise halte ich im Europäischen Parla­ment Reden zu Tatsachen, zu Realitäten und nicht zu meiner Meinung nach wahnhaften Vorstellungen einer angeblich geplanten Abschaffung des Bargelds. (Abg. Belakowitsch: Wahnhaft ist ein Schimpfwort!)

Lassen Sie mich Ihnen mitteilen: Bisher gibt es dazu weder ein Gesetzesvorhaben noch einen Initiativbericht, noch hat die Europäische Kommission jemals behauptet, dass sie das Bargeld abschaffen möchte. Das ist eine Chimäre, die Sie hier in die Luft zeichnen! (Zwischenruf der Abg. Steger.) Ich weiß ja nicht, wer Ihnen das überhaupt abnimmt.

Ich darf Sie aber beruhigen: Ich bin ein Freund von Bargeld. Ich möchte auch nicht, dass ein Finanzdienstleister bei jeder kleinen Zahlung, die ich tätige, ein bissel was mit­schneidet, und ich möchte auch nicht, dass dann der Finanzdienstleister, oder wer auch immer, meine Daten verkauft und mich mit personalisierter Werbung zuschüttet. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!) Ich stehe dazu, dass Bargeld als Zahlungsmittel unbedingt erhalten werden muss, aber wissen Sie, im Allgemeinen haben Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht 10 000 Euro als Taschengeld im Jackett. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Üblicherweise haben Bürgerinnen und Bürger nicht das Problem, dass sie bei einer Begrenzung von Bargeldzahlungen irgendwie in Erklärungsnöte geraten, denn üblicher­weise versteuern wir das Geld, das wir verdienen, ordentlich (Beifall bei den Grünen) – und ich bitte um Entschuldigung, aber: Meine Fraktion ist es auch nicht, die im Verdacht steht, mit Taschen voller Bargeld im Auto herumzufahren (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl) oder irgendwelche Goldschätze in Alpenpensionen zu verstecken. (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.) Ich weiß nicht, vielleicht verstecken Sie dort auch Taschen voller Bargeld, das Sie loswerden wollen.

Ich verstehe auch überhaupt nicht, wieso Sie hier genau dafür eintreten, obwohl Sie doch angeblich das genaue Gegenteil wollen. Wer hat denn solche Mengen an Bargeld, mit denen er gerne bezahlen würde? (Abg. Martin Graf: Die ÖVP!) – Mafiabosse, Waffenschmuggler, Menschenschmuggler, Drogenhändler oder, ich weiß ja nicht, vielleicht Ihre Freunde, die russischen Oligarchen, die dann auf der Kärntner Straße mit Bargeld eine 40 000-Euro-Rolex kaufen wollen. Sind das jene, die Sie verteidigen, oder sind es jene, die das Schwarzgeld an der Finanz vorbei in ihre Taschen räumen und dann damit einkaufen gehen wollen? (Abg. Kickl: Sie haben schon Schaum vorm Mund!)

Es geht um eine Beschränkung von Bargeldzahlungen auf eine Höhe von 10 000 Euro! Ich weiß nicht, wie weit Sie von der Realität von Bürgerinnen und Bürgern entfernt sind, ob Sie noch wissen, wie viel Geld 10 000 Euro für einen normalen Menschen in diesem Land sind. (Abg. Kickl: Das weiß ich besser als Sie!) Ich kann absolut nicht nach­vollziehen, was Sie hier machen. Sie leiten die Bevölkerung in die Irre. Sie zeichnen ein Bild in die Luft, das keinen Bezug zur Realität hat. Schämen Sie sich! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Sie haben Schaum vorm Mund, ...! – Zwischenruf der Abg. Steger. – Abg. Belakowitsch: ... ist eine schwere Erkrankung! Das weisen wir zurück!)

11.35

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer zu Wort. – Bitte.